Das ist wieder so eine Geschichte, die Fortschrittsgläubige jubeln lässt – und die Datenschützer auf die Palme bringt: Das Georgia Institute of Technology in Atlanta will den Lebensfunken in Google Earth entzünden. Bislang ist es so, dass die flächendeckenden Satellitenbilder ja schön anzuschauen sind, aber doch ein wenig leer und tot wirken. Gut, 3D-Modelle von Gebäuden sollen über kurz oder lang mehr Realismus in die Sache bringen, doch es bleibt dabei, dass die Parks verlassen und die Gehsteige verwaist sind und durch die Straßen einzig und allein ein unsichtbarer Wind pfeift.
Das muss so nicht sein, sagten sich die Forscher und setzten bei dem Theorem an, dass heutzutage doch alles im Alltag Datenspuren hinterlässt: Videokameras, Messstationen, Webcams, Handys – all diese Dinge liefern verwertbare Informationen, die sich 1:1 in die Sprache der virtuellen Welt übersetzen lassen. Und genau das haben sie sich zunutze gemacht: Sobald eine Überwachungskamera nun eine Bewegung auf dem Bürgersteig registriert, wird dieses Signal von einem Programm als Fußgänger identifiziert, der dann in Echtzeit auf derselben Straße in Google Earth als digitaler Klon auftaucht. Gleiches geschieht mit den Autos. Die sich bewegenden 3D-Kopien sollen als „Symbole“ Google Earth bevölkern, das heißt, weder Gesichter noch spezielle Automodelle sind als solche erkennbar. Auf diese Anonymisierung hinzuweisen schien den Forschern im NewScientist-Interview recht wichtig zu sein. Da die Stadt Atlanta (der derzeitige Schwerpunkt des Experiments) nicht an jeder Ecke mit Kameras ausgestattet ist, wurde zudem eine Routine geschrieben, die bei jedem Objekt voraussagen soll, welche Wege nach größter Wahrscheinlichkeit weiter verfolgt werden, wenn es aus dem Sichtfeld der Überwachung verschwunden ist.
Doch es soll noch weitergehen: Daten liefert schließlich auch der Fernseher, was liegt also näher, als ganze Sportveranstaltungen live zu übertragen? „Stellen Sie sich vor, sie könnten die Champions League in Google Earth verfolgen“, wird der Forscher Kihwan Kim zitiert. Schon jetzt sei es möglich, Spiele 3D-gerendert in ein beliebiges Stadion zu verfrachten. Ebenso wollen die Wissenschaftler die Daten von Wetterstationen nutzen, um den Himmel realistischer zu gestalten. Wenn draußen die Sonne scheint, verziehen sich analog auch bei Google Earth die Wolken.
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Soweit der Status Quo des Experiments. Geht es nach dem Institut werden nach und nach weitere Datenlieferanten angezapft: Kamerahandys beispielsweise, die sowohl Bilder als auch Töne beisteuern können. Oder kleine tragbare Sensoren, die über die aktuelle Temperatur und Luftfeuchtigkeit Auskunft geben. Ich schätze jeder weiß, dass auf diesem Feld keine Grenzen gesetzt sind. Wie die Sache zu bewerten ist, bleibt hingegen jedem selbst überlassen. So beeindruckend und vielleicht sogar nützlich derartige Projekte sind, halte ich eine ordentliche Portion Misstrauen durchaus für angebracht. Gut, Menschen erscheinen als gesichtslose Pixelpuppen – doch früher oder später wird immer der Ruf nach mehr Originaltreue laut. Und was ist mit dem Missbrauchspotential: Wenn sich Datenschützer schon über Street View als komfortables Spionage- und Vorbereitungstool für Einbrecher klagen – wie sollen sie erst über ein in Echtzeit bevölkertes Second-Life sagen, bei dem Bankräuber nicht mal mehr jemanden brauchen, der draußen bleibt und Schmiere steht? Es sagt ihnen ja dann der Kollege mit dem Notebook per Handy, wann die Luft rein ist.
(André Vatter)