In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Was steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Freshflow.
Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Sie zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats „Start-up-Check“. Heute: Freshflow, Foodtech-Start-up aus Berlin.
Was steckt hinter Freshflow?
- Branche: FoodTech
- Gründer: Avik Mukhija und Carmine Paolino
- Gründungsjahr: 2021, Berlin
- Geschäftsmodell: KI-gestützte Software im Abo-Modell für Supermärkte, die Bestellungen automatisiert, Abfälle reduziert und Gewinne steigert
- Ziel: Lebensmittelabfälle im Handel verringern
Allein in Deutschland landen laut EWAV-Factsheet 2024 jedes Jahr fast elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll – rund 78 Kilogramm pro Kopf. Der Großteil davon entsteht im Handel und in Privathaushalten. Um hier gegenzusteuern, gründeten Avik Mukhija und Carmine Paolino das Start-up Freshflow.
Mukhija bringt praktische Erfahrung aus dem Lebensmittelhandel mit, Paolino als KI-Forscher und späterer CTO die technische Expertise. Gemeinsam entwickelten sie eine Software, die vor allem Frischeabteilungen unterstützt. Denn gerade bei Obst, Gemüse, Fleisch oder Milchprodukten ist die Balance zwischen Nachfrage, Haltbarkeit und Verfügbarkeit besonders heikel.
Mit KI gegen Lebensmittelverschwendung: Wie funktioniert Freshflow?
Die KI-gestützte Plattform zieht Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammen: Verkaufsstatistiken, Feiertage, regionale Besonderheiten, saisonale Effekte oder auch Wetterprognosen. Auf dieser Basis errechnet sie automatisierte Bestellvorschläge für Filialen.
Das Ziel: Überbestände vermeiden, Fehlbestellungen reduzieren, Kosten sparen – und gleichzeitig die Warenverfügbarkeit für Kunden sichern.
„Unsere Mission ist es, das globale Food-Waste-Problem zu bekämpfen. Lebensmittelverschwendung ist ein riesiges ökologisches Problem – der CO2-Fußabdruck ist sechsmal so groß wie die Flugzeugindustrie!“, betont Mukhija gegenüber deutsche-startups.
Das Geschäftsmodell
Freshflow setzt auf ein klassisches SaaS-Modell: Händler zahlen eine Gebühr, deren Höhe meist von der Filialgröße abhängt. Laut Unternehmensangaben kann die Software Abfälle um bis zu 20 Prozent reduzieren und gleichzeitig Umsätze um zwei bis fünf Prozent steigern – eine Kombination, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch attraktiv wirkt.
Aktuell arbeitet Freshflow mit großen Partnern wie Carrefour, Intermarché und der L. Stroetmann-Gruppe (Edeka) zusammen. Während Carrefour und Intermarché die Lösung aktiv pilotieren und durch Feedback mitentwickeln, nutzt Stroetmann die Software bereits im operativen Betrieb.
Das ermöglicht Freshflow, die Technologie kontinuierlich an die Praxisanforderungen im Einzelhandel anzupassen. Ein entscheidender Vorteil in einer Branche, in der jede Filiale eigene Abläufe und Herausforderungen kennt.
Finanzierung und Perspektive
Frisches Kapital kommt von Investoren wie World Fund, Capnamic Ventures und Venture Stars sowie von Business Angels, darunter Alexander Mrozek (Dr. Oetker Digital) und die Feige-Brüder (FEIGE Logistics).
In der jüngsten Finanzierungsrunde sammelte Freshflow 6,5 Millionen Euro ein. Damit soll die Lösung auf weitere Frischekategorien wie Milchprodukte, Fleisch und Backwaren ausgeweitet und die technologische Basis gestärkt werden.
Langfristig verfolgt Freshflow das Ziel, Lebensmittelabfälle europaweit deutlich zu reduzieren. Damit adressiert das Start-up nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches Problem: Abfälle im Handel sind teuer, belasten Margen und schaden dem Image.
Freshflow: Chancen und Herausforderungen
Die Idee von Freshflow klingt vielversprechend: weniger Abfall, höhere Profitabilität, bessere Planbarkeit. Das Potenzial ist groß, denn Supermärkte stehen unter wachsendem Druck.
Steigende Energiekosten, Preissensibilität der Verbraucher und gleichzeitig strengere Nachhaltigkeitsanforderungen. Doch wie bei allen FoodTech-Start-ups hängt der Erfolg von zwei Faktoren ab:
- Skalierung: Kann Freshflow die Lösung für unterschiedliche Märkte, Regionen und Händlergrößen anpassen?
- Akzeptanz: Gelingt es, die Software in die bestehenden Prozesse von Supermärkten zu integrieren ohne die Abläufe zu verkomplizieren?
Freshflow hat gute Chancen, sich in einem wachsenden Markt zu etablieren. Denn: Das Unternehmen trifft mit seiner Lösung einen Nerv der Zeit: weniger Food Waste, mehr Effizienz, klare Nachhaltigkeitsstory. Der Ansatz, KI für eines der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft einzusetzen, macht das Berliner Start-up zu einem spannenden Player im europäischen FoodTech.
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