Ich kriege ja nichts mit von dem, was sich Millionen Deutsche Tag für Tag in der Glotze reinziehen – aus dem schlichten Grund, weil ich gar keinen Fernseher habe und ihn auch nie haben wollte. Nachrichten finde ich im Netz, wenn es sein muss, auch die passenden Bilder dazu. Deshalb reagiere ich eigentlich immer recht entspannt bis offensiv desinteressiert auf die Inhaltsangaben von Bekannten und Kollegen, die in meinem Beisein ihren gestrigen TV-Abend Revue passieren lassen. Doch heute wurde ich das erste Mal seit langer Zeit wieder hellhörig. Was ist denn bitteschön beim ZDF los?
Gestern lief die JBK-Show – also die ohne Meistersmutje Johann Lafer. Kerner hatte sich vorgenommen, dem Publikum das Phänomen Twitter ein wenig näher zu bringen, schickte aber gleich voraus, dass er es „für die Pest“ halte. Um sich beim Microblogging-Bashing als der Top-Journalist zu produzieren, der er ohne Kochschürze immer war, hatte er die altehrwürdigsten Berichterstatter der Bundesrepublik Deutschland als Zeugen um sich geschart, darunter Wolf von Lojewski und Ich-nehm-die-Brille-ab Dieter Kronzucker – deren Arbeit ich ausdrücklich schätze.
Dann ging es los. Noch bevor er erklärte, Twitter für eine infektiöse Krankheit zu halten, hatte Kerner eingeräumt, dass er den Dienst noch nie ausprobiert, sich dafür aber vorurteilsfrei vorbereitet hätte. Laut der „Welt“ schlug der Versuch einer einfachen Suche allerdings fehl, so dass er erst einmal die Hilfe eines Assistenten in Anspruch nehmen musste. Kurze Zeit später blätterte er durch die Seiten: „Wen interessiert denn das? Ich kann mir nicht vorstellen, dass davon ein Wahlkampf beeinflusst wird.“ Dann seufzte er und erklärte, dass das doch alles nicht wichtig sei. „Es ist ein völliger Unsinn. Völlig gehaltlos für journalistisches Arbeiten.“ Danach packte er unter den Jubelrufen des greisen Publikums den Rechner weg.
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Die erhoffte Unterstützung der anwesenden Journalisten blieb ihm aber versagt. Gut, Kronzucker schlug in dieselbe Kerbe, doch von einem 73-jährigen Urgestein der Berichterstattung zu hören, dass er heutigen Kommunikationsformen nicht viel abgewinnen kann, ist zu verschmerzen. Steffen Seibert und Lojewski jedoch ließen Kerner im Regen stehen: Seibert hob die unzweifelhaft einmalige Stellung hervor, die Twitter nach den Wahlen im Iran einnahm. Lojewski brabbelte ein wenig über das Internet, bei dem er auch immer den Fehler gemacht habe, es zu verdammen, heute aber nicht ohne könne. Kurz hatte man den Eindruck, dass die beiden vehementer protestieren wollten, sich dann aber darauf besannen, dass man ja im ZDF sei und die ergraute Zuschauerschaft an diesem seichten Fernsehabend durch sachliche Argumentation nicht unnötig erregen wollte („Mit dem Zweiten schläft man besser“).
Kritik kam ein wenig später auch von einem weiteren Kollegen aus den Reihen des Öffentlichen Rundfunks: Autor und Moderator Jörg Schieb (z.B. für „Angeklickt“ beim WDR) polterte in seinem Blog Kerner hinterher:
“Wen interessiert denn das?”, fragt er. Diese Frage allerdings, bei allem Respekt, kann man sich wohl mit Fug und Recht bei nahezu jeder JKB-Sendung stellen, und zwar andauernd.
Wisst ihr, unsere kleine Umfrage zum Thema Twitter läuft ja noch und sowohl Gegner als auch Befürworter haben noch Gelegenheit, ihren Senf dazu zu geben. Und ihr könnt Twitter und euch und uns alles an den Kopf werfen, doch bitte begründet eure Meinung immer mit Argumenten. Was JBK da gemacht hat, ist nur ein Beispiel des „Kenn ich nicht. Find ich doof!“-Phänomens, das nicht zuletzt auch bis in den akut schwelenden Generationenkonflikt hineinspielt: Ich mag Quantenphysik nicht, halte Mosaikkunst für eine Riesenschweinerei und finde, die chinesische Sprache ist total überbewertet. Aus dem einfachen Grund, weil ich einfach keine Ahnung von diesen Dingen habe.
Denkt mal drüber nach und schaltet auch morgen wieder ein. Da geht es bei Kerner um das Thema: „Mit Musik und Witz zum Erfolg: Über Bühnenkarrieren, Politik und verkannte Wundersäfte“. Florian Silbereisen ist dann auch da.
(André Vatter)