Bevor der geneigte Leser frohlockend durch die Wohnung springt und seitenweise Gebührenbescheide den Abgründen des Mülleimers anvertraut, sei vorab noch dies gesagt: Es handelt sich bei dem gerade vom Giessener Verwaltungsgericht veröffentlichten Rechtsspruch um ein vorläufiges Urteil – die Gebühreneinzugszentrale kann noch einen Monat lang in Berufung gehen. Dazu kommt die Tatsache, dass in der Vergangenheit andere Gerichte auch anders geurteilt haben.
Der „Giessener Anzeiger“ berichtet, dass diesmal gleich zwei Parteien den Stein ins Rollen gebracht haben: Eine Optiker-Kette und ein Ju-Jutsu-Verband hatten gegen den Hessischen Rundfunk (HR) geklagt, weil sie es nicht einsahen, für PCs, die ausschließlich für Büroaufgaben genutzt werden, irgendwelche GEZ-Abgaben zu leisten. Seit dem 1. Januar 2007 sammelt die GEZ Gebühren für sogenannte „Neuartige Rundfunkgeräte“ ein, also Rechner oder Smartphones, die Zugriff auf das Internet haben. Ob dort die IP-Glotze überhaupt angeworfen wird oder nicht, ist da erst einmal zweitrangig, bezahlt werden muss trotzdem. Derzeit sind das 5,76 Euro im Monat, in Planung ist aber wohl eine Erhöhung des Preises auf saftige 17,89 Euro.
Der Optiker beschwerte sich darüber, dass er zur Zahlung verpflichtet sei, obwohl niemand die Firmenrechner für den Radio- oder Fernsehempfang nutze. Auf alle Filialen des Unternehmens gerechnet würden so völlig sinnlose 43.000 Euro im Jahr fällig. „Weder der Arbeitgeber noch die Mitarbeiter haben ein Interesse daran, Radiosendungen zu empfangen“, beteuerte der Anwalt und bot dem HR an, doch ein Gutachten bei den Rechnern durchzuführen. Dieser hatte aber abgewinkt: „Wie soll das denn funktionieren?“ entgegnete die Rechtsabteilung, verwies darauf, dass Einzelfälle zu schwer zu überprüfen seien und beharrte auf den Gebührenbescheid. Im Sportverband kam es zu ähnlicher Empörung: Den ehrenamtlichen Mitarbeitern sei es ohnehin per Dienstanweisung verboten, irgendwelche Rundfunkangebote zu nutzen.
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In beiden Fällen urteilten die Richter zugunsten der Kläger (Az.: 9 K 305/09.GI und 9 K 3977/09.G): Ob die PCs nun Fernsehen empfangen können oder nicht, sei egal – auf die Nutzung allein kommt es an. „Anders als bei monofunktionalen Geräten können wir nicht alleine durch den Besitz davon ausgehen, dass sie für den Rundfunkempfang gebraucht werden“, so Richter Dr. Rainald Gerster. Der Hessische Rundfunk soll sich etwas einfallen lassen, um zu beweisen, dass die Firmen- und Verbandsrechner als Radio oder TV benutzt wurden.
Dass die GEZ in Revision gehen wird, ist so gut wie sicher. Ich habe gerade einmal in Köln angerufen und wollte dort die Pressestelle um ein Statement bitten. Leider war die Abteilung nicht besetzt, also versuchte ich es über die normale Hotline (6,5 Cent/Min.): Die Dame dort war mit den neuen Urteilen nicht vertraut, forderte mich aber vorsichtshalber auf, ihr meine Teilnehmernummer mitzuteilen. Im Backoffice war man auch ratlos, ebenso wie in der Zentrale, die wiederum erfolglos versuchte, mich mit der Pressestelle zu verbinden. Ich habe nun eine schriftliche Anfrage gestellt („Das ist denen lieber.“). Sobald ich etwas habe und wir etwas über die Anerkennung des Urteils wissen, melde ich mich wieder zurück.
Update, 20. Januar
So, die GEZ hat sich bei mir nicht gemeldet, aber Kollege Jörg von onlinekosten.de sitzt gerade an der Story und hat eine Dame von der Presseabteilung tatsächlich an den Apparat bekommen: Die GEZ sei für diese Sache nicht zuständig, sagte sie. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Meine Frage wäre noch gewesen, was denn nun in dem Fall passiert, dass es rechtskräftig wird. Werden dann zuviel bezahlte Gebühren zurückerstattet?
Der Hessische Rundfunk gab sich derweuk ebenfalls einsilbig. Man werde auf jeden Fall in Berufung gehen. Bumms.
(André Vatter)