Sonstiges

Verdrehte Wahrnehmungswelt

Der Fall des Ex-Vize-Polizeipräsidenten Daschner (liess den Mörder Magnus Gäfgen Folter androhen, wenn er das Versteck von Jakob von Metzler nicht preisgeben würde) ist irgendwie schräg.

Einerseits ist Folter und auch die Androhung derselbigen nicht besonders nett. Andererseits kann jede Mutti und jeder Papa seine illegale Massnahme nachvollziehen, da es um das Leben von Jakob ging (keiner wusste ja ausser dem Mörder, dass Jakob schon tot war).

Das sehr milde Urteil wird im Netz zu überwiegenden Teilen kritisiert. Kann man nachvollziehen, wenn man an funktionierende Rechtssysteme glaubt.


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Was mich daran so irritiert ist, dass Geiselnehmer hochoffiziel erschossen werden dürfen, wenn das Leben der Geiseln bedroht ist. Da meckert keiner, wenn das Gehirn des Geiselnehmers auf die Strasse platscht (sorry für diese Umschreibung des Finalschusses).

Bei Daschner meckert man aber schon. Komisch… geht mir wirklich nicht so recht rein.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

6 Kommentare

  • Nicht wirklich. Der finale Rettungsschuß ist nur dann zulässig, wenn keine andere Maßnahme das Leben der Geiseln schützt. Kein Scharfschütze darf einen Geiselnehmer ohne vorherige Ansprache einfach mal g’schwind abknallen.

    Beim finalen Rettungsschuß ist die Bedrohung eindeutig und fällt in das Kapitel Notwehr und da darf jeder zum Äußersten greifen, wenn Leben in Gefahr ist.

    Im Fall Gäfgen war aber keine eindeutige Situation gegeben. Gäfgen hätte ebensogut ein armer Irrer sein können.

    Stell Dir nur vor in Deiner Nachbarschaft wird ein Kind entführt und dein Fahrzeug ähnelt nicht nur dem Fahrzeug des Entführers, es tauch auch an veschiedenen Orten auf, das mutmaßlich den Tatraum umschreibt. Die Indizien gegen Dich verdichten sich und siehst Dich plötzlich in einem Verhörraum wieder.

    Stell Dir vor Gäfgen wäre Dein Bekannter gewesen, hätte gestanden bei der Entführung geholfen zu haben, aber Du wärst derjenige der allein wüsste, wo sich das Kind versteckt ist. Die Polizei wäre mit Sturmtrupp bei Dir eingedrungen und Du wärst über Stunden vernommen worden. Das allein ist schon ein extremer Stress und nun droht man Dir mit Folter. Kein schöner Gedanke, oder? In dubio pro re. Im Verhörraum der Polizei gibt es keine Täter. Dort ist man immer nur einer Tat verdächtigt. Erst der Richter bestimmt, ob man Dich als Täter bezeichnen darf und das ist gut so, auch wenn das noch kein Schutz vor dem Irrtum bietet, aber Du hattest wenigstens Zeit Dir professionelle Hilfe für Deine Verteidigung zu besorgen.

  • @robert: silke hat schon – hoffentlich glaubhaft – erläutert, dass es auch mit dem „finalen rettungsschuss“ nicht ganz so einfach ist, wie du das salopp beschrieben hast. ich weiß nicht, wie alt du bist und ob du damals überhaupt – und wie intensiv .- die diskussion um den finalen rettungsschuss mitverfolgt hast. es geht da um ein ganz ähnliches dilemma wie das von daschner. tatsächlich ist es ja oft nicht so sicher, dass nur mit einem tödlichen schuss das leben anderer gerettet werden kann – weshalb die diskussion damals ähnlich kontrovers war.

    tatsächlich hängt das alles mit einem prinzip zusammen, das eine der wichtigsten grundlagen des modernen rechtsstaats ist: dem gewaltmonopol des staates. zivilisation hat eben auch damit zu tun, dass wir uns nicht mehr gegenseitig die mütze einhauen dürfen und der stärkere oder geschicktere (oder der mit den meisten freunden) gewinnt. nur der staat bzw. seine organe dürfen in unserer gesellschaft ungestraft gewalt ausüben oder gar „leben nehmen“ – in gesetzlich ganz präzise geregeltem rahmen. gibt es diese regeln nicht oder sind sie nicht SEHR restriktiv, haben wir einen totalitären staat vor uns, in dem der bürger letztendlich keine sicherheit hat. silke hat ein, zwei beispiele dazu schön beschrieben. (unabhängig vom thema menschenwürde“ hat sich folter übrigens nie als besonders effektive „ermittlungsmethodik“ erwiesen. folter und mehr oder weniger willkürliche gewaltandrohung ist lediglich ein effektives terrorinstrument.)

