26 Jahre war Gunther Holtorf mit seinem „Otto“, einem Mercedes 300 GD, unterwegs, ist dabei 900.000 Kilometer gefahren, hat 215 Länder gesehen und 411 Grenzen außerhalb von Europa überquert. Im Interview spricht Holtorf über Hyänen im Busch, den „Sound of Silence“ in der Sahara und warum er Weihnachten schlaflos in einem Schlammloch in Guyana verbracht hat.
Sie wären in Uganda fast zum Mitternachtssnack für einen Leopard geworden.
Der Leopard stand circa 10 bis 15 Meter entfernt, als ich nachts mal raus musste. Die Tiere reagieren auf Bewegungen und wenn ich ihn nicht vorher mit der Taschenlampe entdeckt hätte und aus dem Auto gestiegen wäre, dann wäre der Leopard garantiert rangesprungen – das hätte ich sehr wahrscheinlich nicht überlebt, das ist richtig. Man muss bei so einer Reise auch Glück haben. Wir waren immer vorsichtig und umsichtig – auch mit dem Wagen. In Südamerika sagt man „tratando el coche como una abuela“, also „behandle den Wagen wie eine Großmutter“. Das hat letztlich auch dazu geführt, dass der Wagen durchgehalten hat.
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Ihr Wagen war Wohn-, Ess- und Schlafzimmer in einem.
Richtig, und daneben war er auch noch Werkstatt und Küche. Das klappt alles natürlich nur, wenn die Beteiligten – also normalerweise sind es ja zwei Personen bei so einer Reise wie unserer – harmonieren und bereit sind, über 24 Stunden am selben Strang zu ziehen und in die selbe Richtung zu fahren. Ich habe das Glück gehabt, dass meine Frau da auf der selben Wellenlänge lag. Wir hatten im Allgemeinen die selben Ziele und Vorstellungen und konnten dadurch relativ unbeschadet die vielen Jahre mit, um und im Otto verbringen.
Es gab doch bestimmt auch Streit oder die Zeit, wo man einfach mal alleine sein will.
Letzteres war eigentlich nicht möglich. Das Einzige war, dass mal einer abends nicht beim Kochen dabei war und stattdessen durch den Wald gegangen ist. Aber das ist fast nie vorgekommen. Natürlich gibt es mal eine Meinungsverschiedenheit, das ist ja ganz normal. Aber im Wesentlichen hat es das nicht gegeben und wir waren tatsächlich bis auf die Unterbrechungen, wenn jemand eingekauft hat oder zum Telefonieren gegangen ist, immer zusammen. Das ist natürlich nur möglich, weil man den ganzen Tag mit neuen Erlebnissen konfrontiert wird. Wenn man nur am selben Platz stehen und sich alles nur um sich selbst drehen würde, dann wäre es wahrscheinlich schwieriger.
Gibt es bei einer solchen Reise „den typischen Tag“?
Nein, im Busch ist jeder Tag anders. Es fängt schon damit an, dass jeder Übernachtungsplatz anders ist als der vorherige oder der nächste. Den haben wir immer in den Nachmittagsstunden gesucht und über die Jahre dann auch meist erfolgreich gefunden. Nach dem Aufstehen morgens beim allerersten Tageslicht gegen 5:30 Uhr wurde sich dann – sofern möglich – gewaschen und wurden die Betten gemacht, das Auto also wieder für den Tag umgerüstet. Anschließend gab es Frühstück. Wir haben Glück gehabt, dass wir beide gerne Müsli aßen, denn das ist die einfachste Möglichkeit, im Busch ein vernünftiges Frühstück zu bekommen.
Sie hatten bis zu 30 Kilo Müsli im Gepäck.
Das haben wir meist in Europa aufgefüllt, die üblichen Ein-Kilo-Tüten für 1,70 Euro. Wir haben dazu immer Obst und Milch gegessen, die es aber nicht überall als Frischmilch gab, sondern als Trockenpulver, das wir dann angerührt haben. Damit haben wir ein vernünftiges Frühstück gehabt. Meine Frau hat Gott sei Dank nicht unbedingt Brötchen, Honig und der „BILD“-Zeitung hinterher getrauert, dadurch ging das auch alles.
Wie ging es weiter nach dem Frühstück?
Wir haben natürlich immer vorher schon überlegt, was wir an dem Tag machen wollen. Das Ziel war ja nicht, viele Kilometer zu fahren, sondern möglichst viel von dem Ort zu sehen, wo die anderen normalerweise nicht hinkommen. Es gab Tage, an denen sind wir nur ein paar Kilometer weitergekommen und es hat auch Tage gegeben, an denen sind wir gar nicht weitergefahren und haben nur den Nachtplatz gewechselt.
Warum?
Aus Sicherheitsgründen ist es besser, nicht zwei Nächte am selben Platz zu bleiben. Wir haben dann geschaut, wo es die Nacht über sicher sein könnte. Das war auch immer erfolgreich, weil wir in keiner Nacht mal unangenehmen Besuch gehabt haben – wir sind also nie überfallen worden nachts. Und von wenigen Ausnahmen mal abgesehen sind wir auch nicht gestört worden, außer manchmal von Tieren. Im Wesentlichen hatten wir gute Nächte im Otto. Als Alternative haben wir in Afrika und Südamerika oft auch in Hängematten geschlafen.
Wie darf man sich einen Abend irgendwo in Afrika oder Südamerika vorstellen?
Wenn wir den Platz gefunden und darauf geachtet hatten, dass der Wagen möglichst waagerecht steht, damit man im Bett nicht hin- und herrollt, wurde im Wagen wieder umgeräumt und das Abendessen vorbereitet. Ich werde oft gefragt, ob wir dann abends da gesessen und irgendein Buch gelesen haben.
Und?
Ich habe immer erklärt, dass das nicht der Fall war. Einmal zog sich diese abendliche Prozedur mit Essen, Zusammensitzen und anschließendem Abspülen in die Länge und zudem waren wir abends meist physisch so müde, dass wir froh waren, wenn wir uns dann in die Waagerechte begeben konnten.
Sie sprechen es an: „Die Waagerechte“ bestand in Ihrem Otto aus zwei maßgeschneiderten Matratzen auf einer Holzplatte im Kofferraum.
Nicht im Kofferraum, eher in der Kabine. Der Wagen hat in der normalen Ausführung vorne zwei Sitze, in der zweiten Reihe eine Dreier-Sitzbank und dahinter noch eine relativ große Ladefläche. Diese zweite Reihe haben wir ausgebaut und dann im Wagen durchgehend auf halber Höhe die Holzplatte eingezogen, auf der die von Ihnen genannten Matratzen lagen. Die Liegefläche hatte eine Länge von fast zwei Metern und eine Breite von knapp 1,5 Metern. Also im Grunde genommen war die Fläche so groß wie ein normales französisches Doppelbett. Wir hatten aber natürlich nicht die Höhe, man konnte also nicht senkrecht stehen. Wenn man aber einmal liegt und die Augen zu sind, spielt die Höhe letztlich auch keine Rolle mehr.
[…] Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf stern.de […]