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Wie ich zum Stalker wurde

geniale Story, zurücklehnen, Popcorn zurechtlegen und los gehts:

Verzeihung, ich wollte nicht stören!

Viele Menschen müssen nachts raus. Vielleicht, weil unerwartet der Ehemann nach Hause kommt, vielleicht aber auch – und das geschiet weitaus häufiger -, weil irgendwo da draußen einem Fremden der Sinn nach Belästigung steht. Mein Fall ist etwas komplizierter. An meinem letzten Tag vor Eintritt ins Eheleben hatte ich unbeschwert die Nummer meines Schwagers Winfried gewählt, um ihn zu sagen, dass mit der Partybeleuchtung am Wochenende alles klar ginge. Oder besser, ich hatte geglaubt, ich hätte die Nummer meines Schwagers gewählt. Dass dem nicht so war, bemerkte ich, als mir eine fremde Frauenstimme pikiert ins Wort fiel: „€œSehr interessant“€?, sagte die Stimme, „€œaber hier ist Doktor Kling und nicht die alte Schnapsdrossel!“€?


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Nachdem wir die Nummern abgeglichen und den Fehler in der Zahlenreihe lokalisiert hatten, entschuldigte ich mich verlegen und legte auf. Dann wurde mir bewußt, dass ich im Gegensatz zu Frau Dr. Kling meinen Namen nicht genannt hatte; eine weit verbreitete Unsitte, die mich selbst regelmäßig auf die Palme brachte. Ich drückte kurzentschlossen die Wahlwiederholung und machte mein Versäumnis gut. Frau Doktor Kling aber zischte gnatzig, das sei nicht nötig gewesen und sie wolle nun nicht mehr belästigt werden.

Später konnte ich nicht einschlafen. „€œBelästigt“€?, hatte Frau Doktor Kling gesagt. Das Wort hallte durch meinen Kopf wie das Echo in einer Tropfsteinhöhle. Vielleicht hielt sie mich für einen dieser verrückten Stalker, die andere Leute telefonisch an ihren wahnhaften Gedanken teilhaben ließen. Ja, womöglich kauerte sie nun mit einer Trillerpfeife im Mund neben dem Telefon und hatte Angst vor dem Einschlafen. Das hätte ich mir nie verziehen.

„€œFrau Doktor Kling“€?, säuselte ich in den Hörer, „€œich wollte nochmals mein Bedauern äußern.“€?

„€œWas?“€?, fragte die Bedauerte matt. „€œUnd deshalb wecken Sie mich?“€?

„€œKeine Panik“€?, beruhigte ich sie, „€œes ist nur, damit Sie nicht glauben, ich sei irgend so ein Irrer, der plötzlich nachts in ihrem Schlafzimmer steht. Ich meine, Ihren Namen habe ich ja nun. Da wäre es theoretisch auch ein Leichtes, Ihre Adresse herauszubekommen und über den Balkon einzusteigen „€¦ Ich dachte nur, Sie sollten wissen, dass das gar nicht mein Stil ist „€” über den Balkon „€¦. Sind sie noch dran?“€?

Frau Doktor Kling klang beklommen, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. „€œHören Sie“€? stammelte sie, „€œich bin mir sicher, Sie haben Furchtbares erlebt. Aber es gibt für alles eine Lösung. Die Menschen sind nicht alle schlecht.“€? „€œNatürlich nicht“€?, bestätigte ich. „€œDas ist genau das, was ich sagen wollte. Nehmen sie nur mich, ich bin völlig harmlos, ehrlich. Schon in der Schule haben mich alle gehänselt, weil ich so harmlos war. Sie haben mich derart gehänselt, dass ich vor Wut hätte um mich schlagen können. Aber das habe ich nie getan, weil ich, wie gesagt, viel zu harmlos war „€¦ „€?

„€œJetzt aber“€?, rief Frau Doktor Kling. „€œGlauben Sie etwa, dass mich das interessiert?“€? „€œO, ich versteh Sie“€?, sagte ich, „€œSie haben Angst vor mir. Aber wenn Sie mich sehen könnten, dann würden sie selber darüber lachen, dass sie mich für einen unterbelichteten Waffennarr gehalten haben, der versucht, mit Rohheit zu imponieren, weil er es nicht gelernt hat, sich auf erwachsene Weise einer Frau zu nähern.“€?

„€œDas habe ich doch niemals gesagt!“€? „€œGesagt nicht“€?, pflichtete ich ihr bei „€œaber bestimmt gedacht. Wissen Sie was? Ich fahre jetzt zur Tankstelle, kaufe den größten Blumenstrauß, den ich kriegen kann und dann komme ich zu Ihnen, damit Sie einen Blick auf mich werfen und dann wieder ruhig schlafen können.“€? „€œDas halte ich für keine gute Idee.“€? „€œDoch, doch, ich bestehe darauf.“€?

Ehrlich, ich wollte Frau Doktor Klings Scheibe nicht einschmeißen. Aber da sie das Klacken der Kieselsteinchen offenbar nicht hörte, nahm ich zunehmend größere, bis sie wohl zu groß wurden. Als ich später der Haftrichterin vorgeführt wurde, meinte diese, für eine Anzeige reichten die Indizien aus, Stalking sei deine ernste Sache. Ich glaube, sie hat da was missverstanden. Das muss ich ihr unbedingt sagen. Zum Glück steht ihr Name im Telefonbuch.

via 50 Jahre und kein bisschen leise

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

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