Vortrag von Martin Röll: Weblogs: Chancen und Risiken beim Einsatz in der Unternehmenskommunikation. Beim D.velop d.forum, 1. Juni 2005, Münster.
U.a. schreibt Martin, daß es Chancen für Corporate Blogs gibt, die sich aus der Vernetzung von Blogs ergeben:
Weblogger sind Multiplikatoren. Wer es schafft, sie zu erreichen, kann es schaffen, dass sich seine Botschaften weiter verbreiten.
In Weblogs entstehen virale Effekte: Ideen pflanzen sich wie Viren fort. Wenn Sie mit der Marketing-Terminologie nicht vertraut sind, kennen Sie das auch einfach als „Mund-zu-Mund-Propaganda“ und als „Schneeballeffekt“.
So schön das auch sein mag, so unwahrscheinlich ist es, daß Dank der Blogvernetzung positive Viraleffekte entstehen. Es gibt nichts, was schnelllebiger als Blogs sind: Themen poppen hoch und verdampfen in kürzesten Halbwertszeiten. Was vorgestern diskutiert wurde, ist heute völlig vergessen. Blogs als „Vernetzungstools“ mangelt es an einem: Nachhaltigkeit. Sie haben keinen gemeinsamen Erinnerungsspeicher. Doch nicht nur der hochflüchtige RAM ist ein schwacher Ansatz, sondern die Tatsache, daß man über Blogs kaum Besucher bekommt. Es ist nahezu lächerlich, wenn man auf Basis einer Erwähnung auf einem fremden Blog 10-20 Besucher im Schnitt bekommt. Viel wichtiger ist Google, Google und nochmals Google. Der Vernetzungsfaktor ist dagegen viel zu schwach und man braucht zu viel Kraft, um davon überhaupt spürbar und dauerhaft zu profitieren. Machen wir uns nix vor: Prädestiniert für Vernetzungseffekte sind bekannte Firmen wie Google/Microsoft etc… die den Promibonus genießen. Keiner interessiert sich für Eure Minifirma. Und keiner für Eure Produkte, da Blogger thematisch dermaßen abgehärtet sind, daß nur außergewöhnlich tolle Produkte genannt und weiter verlinkt werden. Jüngstes Beispiel: Das Keyboard aus Russland. Und wieviele andere Produkte wurden mal hier und da genannt, aber keiner interessiert sich dafür im Sinne des Vernetzungseffktes? 1.000? 100.000? 1.000.000?
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Versteht mich nicht falsch, ich selbst liebe Blogs und wandere gerne durch die Blogosphäre, freue mich wie ein Schneekönig über Erwähnungen auf anderen Blogs, doch rein kaufmännisch betrachtet ist die Blogosphere mE uninteressant für Viraleffekte. Auch in den USA? Keine Ahnung, wie das da läuft, aber so ich das von außen betrachte, ist es das Gleiche: Sobald Google oder Apple pupst, schreibt jeder drüber, sobald eine No-Name Firma etwas wunderbares vorstellt, interessiert sich keine Socke dafür. Thats life.
Ergo? Legt nicht zuviel Wert und macht Euch nicht zu viel Gedanken um die Blogosphere, um verlinkt zu werden. Baut ein Blog, das aus eigener Kraft wächst und gedeiht. E gibt wesentlich bessere Webseiten und Medien als Blogs, auf denen sich eine Erwähnung und möglicherweise sogar thematisch tiefergehendere Auseinandersetzung viel mehr lohnt mE.
Corporate Blogs ja, definitiv, wer sie ohne über die Vorteile nachzudenken nicht nutzt, hat einen Fehler gemacht oder weiß nach dem Test/der Analyse genau, warum sie ihm nix bringen. Aber ein Blog zu starten, um mit Bloggern aus der Blogosphere ins Gespräch zu kommen, würde ich in 99:1 Fällen „nein“ sagen.
Gibt es denn nie nie positive Viraleffekte? Natürlich gibt es die, so wie Flickr.com immens von Blogs profitieren konnte. Wann poppen denn eher Themen in der Blogosphere hoch? Wenn es sich um Themen handelt, die eng mit dem Blogging verknüpft sind. Das kann ein Bilderdienst sein, den man für sein eigenes Blog nutzen kann, die Tastatur mit der man bloggt, die Digicam mit der man Videos oder Bilder schießt und ins Blog lädt, also alles Themen, die blogverwandt sind. Ist doch logo: Die Blogosphere ist auf dem „Egotrip“. Jeder Blogger schreibt idR über das, was ihn persönlich interessiert. Ich ebenso wie andere. Das ist doch völlig normal. Die Vorstellung, mit der man die Blogoshäre anpreist, daß sie Euch als Firma mit offenen Armen aufnehmen werden, nur weil ihr ein Corporate Blog über XYZ aufmacht, ist ein bißerl vorbei an der Realität. Bei ~9.000.000.000 Webseiten (mehr oder weniger ist doch egal mittlerweile), bei ca. 10.000.000 Blogs weltweit (und wohl weit mehr…), bei hunderten von Millionen Nachrichten, die durchs Netz rauschen, seid Ihr mit Eurem Blog zu Beginn nichts anderes, als ein dunkler, klitzekleiner Planet ganz am Ende der Galaxis, wo sich ganz selten ein Lebewesen hin verirrt. Der Gedanke, daß sich jemand für die Funksignale von diesem klitzekleinen Planeten interessiert… ok.. :-)) Die Blogosphäre ist da sehr wählerisch. Wenn da nicht eine große Gleichberechtigungsmaschine wäre, die es Euch ermöglicht, überhaupt in der Netzgalaxie wahrgenommen zu werden: Google. Nur das hat mit Blogs nix zu tun.
Wenn also ein Berater schreibt, daß Blogs mitunter wegen Viraleffekten – denn die Vernetzung und Schwarmintelligenz ist es, was sie schließlich auszeichnet – spannend sind, dann automatisch Jamba und positive Beispiele wie Audi/Siemens (?) nennt, handelt es sich bei diesen Projekten um nix anderes als reines Spielgeld dieser Konzerne, die Blogs testen. Wer es toll findet, daß Sony für „gigantische“ 25.000 USD (angeblich) ein Blog sponsed, möge sich den gesamten Werbeetat des Konzerns betrachten. Ein Multi kann gut und gerne sogar sechs- bis siebenstellige Summen für einen „Test“ ausgeben, bis sie sich aus dem Projekt zurückziehen oder eben weitermachen. Mit solchen Beträgen können kleinere und mittelständische Unternehmen nicht „locker“ arbeiten. Sie müssen jeden Cent genau kalkulieren. No way, daß die halt mal Budget „einfach so“ locker machen für Blogs, weil „sie halt möglicherweise Viraleffekte – Herbert, was is’n das – pushen“.
Hört stets auf Euch selbst: Ihr seid der Entscheider, Ihr treibt die Firma voran. Seid gewitzt, seid clever, seid smart. Ihr wisst, daß Ihr mit schwachen Ansätzen nix verkaufen werdet. Denkt also nach, wenn Ihr schon Blogs einsetzen wollt – abgesehen von „Google wird Euch lieben“ – wie Ihr die Wellen absurfen könnt. Nur ein kleines Beispiel: Udo Vetter über World of Warcraft. Udo ist RA und kann ebenso und noch viel besser als ich über 10 zählen. In dem Falle handelt es sich um ein Game, das wohl bald ca. 500.000 Menschen in D spielen, wenn es so weitergeht. Udo sieht die Welle. Udo ist ein guter Surfer 🙂