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Huch, ein fader Beigeschmack: Das Samsung Galaxy S4 will Öko-König sein. Ist es aber eigentlich nicht.

geschrieben von Michael Müller

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Das neue Smartphone-Flaggschiff von Samsung wird zwar nicht in grün erhältlich sein, trumpft mit seinen inneren Werten aber nachhaltig auf – jedenfalls, wenn man der Auszeichnung der unabhängigen schwedischen Non-Profit-Organisation TCO Development uneingeschränkt glauben und vertrauen mag. Ich bin zunächst einmal skeptisch, wie bei vielen Auszeichnungen, Ehrungen oder Ritterschlägen, die großen Firmen Nachhaltigkeit bescheinigen möchten. Insbesondere auf dem Smartphone-Markt haben einfach zu viele Faktoren Einfluss auf die Produktion. Doch ganz abgesehen davon: Was ist eine Zertifizierung überhaupt wert, wenn keine weiteren Prüflinge existieren? Nicht viel. Aber von vorne.

In den Medien der Öko-König

Wer, wenn nicht der naturverbundene Skandinavier weiß, was ökologisch wertvoll ist? Die Non-Profit-Organisation TCO Development aus dem wunderschönen Stockholm ist nicht neu im Zertifizierungs-Geschäft. Im vergangenen Jahr feierten die Schweden zwanzigjähriges Bestehen. So dürfte des ein oder anderen Bildschirm mit einem kleinen, aber deutlich sichtbar positionierten Aufkleber verziert sein. Auf meinem Samsung-Flatscreen prangert beispielsweise das TCO’03-Logo in der rechten oberen Ecke, direkt neben dem blauen Energy-Star-Sternchen.

Als außenstehender Dritte überprüft TCO Development Elektronikartikel nach verschiedensten Kriterien auf ihre ökologische und nachhaltige Wertigkeit. Dabei beschränkten sich die Tester bisher auf Bildschirme, Notebooks, Desktops, All-in-One-PCs, Projektoren, Headsets und Tablets. In das Testumfeld neu aufgenommen wurden Anfang Mai dieses Jahres neuerdings auch Smartphones.

Die Überprüfung der mobilen Handschmeichler erfolgt dabei nach dem selbst erstellten Kriterienkatalog TCO Certified Smartphones 1.0, der von Interessierten in einem PDF-Dokument eingesehen werden kann. TCO beschränkt Smartphones darin auf Geräte mit einer Bildschirmgröße zwischen drei und sechs Zoll (Vgl. Seite 6). Phablets (Unwort!) sind somit inbegriffen.

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Bisher sind nur Samsung-Smartphones TCO-zertifiziert.

Bisher bringt die Suchmaske von TCO Development bei der Auswahl von Smartphones ausschließlich Samsung-Geräte zum Vorschein. Konkret handelt es sich bei den verschiedenen Modellnummern aber um ein und dasselbe Produkt: Samsung Galaxy S4, das ganz in unübersichtlicher, kryptischer Samsung-Manier in verschiedenste Ausführungen chiffriert und verkauft wird. Das SGH-i337 ist beispielsweise die Version für den US-Mobilfunkanbieter AT&T, das SPH-L720 hat ein Sprint-Branding. Nach Europa kommt das GT-i9500 mit Exynos 5 Octacore und die abgespeckte Vierkern-Variante GT-i9505 mit Snapdragon-CPU.

Ein einziges Smartphone zertifiziert

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Kurz gesagt: von TCO wurde bisher ein einziges Smartphone zertifiziert. Das Samsung Galaxy S4. Kein anderes Samsung-Gerät, nicht das betagte Galaxy S3, nicht das Galaxy Note, kein anderes Plastik-Phone, kein Konkurrenzprodukt. Und das bei einer prall gefüllten Produktkategorie, in der Bewegung ist, wie in wenigen anderen Elektronik-Sparten. Woran liegt das?

Nach Informationen der Zeitschrift c’t kostet die Prüfung eines Produktes durch die TCO 5.700 Euro plus 3.000 Euro Jahresbeitrag und wird von Seiten des Herstellers initiiert. Hinzu kommen die Kosten für die Kontrollen der Fabriken und Labortests, die von den Herstellern zu tragen sind. Samsung ist ein guter Kunde von TCO Development, wenn nicht sogar der beste! So ist das TCO-Siegel in der Monitor-Landschaft bei allen Herstellern fast Standard, konnte sich in anderen Kategorien aber nie wirklich durchsetzen. Bei Tablets beispielsweise ist Samsung der einzige Hersteller, der auf die Kompetenz der Schweden setzt. Ähnlich sieht es bei Notebooks aus: Hier ist immerhin auch ein (!) Asus-Notebook gelistet.

