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Heise-Urteil: Haftung für Forenbeiträge

Heise:

Das Hamburger Landgericht hat eine einstweilige Verfügung bestätigt, nach der es heise online verboten ist, Forenbeiträge zu verbreiten, in denen dazu aufgerufen wird, durch den massenhaften Download eines Programms den Server-Betrieb eines Unternehmens zu stören. Der Heise Zeitschriften Verlag wird damit faktisch gezwungen, sämtliche Beiträge zu den Diskussionsforen im Vorhinein auf diesen Rechtsverstoß hin zu überprüfen. Das Urteil (Az. 324 O 721/05) dürfte gravierende Auswirkungen auf den Betrieb von Webforen und vergleichbaren Diensten haben… Die Kammer erklärte, sie sei überzeugt, dass der Verlag allein durch die Verbreitung auch ohne Kenntnis für die im Forum geäußerten Inhalte haftbar zu machen sei. Er könne schließlich die Texte vorher automatisch oder manuell prüfen. So wie der Verlag das Forum bisher betreibe, fordere er Rechtsverletzungen sogar potenziell heraus, betonte ein Richter. Es sei nicht hinnehmbar, dass „die in ihren Rechten Verletzten Ihnen hinterherrennen müssen“. Den Einwand des Verlags, dass eine automatische Filterung erwiesenermaßen nicht funktioniere und eine manuelle Prüfung jedes Beitrags angesichts von über 200.000 Postings pro Monat schlicht nicht zu leisten sei, ließ die Kammer nicht gelten.

Nun sind manche Blogger der Meinung, daß dies auch böse Folgen für Blogs wegen ihrer offenen Kommentarfunktion haben könnte. Ok, wie dem auch sei, Kroaten pflegen zu sagen „furz nicht ins Wasser“… auf deutsch: Ein Sturm im Wasserglas. Ich bin nicht Heise und die paar Kommentare werden mich nicht umbringen. Alle Weblogs außer einem höchstens, Spreeblick, werden kein Problem mit dem Urteil und vor allem Dingen den sehr speziellen Rahmenbedingungen dieses Urteils haben (ich denke nicht, daß Richter so dumm sind, wie sie immer hingestellt werden).

Zumal gemäß Arne das Urteil eh etwas überstrapaziert ist, also so what. Weiter gehts mit der Bloggerei.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

16 Kommentare

  • Natürlich werden die meisten kleinen Seiten von dem Urteil in der Praxis nicht betroffen sein. Aber es geht ja um eine prinzipielle Frage, und die kann man nicht nur im Hinblick auf die eigene Situation entscheiden.

  • ich hab beides gemacht: Meine eigene und die von Heise im Rahmen des Urteils betrachtet. Liest man sich den Fall durch, kommt ziemlich klar eine Besonderheit zum Tragen, die bei anderen Foren so nicht auftreten mag.

  • Prinzipiell hast du Recht, Heise ist natürlich kein Blog, und im deutschen Recht gibt es grundsätzlich immer die Einzelfallprüfung, man kann also nicht ohne weiteres Verallgemeinern. Ein bisschen mehr Kontrolle über die Forenbeiträge bei Heise wäre vielleicht sogar nützlich und könnte die Qualität der Foren deutlich anheben. Was da geschrieben wird, ist manchmal weit jenseits des guten Geschmacks. Aber trotzdem geht das Urteil meines Erachtens zu weit; wie Arne Trautmann schreibt, wird es deshalb wohl keinen Bestand haben, zumindest nicht in dieser rigorosen Form. Die Kommentarfunktionen werde ich deshalb auch nicht abschalten, das hieße wirklich, das Kind mit dem Bad ausschütten.

  • Wenn ich das Urteil nicht gründlich mißverstanden habe, erlaubt es praktisch jedem Benutzer, jedes beliebeige Forum und jeden Blogger dazu zu zwingen, alle Kommentare vor der Veröffentlichung manuell zu prüfen. Denn anders ist es ja wohl nicht möglich, das Posten rechtswidriger Inhalte wirkungsvoll zu unterbinden. Die nächste Frage ist, ob die Betreiber einer Website überhaupt beurteilen können, welche Inhalte ok sind und welche nicht. In subtileren Fällen hätten die meisten da vermutlich Schwierigkeiten. Insofern hätte das Urteil schon gewisse Konsequenzen, wenn es bestand hält.

  • die Rechtssprechung ist aber – wenn ich es richtig verstanden habe – nicht prinzipiell auf vergangene Urteile bezogen. Ganz im Gegensatz zur englischen Rechtssprechung. Daher sehe ich das gerade im Heise-Sonderfall – der kaum generalisierbar ist -sehr entspannt.

  • Ich betrachte dieses Urteil in erster Linie auch als Ermunterung für Unternehmer nicht nur den vermeintlichen oder echten Rechtsbruch zur Kenntnis zu bringen, sondern sehr schnell mit hohen Streitwerten die große Keule zu ziehen.

    Es kommt dann häufig gar nicht mehr darauf an, dass der Klagende auch nur Ansatzweise recht hätte. Allein das Prozesskosten-Risiko zwingt ein in die Knie und das Urteil zeigt, dass man notfalls in Berufung gehen muss und dann wird der Spaß richtig teuer und könnte ja immer noch an so einen Pappenheimer von Rechtspfleger geraten.

