Gestern hat die Leveson-Kommission ihren Abschlussreport veröffentlicht. Das 2.000 Seiten starke Dokument ist das Ergebnis einer monatelangen Untersuchung unter dem Vorsitz des Richters Sir Brian Henry Leveson, in der ethische Grundsätze und Arbeitsweisen der britischen Presse auf den Prüfstand kommen sollten. Premierminister David Cameron setzte die Kommission ein, nachdem der Phone-Hacking-Skandal der inzwischen eingestellten „News of the World“ publik geworden war.
Um solch einen Skandal in der Zukunft zu verhindern, schlägt Leveson vor, dass die Presse sich stärker selbst regulieren soll. Im Gegensatz zum zahnlosen Tiger namens Presserat soll die neue Organisation Strafen verhängen und eigene Ermittlungen einleiten können. Auch sollen Gesetze verabschiedet werden, die eine effektive und unabhängige Selbstregulierung gewährleisten.
Online-Medien von Regulierungsvorschlägen ausgeklammert
Bei seinen Regulierungsvorschlägen klammert Leveson Online-Medien bewusst aus, da Blogs und Social Media seiner Meinung nach weder populär genug, noch nachrichtenähnlich seien. Gleichzeitig vermutet er gerade im Internet noch niedrigere ethische Standards als in der Printlandschaft. Zwar kenne ich jetzt keinen Blogbetreiber, der Mailboxen anzapft oder gar dafür die Ressourcen hätte, auf der anderen Seite lässt sich im Schatten der Anonymität so manche Diffamierung und Verleumdung veröffentlichen, ohne dass ernste Konsequenzen zu befürchten sind. Was schwerer wiegt, muss jeder für sich selbst beantworten.
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Doch bevor hier der Sturm der Entrüstung über die vermeintlich altbackene Ansicht des geehrten Richters losbricht: Ganz Unrecht hat er nicht. Denn abgesehen von ein paar Ausnahmen erreichen die wenigsten Blogs Abrufzahlen, die mit einem vergleichbaren Printmedium mithalten können. Das ist jedoch ein kritischer Faktor: Denn wenn man keine Meinungsmacht besitzt, kann man diese auch nicht missbrauchen.
Gegenargument ist allerdings, dass man sich beim englischen Presserat auch über jedes Käseblättchen beschweren kann, solange es diesem angeschlossen ist. Bei der vorgeschlagenen Organisation soll das sogar noch verschärft werden. Hinzu kommt, dass die Printauflagen weiter sinken und Online-Zugriffe stetig zunehmen, eine Lösung für die Ewigkeit ist die Unterteilung von Leveson also nicht.
Darüber hinaus, so der Richter, werde in Online-Medien eher meinungsorientiert und nicht rein faktenbasiert geschrieben wird, womit die Nachrichtenähnlichkeit in Frage gestellt wird. Auch hier stimme ich prinzipiell zu, wobei die Grenzen zunehmend verschwimmen – auch das könnte sich in Zukunft rächen. Studien hingegen zeigen, dass Online-User ganz gut unterscheiden können, was guter Journalismus im Internet ist und was nicht. Social Media gehört jedenfalls nicht dazu. Reicht das als Rechtfertigung, um Online-Medien unreguliert zu lassen?
Internet ist ein „ethisches Vakuum“
Richter Leveson führt noch zwei weitere Gründe an: Zum einen wurde er lediglich damit beauftragt, die britische Presse zu untersuchen und zum anderen beschreibt er das Internet als „ethisches Vakuum“. Gemeint ist, dass Blogger & Co. einer drohenden Regulierung einfach entgehen könnten, indem sie ihre Server in ein anderes Land umziehen.
Gewissermaßen kommen Blogger bei etwaigen Vergehen somit ungestraft davon, während die traditionelle Presse diese Möglichkeit nicht hat und sich nicht nur deswegen einem Presse-Kodex verschrieben hat. Insofern wählt Richter Leveson den pragmatischen Weg: Lieber gar keine Regulierung, als eine, die einfach ausgehebelt werden kann.
Es ist ein schwieriges Thema und wird uns hier wie auf der Insel noch ein Weilchen beschäftigen: Wie reguliert man Online-Publikationen, und sollte man überhaupt versuchen, sie zu regulieren? Wenn jemand von euch die Antwort darauf weiß, her damit!
Bild: Flickr / NS Newsflash
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