Wechselseitige Benefits

Samsung als Großkunde von TCO auf der einen Seite, auf der anderen TCO, zwar nicht profitorientiert, aber stark abhängig von den monetären Zuflüssen seiner Kunden, allen voran Samsung. Ein fader Beigeschmack bleibt, wenn ich mir die künstlich und vor allem pünktlich generierte mediale Aufruhr mit Win-Win-Charakter für TCO und Samsung bis hierher auf der Zunge zergehen lasse. Ein Versuch dieses Gschmäckle zu neutralisieren: Nach welchen Kriterien erfolgt die TCO-Smartphone-Prüfung? Ich zähle die wichtigsten Punkte aus dem PDF-Dokument nachfolgend auf:

  • Qualitätsprüfung: Helligkeit, Kontrast und Farbe des Displays, Ergonomie
  • Materialprüfung: kein Nickel, maximal 0,1 Gewichtprozent an Weichmachern (Phthalate)
  • Elektronische Sicherheitsprüfung
  • Umweltfaktoren: Energieverbrauch, keine umweltschädlichen Stoffe, Verpackungsbeschaffenheit, austauschbarer Akku, jede Produktionsstätte muss nach ISO 14001 oder EMAS zertifiziert sein
  • Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (egl. CSR): acht Kernkonventionen der International Labour Organisation (ILO) müssen ebenso erfüllt sein, wie die Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien des Produktionsstandortes

Ehrlich gesagt erscheinen mir die Punkte durchaus streng und zeitgemäß. Allerdings erfolgt keine Prüfung der Strahlungswerte (SAR-Wert), was insbesondere bei Mobilfunkprodukten sinnvoll erscheinen würde. Die eingeforderten Umweltfaktoren sind umfangreich und wohlüberlegt. Beim Überfliegen der Prüfkriterien sehe ich keinen Anhaltspunkt zur Kritik der Modalitäten.

Umfangreiche Umweltfaktoren

TCO: Umfangreiche Umweltfaktoren

Keine Vergleichsbasis vorhanden

Mein Problem ist ein anderes. Das Galaxy S4 wird von TCO und Hersteller Samsung nun als eine Art zertifizierter Öko-Sieger angepreist. Selbst wenn sich das Drumherum in Fabriken, Werkstoffen und sozialer Verantwortung bei Samsung in nachhaltigen Sphären befindet, wäre das Galaxy S4 dadurch nicht ökologisch wertvoller, als andere Smartphones. Es fehlt schlichtweg an weiteren geprüften Modellen.

Womöglich hat Samsung also lediglich einen taktisch sehr klugen Moment erwischt, durch den das Galaxy S4 nun pünktlich zum Verkaufsstart ganz besonders rosig, blumig, umweltverträglich, nachhaltig, ohne Konkurrenz und deshalb besonders gutmenschlich dasteht. Und das sogar gegenüber einem ausgewiesenen Öko-Musterknaben wie dem Fairphone – ob sich dies bei einem Direktvergleich so halten ließe, ist zumindest fragwürdig. Weitere Geräte von anderen Herstellern dürften aber in jedem Falle zeitnah folgen und das Gewicht der Zertifizierung ein wenig dämpfen. Bis dahin ist die TCO-Zertifizierung des S4 – so gut, sozial, ökologisch wertvoll und wichtig solcherlei Prüfungsverfahren auch sein mögen – mit Vorsicht zu genießen.

Öko als Marketing-Aspekt

Samsung tut alles, um der Öffentlichkeit sein neues Galaxy-Flaggschiff als Über-Smartphone zu verkaufen. Mit geschwollener Brust was Zertifizierung und Aussagen über Verkaufszahlen angeht. Zehn Millionen Einheiten in wenigen Wochen sind ein riesiger Erfolg. Das S4 als Öko-Smartphone zu bezeichnen bleibt mangels fehlender Vergleichstests allerdings reiner Marketing-Buzz.

Bilder: Samsung, TCO (Screenshot)

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

17 Kommentare

  • Naja mann kann ja alles schlechtreden lieber Redaktionist…..
    Nur weil die anderen kein Bock mehr haben da mitzumachen wieder Samsung
    Schlechtzureden obwohl sie ihre Hausaufgaben richtig gemacht haben.
    Früher waren die Tco Aufkleber fast überall zu finden.In diesen Tagen sieht man die sehr
    Sehr seltener.
    Und warum wohl???.
    Weil die meisten eben nur auf billigfertigung setzen. ..
    Und wies da zugeht weiß man ja wohl….

