Mit Gedanken einen Computer steuern: Was nach Science-Fiction klingt, ist ein Regierungsprojekt in China. Bis 2030 soll dort eine wettbewerbsfähige Industrie rund um Gehirn-Computer-Schnittstellen entstehen.
Stell dir vor, du könntest nur mit deinen Gedanken einen Computer steuern oder eine Roboterhand bewegen. Was lange nach Science-Fiction klang, wird durch Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCIs) immer mehr zur Realität.
Während im Westen primär Start-ups wie Elon Musks Neuralink Schlagzeilen machen, hat die chinesische Regierung nun einen klaren Plan verkündet, um in diesem Technologierennen eine Führungsrolle zu übernehmen. Ein kürzlich veröffentlichtes Dokument umreißt ein ambitioniertes Ziel, bis 2027 Durchbrüche bei der BCI-Technologie zu erzielen und bis 2030 eine international wettbewerbsfähige Industrie aufzubauen.
BCIs lesen und entschlüsseln neuronale Aktivität, um sie in Befehle für externe Geräte wie Computer oder Roboterarme zu übersetzen. Die Forschung an dieser Technologie reicht bis in die 1970er-Jahre zurück, doch jahrzehntelang galten die Geräte als zu klobig und unzuverlässig für praktische Anwendungen.
China begann erst später mit der BCI-Forschung, holt aber schnell zu den USA auf. Die chinesische Regierung, bekannt dafür, Grundlagenforschung in die Kommerzialisierung zu überführen, hat die Entwicklung von BCIs zur Priorität erklärt.
Gehirn-Computer-Schnittstelle: China plant BCI-Industrie
Die Pläne sind konkret. Das Dokument legt 17 spezifische Schritte fest. Dazu gehören die Entwicklung besserer Chips zur Erfassung von Gehirnsignalen, die Verbesserung von Software zur Dekodierung dieser Signale sowie die Standardisierung der BCI-Technologie und der Aufbau von Produktionskapazitäten.
Schon jetzt gibt es erfolgreiche Pilotprojekte. Mehrere chinesische Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben BCI-Implantate erfolgreich an gelähmten Patienten getestet. Sie konnten damit einen Mauszeiger bewegen, einen Roboterarm bedienen und ihre Gedanken tippen. Ein BCI-System könnte in China schon 2027 die Zulassung erhalten.
Das chinesische Unternehmen NeuroXess hat bereits sechs gelähmten Patienten ein Gerät implantiert und konnte bei dreien davon chinesische Sprache präzise entschlüsseln.
Ein anderes Unternehmen, NeuCyber NeuroTech, hat einen münzgroßen Chip namens Beinao-1 entwickelt und bei fünf gelähmten Personen implantiert, die nun einen Computer-Cursor bewegen und Smartphone-Apps navigieren können. Für assistierende und rehabilitative Zwecke könnten in China ein bis zwei Millionen Patienten von dieser Technologie profitieren.
Nicht nur für Patienten: Vom Autofahrer zum Minenarbeiter
Über medizinische Anwendungen hinaus legt das Strategiepapier den Grundstein für den Massenmarkt. Es befürwortet ausdrücklich auch kommerziell nutzbare Anwendungen für Verbraucher. Beispielsweise könnten tragbare BCIs die Wachsamkeit von Autofahrern überwachen und bei Schläfrigkeit, Unaufmerksamkeit und langsamen Reaktionszeiten rechtzeitig warnen, um Verkehrsunfälle zu reduzieren.
Das Dokument schlägt auch vor, BCIs in gefährlichen Industrien wie Bergbau, Nuklearenergie und der Handhabung von gefährlichen Materialien zu testen, um die Arbeitssicherheit zu erhöhen. Die Geräte könnten frühzeitig vor Ereignissen wie niedrigem Sauerstoffgehalt, Vergiftungen oder Ohnmacht warnen.
Der Plan fördert die Massenproduktion von nicht implantierbaren BCI-Geräten in verschiedenen Formen, darunter Stirnbänder, am Kopf oder Ohr getragene Geräte sowie Helme, Brillen und Kopfhörer.
Gehirn-Computer-Schnittstelle: China im globalen Wettlauf mit Folgen
Chinas rasanter Fortschritt und die starke staatliche Unterstützung positionieren das Land als potenziellen Anführer in der BCI-Industrie. Dieser Vorstoß könnte einen globalen Wettlauf mit den USA auslösen.
Phoenix Peng, Mitbegründer von NeuroXess, sieht jedoch auch eine Chance für die Zusammenarbeit zwischen den Ländern, um Produkte für Patienten zu entwickeln, die dringend auf diese Technologie angewiesen sind, um ein besseres Leben zu führen.
Minmin Luo, Direktor des Chinesischen Instituts für Hirnforschung, beschreibt den Plan als „Ingenieurprojekt mit nicht allzu ehrgeizigen Zielen“, da bereits so viele Menschen daran arbeiten.
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