Kündigt eure „Gala“, euer „Frau im Spiegel“-Abo, das Internet bietet Boulevard im Überfluss – mit dem Vorteil, dass ihr auch noch in Echtzeit dabei sein könnt. Die Rede ist vom Streit Jahrhundertkrieg zwischen einem Spielehersteller und Rechteinhabern. Es geht um Guitar Hero 5! Ich stolperte schon Anfang der Woche über ein Video, das mir mit „Wenn Kurt Cobain in der Hölle gelandet ist – so könnte es aussehen!“ angekündigt wurde: Grunge-Legende und Nirvana-Frontman Cobain singt Bon Jovi-Schmonzetten im jüngsten Wurf von Activision. Dabei sieht er wie eine furchteinflößende Aufziehpuppe aus, die mit einem Klapperskelett und einem halbnackten Engel die Unterwelt zum Rocken bringt. Und wie zu erwarten war, folgte ein Donnerwetter ungeahnten Ausmaßes.
Der reichlich bekannte Musikjournalist Everett True, der den Clip zu Gesicht bekam, rastete förmlich aus. Natürlich nicht im stillen Kämmerlein, sondern direkt auf seinem Blog. Ziel seines Angriffs war Cobain-Witwe und Skandalnudel Courtney Love, ebenso wie der Nirvana-Drummer Dave Grohl (jetzt bei Foo Fighters), die offensichtlich aus purer Geldgeilheit grünes Licht für die Horrorshow gegeben haben:
Um. Grohl and Love sanctioned this one for the new Guitar Hero. So respect due to Grohl and Love then. Fucking corporate cock-sucking memory-destroying fret-wanking MTV-supporting fame-chasing money-grabbing grave-turning publicity-loving vacuous spoiled jaded cunting rock whores. (Ich übersetze hier absichtlich nicht.)
Damit die Tirade auch direkt an den richtigen Adressat ging, wiederholte er den Wutausbruch noch einmal via Twitter – eine Plattform die auch regelmäßig von Frau Love frequentiert wird. Die Dame konterte umgehend mit einem Tweet, in dem sie unmissverständlich zu verstehen gab, dass nicht sie ihr Okay gegeben habe, sondern Trommelmann Grohl, mit dem True bei der Gelegenheit auch gleich ein paar intime Stunden teilen könne. Laut Gawker war es damit aber nicht genug, Courtney Love schoss in den folgenden sechs Stunden 214 Tweets in die Welt und teilte allen Kritikern in bildhaftester Sprache mit, was sie von ihnen halte (und sie ist immer noch dabei). Die Darstellung ihres verstobenen Mannes sei ein klarer Verstoß gegen die Abmachung und deutlicher: „Ich habe niemals meine Unterschrift für diesen Avatar hergegeben, von diesem verf*ckten Feature nicht zu sprechen!“
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Ein zweifelhaftes Statement, berichtet der „Guardian“ doch schwarz-auf-weiß über die relaxte Antwort der Entwickler bei Activision: „Es war toll mit Love zu arbeiten. Courtney hat uns Fotos und Videos gegeben“, sagt Vize-Chef Tim Riley. „Sie hat die Garderobe ausgesucht und die Frisur – die übrigens im ‚Teen Spirit‘-Look ist – dann sind wir sämtliche Änderungen noch einmal durchgegangen. Einige waren größer, andere kleiner. Sie wollte eine Art ‚athletische Definition‘ (für Cobain), aber nicht zu prägnant.“
Courtney Love tobt noch immer, hat bereits eine Klage gegen die Spieleschmiede und Drummer Grohl angekündigt. Der wäscht sich derweil die Hände in Unschuld. Man sei immerhin genauso empört. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem damaligen Bassisten Krist Novoselic heißt es, beide seien „sehr enttäuscht“ über die Art, wie Kurt dargestellt werde. Es sei zwar bekannt gewesen, dass der Frontman in zwei Nirvana-Songs zu sehen sein wird, aber nicht, dass sich der Charakter entsperren ließe, wodurch er auch die Songs anderer Bands singt. „Wir rufen Activison dringend dazu auf das Richtige zu tun, indem Kurt’s Charakter wieder gesperrt wird.“
Activision zuckt mit den Schultern und kontert mit einem knappen Schreiben vom Anwalt: „Guitar Hero hat sich die nötigen Rechte von der Cobain-Verwaltung mittels eines unterschriebenen Vertrages von Courtney Love gesichert, Kurt Cobains Doppelgänger als voll-spielbaren Charakter in Guitar Hero® 5 nutzen zu dürfen.“ Das „Registered Trademark“ habe ich mal in dem Zitat gelassen.
Also, für mich sieht das nach einer für alle Beteiligten schmierigen Win-Win-Situation aus. Bessere Werbung lässt sich durch keine traditionelle Social Media-Kampagne machen. Nur gut, dass der gute Kurt das nicht mehr mitbekommen hat…
(André Vatter)