  • Ich glaube nicht das Mobiltelefone die Umwelt Retten, genausowenig wie Autos, Waschmaschinen oder Biertrinken den Regenwald retten könnte.
    Daher ist hier die ganze Smartphone Ökodiskussion ein Marketing-Buzz egal von welcher Firma.

  • Das mag man alles so sehen wie der Autor des obigen Beitrags. Nur: Bisher herrscht doch Wildwuchs sondergleichen im Smartphone-Markt Bereich. Öko wird bisher von den Herstellern doch nicht thematisiert. Smartphones mit festverklebtem Akku (Nexus 4, iPhone), fehlende microSD-Kartenslots, kaum oder nicht mehr reparierbare Geräte, dass finden wir doch ebenfalls am Markt.

    Da ist ein TCP-Zertifikat – in meinen Augen – zumindest besser als nichts. Wenn dann 60 – 80% der Smartphones TCO-zertifiziert sind, ließe sich sicherlich überlegen, wie die Zertifizierungsregeln verschärft werden könnten. Nur momentan ist „der einäugige unter den Blinden König“ – zumindest nach meiner Sichtweise. Ich hab den Artikel aber mal hier (http://bit.ly/1140jMR)als Kommentar verlinkt.

  • @Paul: Wäre super, wenn du entweder erklärst, wieso das Etikettenschwindel sein soll, oder den Beitrag einfach noch mal durchliest und dann ggf. verstehst…
    Diese negative Grundstimmung nervt, bei der man sich einfach mal Sachen ausdenkt, nur weil es um eine Firma geht, die man doof findet.

  • Ist doch eine simple Gleichung: wenn „mindestens 5“ gefordert ist, erfüllt 6 diese Anforderung genauso wie 8.
    Ob es nun Vergleichsmodelle gibt oder nicht – Samsung erfüllt die Standards für das Siegel.
    Vergleichsmodelle könnten nur zeigen, welches Smartphone / welcher Hersteller jetzt die Standards besser übertrifft.

    Also was ist das Problem? Dass sich die Hersteller nicht auf vergleichbare Standards und Tests einigen können zeigt in meinen Augen, dass sie sich klar darüber sind, dass man die Umweltverträglichkeit der Smartphones nicht vergleichen sollte – sie sind alle Mist.

  • @Phelan
    Also was ist das Problem?

    Das „Problem“ ist das sich dieser Blog Windows und Nokia auf die digital Fahne geschrieben hat und da kommt jede „schlechte“ Meldung über die Konkurrenz gerade recht egal ob Samsung , Google oder BlackBerry, muss man wohl mit leben das es journalistische Ausgewogenheit in Blogs und Tech News Seiten immer weniger gibt oder sich einen Android-Blog suchen.

    Leider sind die Internet Blogger und Tech -News Portale mittlerweile in der Berichterstattung oftmals dort angekommen wo die Print Medien vor 10 Jahren waren und ihnen deshalb die Leser in Scharen zu den damals noch Objektiven und Freien Bloggern wegen besserer Information davonliefen.
    Heute haben Blogger die gleichen Probleme und Schreibe lassen sich auch über Einladungen zu Events oder Gratis Geräten korrumpieren.
    So das die ehemals gescholtenen Print Medien fast schon wieder Objektiver sind.

    • Ach stimmt Mika B. – wir waren ja nicht zum Presse-Event des Samsung Galaxy S4 eingeladen und haben direkt aus New York berichtet? Macht Sinn, dank diesem „Geschenk“ mit spitzer Feder kritisch über die TCO-Zertifizierung zu schreiben. Da kann ich nur den Kopf schütteln.

      Deine andauernden Unterstellungen zu unserer Berichterstattung über Neuigkeiten von Nokia und Microsoft nerven mich wirklich sehr, weil sie in keinster Weise zutreffen. Meine ganz persönliche Meinung.

  • Natürlich verstehe ich eine „ganz persönliche Meinung“ und finde es auch nicht Schlimm das ihr etwas „Windows Affine“ seit, dies ist nicht das eigentliche Problem.
    Nicht eine Positive Berichterstattung mit einer persönlichen Meinung oder Vorliebe, sondern die doch etwas auffällige Negative Berichterstattung für die Konkurrenz, besonders der „Kleineren“ da dort weniger „Gegenwehr“ zu erwarten ist, oder halt für die allseits beliebten Prügelknaben Google, Clone China usw.

