Beim Thema „Filter-Bubble“ kommt mir als erstes ein vergleichsweise kurzer Blogpost von Netz-Promi Sascha Lobo in den Sinn, in dem er beschreibt, wie ihn „die Filter-Bubble einmal linkte.“ Dort erklärt er unter anderem, dass der Begriff auf das gleichnamige Buch vom MoveOn.org-Vorsitzenden Eli Pariser zurückgeht und ihn die Bekanntgabe seiner Verlobung rund 100 Freunde auf Facebook kostete. Nicht etwa, wie er zu seinem Bedauern nach einigen Stunden des Grübelns feststellte, weil etliche interessierte Frauen nun ihre Chancen schwinden sahen. Nein, es sei die Filter-Bubble gewesen, die seine Verlobung so hoch gewichtet, dass sie auch nicht so häufig mit Lobo interagierende Nutzer erreicht.
„Remove from friends“
„Ungefähr einhundert Facebook-Friends wurden also daran erinnert, dass sie mich irgendwann befriendet hatten, bemerkten, dass ihnen das offenbar nur mäßig viel gebracht hat in den letzten Jahren und klickten nach der Kommentarflut meiner echten Friends schnell auf ‚remove from friends'“, erklärt Lobo das Problem. Es ist nicht neu, dass wir von Facebook, Google und Co. in Filter-Bubbles gesteckt werden. Dabei wird die Interaktion mit gewissen Inhalten gespeichert und uns dazu passende Inhalte zukünftig häufiger angezeigt.
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Filter-Bubble zum Selberbauen
Mit Twitter bauen wir uns diese Blase übrigens fast ganz von alleine: Wer in der Social Media-Branche tätig ist, der folgt nun einmal @Nico Lumma, Richard @Gutjahr oder @Heiko Hebig. Wer dann täglich mit Gutjahr und Co. den sozialmedialen Inputstrom durchlebt, der kommt zwangsläufig irgendwann in die Situation, dass er von anderen Menschen ebenso voraussetzt, diese Leute zu kennen.
Selbiges gilt für jede andere erdenkliche Branche. Zwar ist es für den Webworker sehr hilfreich, die Tweets und Nachrichten von den Kolleginnen und Kollegen zu erhalten. Doch sollte man in der Fussgängerzone nicht erwarten, dass allzu viele Menschen etwas mit diesen Dingen anfangen können.
Mit weit aufgerissenen Augen zur #rp13
Das wird dann klar, wenn man seinen analogen oder in anderen Branchen tätigen Gegenüber völlig schockiert und mit weit aufgerissenen Augen fragt: „Wie, du hast nichts von der Telekom-Drosselung gehört?“ Oder: „Bitte? Du weißt nichts von der re:publica?“ Den gleichen Gedanken wird er auch haben, nur thematisch eben in seiner Filter-Bubble. Bewusst wird mir das aktuell tatsächlich wieder bei der heute gestarteten re:publica in Berlin. Die dreitätige Konferenz von „Netzpolitik“ und „Spreeblick“ ist auf Twitter unter dem Hashtag #rp13 zu finden. Und selbst wenn man nicht dabei ist, ist man irgendwie doch dabei. Meine Timeline explodiert, Zitate, Bilder, Videos machen die Runde, werden geteilt, gefaved und kommentiert.
Doch was in der #rp13-Blase ist, bleibt auch in der #rp13-Blase. Wer nicht auf Twitter ist und keine re:publica-Teilnehmer unter seinen Freunden hat, der wird von der Konferenz nicht viel mitbekommen. Hier und da berichten inzwischen zwar auch klassische Medien, die große Masse der Leute dürfte aber im Dunkeln darüber bleiben, was Beckedahl und Haeusler in Berlin auf die Beine gestellt haben.
Wer voraussetzt, verliert
Twitter und Co. verzerren leicht unsere Wahrnehmung. Hinzu kommen die Google- und Facebook-Algorithmen und in manchen Fällen auch Feed-Reader, in denen wir unseren Nachrichtenstrom so zusammenbauen, wie wir ihn brauchen. Wer nicht aufpasst, nimmt jeden Tag nur noch das wahr, was das eigene Interessengebiet tangiert und gewichtet so das Geschehen um sich herum ganz neu.
An die eigenen Interessen und Vorlieben angepasster Input ist sicherlich einer der Hauptvorteile für Social Media-Nutzung, doch muss man sich über die Konsequenzen bewusst sein und darf nicht selbiges Wissen von anderen Menschen erwarten. Wer voraussetzt, verliert.
„Vielen Dank, du blöde Filter-Bubble“
Vielleicht wäre es angebracht, wenn Facebook und Co. die Filterungen transparenter machen würden. Mit der Option „Zur Interessenliste hinzufügen“ kann man einzelne und im Algorithmus verschollene Seiten auf Facebook inzwischen zwar wieder „laut“ schalten, doch sollten die Einstellungsmöglichkeiten weiter ausgedehnt werden. Der Nutzer sollte entscheiden, was er angezeigt haben möchte und was nicht. Die Frage ist nur, ob der Nutzer das überhaupt noch wahrnimmt – so eingeschlossen, in seiner Blase.
Und auch bei Google stellt sich diese Problematik immer wieder. Ist doch hier eher der kommerzielle Hintergrund entscheidend: Wer nach Handtaschen sucht, der bekommt passende High Heels in der Werbung präsentiert. Wer nach einem neuen Verdeck für sein Golf Cabrio schaut, bekommt passende Winterreifen angeboten. Und so ist es eben diese Filterung, die Google so mächtig macht: Werbekunden können sich sicher sein, dass der Streuverlust relativ gering ist. Wer sich für Autos interessiert, interessiert sich auch für Reifen. Wer sich für Mode interessiert, interessiert sich auch für Schuhe – der Nutzer wird kategorisiert. Ob bei Facebook für süße Katzenvideos oder bei Google für das Kaufverhalten.
Mit den Worten „Vielen Dank, du blöde Filter-Bubble“ verabschiedet sich Lobo in seinem Blogpost. Die Erklärung, dass 100 Frauen bis zur Bekanntgabe seiner Verlobung Interesse an ihm hatten, habe ihm wesentlich besser gefallen. Verständlich, oder?
Bilder: Stellajo1976 / Flickr (CC-by 2.0), Screenshot Twitter, Screenshot Facebook.
in diesem kontext von filter-bubble zu sprechen finde ich etwas gewagt, auch wenn das thema filter bubble an sich durchaus einer berichterstattung würdig sein mag.
wenn aber passanten auf der straße nichts von der re:publica gehört haben, dann liegt das schlichtweg daran, dass sich die netzgemeinde (in ermangelung eines besseren wortes für diesen losen Verbund von digital beheimatteten menschen) gerne für deutlich wichtiger hält als sie nunmal ist.
so wird dann auch ein unbedeutendes gemecker auf twitter schnell zu einem #aufschrei verklärt, und eine nerdige blogger-versammlung wird zu einer konferenz von weltweiter bedeutung stilisiert. das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die re:publica noch nichtmal einen englischen wikipedia eintrag hat. 🙂
Das was Negativity schrieb