    es ist sehr gefährlich, diese restriktiven regeln im umfeld des gewaltmonopols aufzuweichen. gibst du den staatlichen organen erst einmal das recht, gewalt auszuüben (oder anzudrohen), wenn ein – wie auch immer begründeter – verdacht besteht, dass damit „schlimmeres“ (wer definiert „schlimmeres“?) verhütet wird, ist das ein dammbruch. in totalitären staaten ist „schlimmeres“ zum beispiel üblicherweise eine bedrohung staatlicher organe, „der partei“, von „recht und ordnung“ oder ähnliches. und ein „verdacht“ lässt sich leicht konstruieren.

    ich will damit nicht sagen, dass das im fall daschner zutrifft. aber es illustriert vielleicht ein bisschen, wie wichtig die starken einschränkungen des gewalt-monopols sind, und wie ein rechtsstaat auf die schiefe bahn geraten kann, wenn man in dieser hinsicht nicht sehr, sehr vorsichtig ist. und, nein, das „gesunde volksempfinden“ ist in solchen fragen kein besonders guter ratgeber.

    ich selbst bin papa und ich möchte nicht darüber nachdenken, was ich mit jemanden machen würde, der meinem sohnemann schaden zufügt oder gar sein leben bedroht. so sind menschen verdrahtet und das ist auch gut so – sonst gäbe es den menschen als spezies nicht mehr. auf diese gefühle kann man jedoch keinen rechtsstaat aufbauen – sonst gälte auch bei uns noch auge-um-auge.

    vielleicht „geht dir“ das auch „noch nicht rein“ (wäre nicht schlimm, haben juristen und philosophen auch einige hundert jahre drüber nachgebrütet). aber vielleicht hilft es, die bedenken des einen oder anderen im umfeld dieses sehr heiklen falls als etwas mehr als nur „gemecker“ anzusehen.

  • ich habe die beiden Dinge miteinander verglichen, weil sie so extrem weit auseinander sind. Überraschenderweise ist das Illegale das „Softe“ und das „Harte“ das Legale: Bei dem einen geht es um die Androhung von Gewalt und bei dem anderen um die Tötung eines Menschen.

    Bei Gäfgen stimmten die Indizien – was auch nachträglich nie anders behauptet wurde – mit seinem Geständnis überein. Irre kennen nicht die Fakten und wenn sie denn vermeintlich gestehen würden, käme das Hirngespinst schnell heraus. Insofern lag der Fall mE klar: Hier wurde ein Menschenleben ganz klar von einem Entführer bedroht. Ein Entführer ist aber im dem Moment nichts anderes als ein Geiselnehmer, wenn er ohne den Entführten gefasst worden ist. Moment, wie war das aber mit Geiselnehmern? Komme sofort dazu:

    Mir geht es also nicht um Rechtsstaatlichkeit und Gewaltmonopole oder gar Elterngefühle. Sondern um die Tatsache, dass
    1.) die Tötung eines Menschen = unmittelbare Geiselnehmer akzeptiert wird, nicht aber die angedrohte Ergreifung von Gewaltmassnahmen (ohne Todesfolge, „nur“ Schmerz…) gegenüber Entführern.
    2.) es sogar soweit geht, dass Folter bundeseinheitlich nicht angedroht werden darf, aber der sogenannte „finale Rettungsschuss“ von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt wird und teils auch völlig in der Entscheidungsbefugnis des Polizeibeamten vor Ort liegt.

    Crazy, oder? Muss man nicht die Gesetze in Relation zueinander setzen? Das Töten ist legalisiert, nicht aber die Androhung von Folter zur Rettung von Menschenleben. Und gerade das Nehmen eines Menschenlebens sollte doch äusserst streng gehandhabt werden. Was es ja nicht wird.

  • Unerheblich zumal im konkreten Fall das Kind bereits tot war. In unserem Strafrecht ist Rache und Volkszorn nicht verankert. Dafür bin ich dankbar.

    Ich betone noch einmal: im Verhörraum gibt es keine eineindeutige Situation.

    Die eineindeutige Situation wird erst künstlich im Gerichtssaal erzeugt. Dabei ist es unerheblich welche forensichen Spuren und welche Zeugenaussagen oder Geständnisse existieren.

    Glaubst Du wirklich, dass es in Amerika auch nur einen Richter gibt, der einen Menschen in den Hinrichtungsraum zur Exekutions schickt, der sich nicht 150% sicher glaubt, das Richtige zu tun — nur „Schuldige“ zu verurteilen. Und trotzdem sind Unschuldige hingerichtet worden.

    Wenn ich eine Situation schaffe, bei der Du real glaubst — glauben musst, dass ich für Dich oder für Menschen in Deiner unmittelbaren Umgebung ob verwandt oder nicht eine lebensbedrohliche Gefahr darstelle, kannst Du zur Notwehr greifen. Wehe Dir, das Gericht beurteilt die Situation im Nachhinein anders, eine Verurteilung wegen Todschlags wäre Dir sicher.

    Nein, auch Notwehr ist oft so eindeutig nicht.

  • Darf ich daran erinnern, dass es bei den Gesetzen zum finalen Rettungsschuss nur darum geht, ob der einzelne Beamte oder dessen Vorgesetzte samt Apparat im Fehlerfall zur Verantwortung gezogen werden!?