  • Überzogene Prozesskosten sind zwar möglich, aber in Deutschland ein weit geringeres Problem als in Amerika. Gerade bei Abmahnungen achten die Gerichte schon darauf, dass die geforderten Beträge auch stimmen und nur die Aufwendungen des Rechtsanwalts decken. Zum Beispiel gab es vor einiger Zeit eine Serienabmahnung zu Landkartenausschnitte auf Webseiten, jede Abmahnung zu über 2000 Euro. Das Gericht hat der Abmahnung zwar recht gegeben, aber die Kosten auf 200 gesenkt, da für eine massenhafte Abmahnung ein einziges Formschreiben ausreicht. (Leider weiss ich nicht mehr, welche Firmen beteiligt waren – das sollte man sich eigentlich merken). Die wirklich hohen Kosten entstehen, wenn man auf die Abmahnung nicht reagiert oder die Auflagen der Abmahnung nicht einhält. (Das ist im Moment Heises eigentliches Problem). Für ein Blog würde es einfach heissen, die Abmahngebühr bis max. 3000 Euro zu bezahlen und sofort die Kommentare abzuschalten oder zu moderieren. Sehr ärgerlich, aber kaum existenzbedrohend. Das Risiko ist also überschaubar.

  • danke für den Link! Ist – Schlaumeiermode on – genau das, was ich mir bereits gedacht habe, aber natürlich nicht so professionell erläutern konnte.

  • Das mag in einigen Fällen sicherlich richtig sein, dass Gerichte darauf achten. Der Alltag sieht anders aus. Und da wo größere Unternehmen nur müde lächeln sagt der kleine Privatmann „gute Nacht, Marie“. Wir haben dutzende von Fällen, wo nie Recht gesprochen wurde, weil allein schon das erste Widerwort Kosten nach sich zieht, die einen das letzte Hemd kosten kann. Bislang genügte ein Verweis auf das Telemediengesetz und ein lockeres „Du kannst mich mal!“ zukünftig kommt zur Antwort. „Kein Problem, wir fechten es aus, wie damals bei Heise.“ Und Trallala ist wieder ein Forum geschlossen, weil es für den Verantwortlichen den ganzen Ärger nicht wert ist. Auch das Markenrecht hat sich schließlich im Laufe der Jahre stark verändert. So manche Marke sollte keine sein. Dass das Spiel mit den Streitwerten schon immer so war, ist dabei kein Trost, eher ein Anlaß zum Protest, dass man nicht nur fiktive und reale Streitwerte, sondern auch das Vermögen der streitenden Parteien berücksichigt. Das ist überfällig. Gerade im Zivilrecht.

  • […] Vor etwa drei Monaten erregte ein Urteil gegen den heise-Verlag einiges Aufsehen (ich berichtete). Es ging dabei um die Haftung für Forenbeiträge und die Möglichkeit bzw. etwaige Pflicht zur Kontrolle solcher Beiträge schon vor ihrer Veröffentlichung. Auch wenn damals – entgegen der allgemeinen Aufregung – einige Leute der Ansicht waren, nur “die Großen” seien betroffen, werden nun die ersten Konsequenzen bekannt. Neben zwei Foren ist auch ein ziemlich kleines Weblog unter Berufung auf das heise-Urteil abgemahnt worden – und daß, obwohl es bis heute noch nicht einmal eine Urteilsbegründung gibt. Es kommen rosige Zeiten auf uns zu! […]

  • LG Hamburg
    Urteil vom 02.12.2005
    Az.: 324 O 721/05

    Volltext des Urteils:

    http://www.r-archiv.de/article2379.html

    http://www.buskeismus.de/urteile/324O72105_heise_ev_urteil.htm

    Beiträge:

    Haftung für den Betrieb von Internetdiskussionsforen – quo vadis?
    von RA Ralf Hansen
    http://www.duessellaw.com

    http://www.r-archiv.de/article2380.html

    Was sind die praktischen Auswirkungen des Urteils des LG Hamburg
    in Sachen – 324 O 721/05 – gegen HEISE?
    von RA Günter Freiherr von Gravenreuth
    http://www.gravenreuth.de

    http://www.r-archiv.de/article2381.html

    Forenhaftung – meine Rechtsmeinung
    von Ewald T. Riethmüller
    http://www.r-archiv.de

    http://www.r-archiv.de/article2382.html

    Interview mit RA Dominik Boecker
    http://www.rechtsanwalt-boecker.de

    http://www.r-archiv.de/article2383.html

    Interview mit RA Udo Vetter &
    http://www.lawblog.de
    http://weblawg.saschakremer.de

    http://www.r-archiv.de/modules.php?name=News&file=article&sid=2385

    LG Hamburg: Zur Haftung von Forenbetreibern und Webloggern
    von Sascha Kremer
    http://weblawg.saschakremer.de

    http://weblawg.saschakremer.de/2006/04/18/lg-hamburg-zur-haftung-von-forenbetreibern-und-webloggern

    Das Hamburger Heiseurteil (324 O 721/05) – Viel Wind um Nichts?

    http://www.e-juristen.de/Foren_Das-Heise-Urteil-von-Hamburg.htm

    Heise-Forenurteil mit Begründung verfügbar
    von RA Arne Trautmann

    http://www.law-blog.de/272/heise-forenurteil-mit-begrundung-verfugbar/

    Haftung für Foren-Einträge
    – Auswirkungen des Heise-Urteils
    (LG Hamburg, Urt. v. 02.12.2005 – Az.: 324 O 721/05)
    von RA Dr. Martin Bahr
    http://www.dr-bahr.com

    http://www.dr-bahr.com/haftung-fuer-foreneintraege-auswirkungen-des-heise-urteils.html