Was haben Tauben mit Künstlicher Intelligenz zu tun? Moderne KI-Systeme nutzen Prinzipien des Lernens, die eher an das simple Belohnungsprinzip einer Taube erinnern als an menschliche Logik. Ein Blick darauf, warum ausgerechnet diese Vögel die KI-Revolution inspiriert haben.
Eine Taube als Waffe? Was nach einem schlechten Science-Fiction-Film klingt, war in den 1940er-Jahren Teil eines geheimen Regierungsrojekts in den USA. Der Psychologe Burrhus Frederic Skinner leitete damals das bizarr anmutende „Project Pigeon“ ein, bei dem Brieftauben darauf trainiert wurden, Bomben in ein bestimmtes Ziel zu steuern.
Die Idee mag gescheitert sein, aber die dahinterstehenden Prinzipien sind aktuell wichtiger denn je. Denn das sogenannte „Verstärkungslernen“ der Taube steckt in den weltweit fortschrittlichsten KI-Systemen. In den 1960er-Jahren wurden Skinners verhaltensbiologische Theorien in der Psychologie als zu simpel abgetan.
Dennoch griffen Informatiker sie auf und machten sie zum Fundament für viele der heutigen KI-Werkzeuge von Tech-Giganten wie Google und OpenAI. Das „Reinforcement Learning“, wie es heute heißt, ist nicht etwa eine Nachbildung des komplexen menschlichen Gehirns, sondern eine stark aufgeladene Version der einfachen assoziativen Prozesse einer Taube.
Eine Lektion für die KI-Forschung: Menschliche Intelligenz ist kein gutes Modell für das maschinelle Lernen. Stattdessen sind es die primitiven Prinzipien der Lerntheorie, die heute Algorithmen antreiben und menschliche Fähigkeiten übertreffen können.
Tauben und KI: Vom Futter zum Algorithmus
Das Verstärkungslernen ist ein simpler Prozess von Versuch und Irrtum. Wenn eine Taube eine Taste pickt und dafür ein Futterkorn bekommt, ist das für sie eine positive Verstärkung. Sie wird diese Handlung wiederholen. Das System lernt durch Belohnung, welche Aktionen zu einem gewünschten Ergebnis führen.
Genau auf diesem Prinzip basieren moderne KIs. Sie erhalten eine Aufgabe, beispeislweose ein Schachspiel zu gewinnen oder ein Auto zu steuern, und werden für jede richtige Aktion belohnt. Währenddessen werden Fehler bestraft. Durch unzählige Wiederholungen lernen die Algorithmen, eine Abfolge von Aktionen auszuführen, die langfristig zur maximalen Belohnung führt.
Die Forschung zeigt, dass es dafür keine komplexen Denkprozesse benötigt, sondern nur eine riesige Rechenleistung, die die simplen Lernprozesse unzählige Male wiederholen kann. Diese Erkenntnis hat die Entwicklung von KI massiv beschleunigt und ermöglicht, dass Computer heute komplexe mathematische Probleme lösen, Schachgroßmeister besiegen oder Autos autonom fahren lassen.
Ist Künstliche Intelligenz ein Taubenhirn auf Steroiden?
So einfach und erfolgreich diese Methode auch ist, hat sie eine wichtige Implikation: Wenn die Befürchtung wahr wird, dass KI eines Tages die Oberhand gewinnt, wird sie nicht menschlich sein. Stattdessen könnten künftige Computer-Diktatoren eher wie Tauben mit Gehirnen von der Größe eines Planeten sein.
Das Taubengehirn hilft dabei, eine Technologie zu entmystifizieren, die viele fürchten oder bejubeln. Paradoxerweise hat die Erfolgsgeschichte der KI auch Auswirkungen auf die Biologie. Einige Forscher sehen einen Beweis dafür, dass auch die natürliche Intelligenz komplexer Tiere wie Schimpansen oder Krähen viel stärker auf diesem simplen assoziativen Lernen beruht, als bisher angenommen.
Was einmal als eine zu einfache Erklärung für das Verhalten von Tieren angesehen wurde, wird jetzt aus einer anderen Perspektive betrachtet. Die Taube im Labor ist also nicht nur in unseren Computern, sondern auch in unseren eigenen Köpfen und der Motor hinter einigen der beeindruckendsten menschlichen Leistungen.
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