Amüsant ist die Liste schon: Das „Government Advisory Committee“ (GAC) der Internetbehörde ICANN hat Bedenken gegen mehr als 250 der knapp 2.000 Bewerbungen auf die „neuen“ Top-Level-Domains (TLD) geäußert – sogenannte „Early Warnings“. Auch die üblichen Verdächtigen Google, Apple und Amazon handelten sich dabei einige Querschüsse ein.
Vor allem stören sich die Mitglieder des beratenden Regierungsausschusses an Bewerbungen für generische Wörter, Regionen oder Begriffe, die mit einer gesamten Industrie assoziiert werden, also beispielsweise .app, .africa, .mail, .movie, .wtf und so weiter. Ja, Entschuldigung mal, was haben die denn gedacht, worauf sich die Firmen bewerben? .hanswurst sicherlich nicht. Wobei vermutlich auch das für kritische Stimmen gesorgt hätte. Man weiß es nicht.
Indien lehnt .islam ab
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In den meisten Fällen werden die Warnungen mit kartellrechtlichen Bedenken begründet und die Bewerber sollen deutlich machen, dass die monierte newTLD auch Wettbewerbern offensteht. Es gibt aber auch exotische Begründungen: Indien lehnt die Vergabe von .islam mit dem Argument ab, dass Asia Green IT in seiner Bewerbung nicht deutlich gemacht habe, dass es sich mit den Bedürfnissen der 120 Millionen Muslime in Indien befassen wolle. Da fasst man sich – völlig ungeachtet der Religion – an den Kopf.
Interessant ist auch die Arbeitsweise des GAC: Jede vertretene Regierung hat ein Warnrecht, was erst einmal sehr nach Bürokratie klingt. Denn mit Australien, Frankreich und Deutschland hegen gleich drei Vertreter Bedenken gegen .hotels, gegen .app haben aber nur die Australier was. Eine richtige Logik kann ich da nicht erkennen. Lustig finde ich auch, dass Deutschland .hoteis missfällt und es daher fordert, die Endung wie .hotels zu behandeln. Nach intensiver Recherche hab ich herausgefunden, dass es sich doch nicht um einen Tippfehler handelt, sondern „hotéis“ portugiesisch für „Hotels“ ist. Was das Wirtschaftsministerium als Vertreter Deutschlands aber gegen das portugiesische Wort eines uruguayischen Bewerbers hat, verstehe ich hingegen nicht.
Hauptsache .rugby kommt in die richtigen Hände
Die meisten „Early Warnings“ kommen übrigens vom 20-Millionen-Kontinent Australien: Von .sucks und .wtf über .architect und .dentist bis hin zu .health und .charity ist den Australiern nichts lieb. Den Engländern ist alles egal, solange die TLD .rugby nicht in die falschen Hände kommt: Da die Bewerber „DotRugby Ltd“ und „Atomic Cross LLC“ nicht die internationale Gemeinschaft der Rugby-Spieler repräsentieren würden, soll die TLD dem Rugby-Weltverband IRB zugesprochen werden. Auch wenn die Begründung halbwegs Sinn macht, ein bisschen muss ich da schon den Kopf schütteln.
Allerdings sei erwähnt, dass die Warnschüsse zunächst keine direkten formalen Konsequenzen nach sich ziehen – die betroffenen Unternehmen können erst einmal Stellung nehmen und versuchen die Bedenken ausräumen. Nichtsdestotrotz sind diese keineswegs nur heiße Luft mit staatlichem Siegel. Sie dienen vielmehr als Indikator, dass eine Bewerbung später Probleme bereiten kann. Ein Antrag kann daher auch proaktiv zurückgezogen werden, wodurch Antragsteller 80 Prozent der ursprünglichen Bewerbungsgebühr von 185.000 Dollar pro TLD erstattet bekommen (DotRugby und Atomic Cross werden sich bestimmt freuen).
Viel Aufwand, wenig Mehrwert
Eine finale Entscheidung hinsichtlich der eingegangenen Bedenken fällt im April nächsten Jahres, wobei das GAC seine – einvernehmlich beschlossenen – Empfehlungen offiziell an die ICANN abgibt. Diese ist zwar nicht verpflichtet einer solchen Empfehlung zu folgen, sollte aber gut begründen, wenn sie sich anders entscheidet. Den betroffenen Bewerbern bleibt dann eine Frist von 21 Tagen, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass ihre Wunsch-TLD ein eben solcher bleibt.
Ungeachtet der Absurdität einiger Einlassungen bin ich generell kein Fan der newTLDs. Sie bieten bis auf wenige Ausnahmen keinen Mehrwert. Ich werde jedenfalls nicht „hilton.hotel“ in die Browserzeile schreiben, sondern weiterhin „hilton.de“. Die meisten werden sich wahrscheinlich nicht mal diese Mühe machen, sondern einfach „Hilton“ bei Google eintippen. Inzwischen verstehen ja auch die meisten Browser die Sucheingabe ins URL-Feld. Aber man braucht ja auch in der Technik-Welt hin und wieder was zum Lachen.