Der EU-Rat wollte eigentlich am 14. Oktober 2025 über die Einführung einer proaktiven Chatkontrolle abstimmen. Die Bundesregierung hat sich dazu lange bedeckt gehalten, nun aber ein eindeutiges Signal gesendet. Denn: Sollte die EU ein entsprechendes Gesetz verabschieden, wären alle Chats über WhatsApp und Co. potenziell staatlich überwachbar.
Chatkontrolle soll Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aushebeln
- Was Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen in privaten Chats auf WhatsApp, Threema oder Signal untereinander schreiben, geht nur sie etwas an. Deshalb setzen viele Messenger auf die sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Das heißt: Eine Nachricht ist während der gesamten Übertragung verschlüsselt und kann nur mit dem richtigen Schlüssel vom Empfänger gelesen werden.
- Die EU will diese Sicherheitsbarrieren umgehen und auf Client-Side-Scanning setzen, um Straftaten aufzuklären oder vorzubeugen. Diese Methode durchsucht Nachrichten, Bilder, Audiodateien und Videos BEVOR sie für den Versand verschlüsselt werden. Über technische Programme würden also lokale Dateien auf Smartphones durchsucht werden. Für manche Parteien könnte das ein autokratisches Machtinstrument sein.
- Für solche Eingriffe in die Privatsphäre müssten Messenger proaktiv Sicherheitslücken in ihre Systeme einbauen, die staatlichen Hackern ein Hintertürchen öffnen. Sollten derartige Vorschriften in Europa eingeführt werden, werden wir Nutzer unsere liebsten Messenger verlieren. So hat beispielsweise Signal angekündigt, den EU-Markt zu verlassen, wenn man dazu gezwungen wird, eine Überwachung zu ermöglichen.
ChatKontrolle: EU-Pläne vorerst gescheitert
Die Diskussion über eine Chatkontrolle in Europa ist nicht neu. Schon seit 2022 debattieren sowohl die Mitglieder des EU-Parlaments als auch die Regierungschefs im EU-Rat über die Einführung von Kontrollmöglichkeiten, um etwa die Verbreitung von Kinderpornografie zu verhindern oder Straftaten aufzuklären. Allerdings ist bislang jeder Vorstoß des EU-Rats gescheitert – zuletzt im Jahr 2024.
Das liegt auch daran, dass sich bislang Deutschland immer gegen eine staatliche Nachrichtenüberwachung gestellt hat – anscheinend sind wir doch dazu in der Lage, aus unserer Geschichte zu lernen. Beim aktuellen Vorstoß unter der dänischen Ratspräsidentschaft, über den am 14. Oktober 2025 abgestimmt werden soll, ist die Ausgangslage anders.
Zwar warnen viele Unternehmen und Experten vor den Folgen einer Chatkontrolle – und sogar die Initiative „Chatkontrolle stoppen“ wurde ins Leben gerufen. Doch auch einige Politiker der Union – unter anderem Jens Spahn – sprachen sich dagegen aus.
Das war allerdings hinfällig, weil letztendlich das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium gemeinsam über eine Positionierung Deutschlands entschieden haben – und sich im letzten Moment gegen die Chatkontrolle ausgesprochen haben. Die Abstimmung des EU-Rates wird damit vermutlich vorerst nicht stattfinden, da die qualifizierte Mehrheit auf der Kippe steht.
Stimmen
- Will Cathcart, Head of WhatsApp für Weiterentwicklung, warnt in einem Interview: „Der jüngste Vorschlag der EU-Präsidentschaft untergräbt weiterhin die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und gefährdet damit die Privatsphäre und Sicherheit aller.“
- Die Entwickler des schweizerischen Messengers Threema, der für ein hohes Sicherheitsniveau bekannt ist, finden in einem Blog-Beitrag keine guten Worte für die Politik: „In einer gesunden Demokratie kontrollieren die Bürger die Regierung – Massenüberwachung ist die Umkehrung dieses demokratischen Grundsatzes. Mit so einer Maßnahme werden Bürger unter Generalverdacht gestellt, was das Vertrauen zur Regierung tiefgreifend stört.“
- Schon im Jahr 2023 hat sich der Kinderschutzbund (DKSB) zur Chatkontrolle geäußert: „Vor allem das anlasslose Scannen privater Kommunikation in Messenger-Diensten (wie z.B. WhatsApp oder Signal) oder E-Mails ist weder verhältnismäßig noch zielführend. Dies greift tief in Grundrechte der Kinder und Jugendlichen ein, deren Aufwachsen in einem Umfeld, in dem freie Meinungsäußerung und vertrauliche Kommunikation selbstverständlich sind, ein wesentlicher Pfeiler von Demokratie und Partizipation ist.“
Chatkontrolle: Deutschland sagt „Nein“
Grundsätzlich ist es kein gutes Zeichen, dass sich die deutsche Politik über einen so langen Zeitraum bedeckt gehalten hat. Das bedeutet, dass sich die Stimmen in der Bundesregierung gemehrt haben, die ernsthaft über eine Chatkontrolle nachdenken. Das endgültige „Nein“ verliert ein Stück weit an Glaubwürdigkeit, weil erst ein öffentlicher Aufschrei nötig war.
Gerade in Deutschland, dem Land, in dem während des Nationalsozialismus und in der DDR Menschen systematisch überwacht und verfolgt worden sind, müsste ein Bewusstsein vorhanden sein, dass derartige Maßnahmen früher oder später ausgenutzt werden, um das eigene Volk zu drangsalieren.
Wer ernsthaft glaubt, dass eine potenzielle Aushöhlung der Privatsphäre aller Menschen in Deutschland und Europa dafür sorgt zu glauben, dass Kinder vor sexueller Gewalt und deren Verbreitung besser geschützt wären, ist nicht nur auf dem Holzweg, sondern rennt im Vollsprint auf eine Steinmauer zu.
Es ist essenziell, dass sich die EU dem Kinderschutz annimmt – nur die Art und Weise ist verkehrt. Mehr Personal in Jugendämtern, eine engere Betreuung durch mehr Fachpersonal in Schulen und Kindergärten, weniger „Wegschauen“ sowie ein Verbot von Pornoplattformen: All das wären effektivere und menschenorientierte Wege.
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Das ist wirklich einmal eine positive Nachricht aus Deutschland.