  • Ich glaube ich kann da auch für meine Kollegen sprechen: Wir sind weder Fanboys noch Hater von irgendjemandem. Wir sind kritisch und das eigentlich bei jedem.

    Die Vorwürfe von ein paar Kommentatoren, wir wären über eine persönliche Meinung hinaus parteiisch und voreingenommen, finde ich auch etwas anstrengend…und „Angst“ vor der „Gegenwehr“ – die es im Übrigen nicht gibt – haben wir auch nicht.

  • “Angst” vor der “Gegenwehr” – die es im Übrigen nicht gib….

    Hier meine ich auch nicht unbedingt die Gegenwehr der Firmen, welche ja durch Journalistische Freiheit gedeckt ist sondern die der Fangemeinde, schließlich lebten Blogger auch durch Klicks wie ein Sender durch Einschaltquoten.
    Da ist es dann halt schon „Schwieriger“ Kritik an Apple oder Windows zu Üben und damit deren Fangemeinde oder Anwender zu „vergraulen“

    • Diese „Gegenwehr“ gibt es zwar schon eher, da hast du Recht, aber da stumpft man mit der Zeit auch ab. Jedenfalls passe ich meine Texte nicht an, damit sie den Fanboys gefallen. Bei den anderen BT-Autoren wird das ähnlich sein.

  • Kann Robert da nur zustimmen. Eine gute Story bedient keine Fanboys oder bequeme Meinungen. Das Thema muss die Leser ansprechen und bestenfalls gleichzeitig gut unterhalten, that’s it! Wir sind hier alle frei, wenngleich natürlich jeder Autor sein individuelles Set an Vorlieben und Geschmäckern hat. Diese fließen dann natürlich mit in die Texte, aber genau das macht ein Blog ja auch aus und kann in den Kommentaren kritisch diskutiert werden.

    In diesem Sinne: zurück zum aktuellen Thema 🙂

  • Eine Klarstellung wirklich Öko oder besser gesagt Nachhaltig produziert für unsere Welt und Gesellschaft ist kein einzige Smartphone oder Tablet. Dies gilt für beinahe alle Elektrogeräte.

    Gut ein Smartphone wo der Akku leicht selber ausgetauscht werden kann, hat zumindest ein kleinen Vorteil, aber wirklich nachhaltig produziert ist so was auch nicht.

    Zwar erfreuen wir uns alle über die neue schöne Welt von Smartphones und Tablets, jedoch müssen wir uns alle bewusst sein das zu deren Herstellung eine Menge an wertvolle Rohstoffe benötigt werden, die auch oft nur in begrenzten Umfang zu Verfügung stehen.

    Zwar kann durch professionelle Recyling ein gute Teil der Rohstoffe wieder gewonnen werden, aber vor allen die sogenannte seltene Erden die bei solche Geräte ein Anteil von bis zu 4% ausmachen, können kaum wieder zurück gewonnen werden.

    Ob m it irgendwelche Zertifkate oder Auszeichungen die man auch wahrscheinlich gegen ein entsprechende Entgelt erwerben kann, hier wirklich was getan und bewegt wird, ist eher zweifelhaft.

  • Klar sind die ganzen Auszeichnungen und Siegel PR, aber so ein Galaxy S4 bleibt „verträglicher“ als zum Beispiel der umjubelte HTC One. Ob wegen dem Akku oder iFixit.

    Andere Anbieter könnten sich ja doch auch für Geld prüfen lassen, würden sie die Auflagen bestehen?

    Nach meinem Exoten Palm Pre & Veer und Lumia 800 will ich keine Kompromisse machen. D.h. Android, Akku wechselbar, microSD Karten Slot.
    Obwohl die Versuchung wieder zu einem Exoten zu greifen hoch ist, also Blackberry oder Jolla^^
    Aber was gibts im Android-Lager neben der Galaxy Reihe? Bin eigentlich auch kein Freund Samsungs…

  • Ich hoffe der ökologische Stempel bringt den Verbraucher jetzt nicht dazu ein S4 zu kaufen, um einen Beitrag an der Umwelt zu leisten.. am besten das 1 oder 2 Jahre alte Handy dafür wegschmeißen.. genau!
    Lange lebenszeiten des Handys oder Austauschbarkeit des Akkus bringen gar nix, wenn der Verbraucher durch Verträge und Marketing dazu animiert wird jährlich zu entsorgen und neu zu besorgen!