Winzige Kristalle könnten die Medizintechnik revolutionieren. Denn Forscher haben mit ihrer Hilfe erstmals eine Perowskit-Kamera entwickelt, die durch den menschlichen Körper hindurch sehen kann.
Was, wenn Ärzte in der Lage wären, Krankheiten im menschlichen Körper mit bisher unerreichter Präzision zu erkennen? Und das, ohne, dass Patienten stundenlang in einem Scanner liegen müssen. Was zunächst nach einem Traum klingt, könnte bald Realität werden.
Denn ein internationales Forscherteam hat die weltweit erste Perowskit-Kamera entwickelt. Sie soll in der Lage sein, in das Innere des menschlichen Körpers zu blicken. Die Entwicklung verspricht nicht nur schnellere und sicherere Scans, sondern auch den Zugang zu einer Technologie, die bisher nur den reichsten Krankenhäusern vorbehalten war.
Ärzte nutzen bereits nuklearmedizinische Verfahren wie SPECT-Scans, um die Blutversorgung des Herzens zu beobachten oder Krankheiten tief im Körper aufzuspüren. Diese Systeme sind jedoch auf Detektoren angewiesen, die meist Nachteile mit sich bringen.
Entweder sind sie kostspielig und empfindlich oder billiger, aber klobig und weniger präzise. Um diese Herausforderungen zu meistern, wandten sich die Forscher den Perowskit-Kristallen zu, einem Material, das primär für seine vielversprechende Rolle in der Solarenergie bekannt ist.
Eine Kamera wie im Smartphone, nur für Gamma-Strahlen
Die von Wissenschaftlern der Northwestern University und der Soochow University entwickelte Kamera ist der erste Detektor auf Perowskit-Basis, der in der Lage ist, einzelne Gammastrahlen mit außergewöhnlicher Präzision zu erfassen. Das System fängt Gammastrahlen ein, die ein kurzlebiger, unschädlicher Tracer im Körper eines Patienten aussendet.
Jeder Gammastrahl wirkt wie ein Pixel. Wenn Millionen dieser Pixel erfasst werden, fügt ein Computer sie zu einem klaren, dreidimensionalen Bild zusammen. Genau wie die Pixel in einer modernen Smartphone-Kamera liefert auch der neue, auf Perowskit basierende Detektor eine bisher nicht dagewesene Klarheit.
Im Labor konnte die Kamera eine Energieauflösung von ein bis 2,5 Prozent erreichen. Das sind Werte, die bisher unerreichbar schienen. Außerdem ist das System extrem empfindlich und kann selbst schwächste Signale eines Technetium-99m-Radiotracers erkennen, der häufig bei klinischen Untersuchungen zum Einsatz kommt.
Es erzeugte klare Bilder, die selbst winzige radioaktive Quellen trennen konnten, die nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren. Der Detektor arbeitet zudem äußerst stabil und kann fast das gesamte Signal ohne Verlust oder Verzerrung erfassen.
Das Ziel: Bessere Scans für mehr Menschen
Ein wichtiger Vorteil der neuen Technologie ist, dass die Perowskit-Kristalle leichter herzustellen und deutlich kostengünstiger sind als die herkömmlichen Alternativen. Das macht die Technologie für eine breitere Masse zugänglich. Ein Arzt könnte mit der neuen Kamera einen Patienten mit einer geringeren Strahlendosis scannen, und das Ergebnis wäre klarer als bei einem herkömmlichen Scanner.
Für Patienten bedeutet dies weniger Strahlung, kürzere Untersuchungszeiten und präzisere Diagnosen. Für Krankenhäuser könnten die Kosten für die Anschaffung und Wartung der Geräte sinken. Das ultimative Ziel der Forscher ist es, die Kernmedizin von einem „Luxusgut“ zu befreien.
Eine Ausgründung der Northwestern University namens Actinia Inc. arbeitet bereits daran, die Technologie aus dem Labor in Krankenhäuser zu bringen. Wie die Forscher betonen, ist die Demonstration der Gammastrahlenbildgebung ein Meilenstein, der zeigt, dass Perowskit-Materialien bereit sind, die Nuklearmedizin nachhaltig zu verändern.
Die Forscher sehen nun Möglichkeiten, die Detektoren weiter zu verfeinern, die Produktion hochzufahren und neue Wege in der medizinischen Bildgebung zu gehen. Die Hoffnung ist, dass dank der neuen Technologie „bessere Scans, bessere Diagnosen und eine bessere Versorgung für Patienten auf der ganzen Welt“ möglich sind.
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