Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat am Mittwoch der umstrittenen Neuregelung des europaweiten Urheberrechts zugestimmt. Das Internet bebt. Doch was bedeuten Uploadfilter, Leistungsschutzrecht und Co.? Wir haben bei Rechtsanwalt Jan Baier nachgefragt.
Nach der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kommt womöglich bald der nächste Hammer auf die europäische Digital-Gemeinschaft zu.
Am Mittwoch stimmte der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments für eine Neuregelung des europaweiten Urheberrechts. Was zunächst harmlos klingt, könnte das Internet in seiner jetzigen Form gefährden.
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Doch was steckt eigentlich hinter Uploadfilter, Leistungsschutzrecht und Co.? Wir haben bei Jan Baier, Fachanwalt für Urheber und Medienrecht bei der Kanzlei „Schürmann Rosenthal Dreyer“ nachgefragt.
BASIC thinking: Jan, nach der DSGVO lauert nun mit Uploadfilter und Leistungsschutzrecht schon das nächste Schreckgespenst. Was versteckt sich dahinter?
Jan Baier: Die Diskussion über das Leistungsschutzrecht beruht auf einem Reformvorschlag der EU-Kommission aus 2016. In Artikel 11 dieses Entwurfs wird Presseverlagen das Recht auf eine Lizenzgebühr zugesprochen, wenn Presseerzeugnisse öffentlich zugänglich gemacht werden.
Strittig ist diese Regelung deshalb, weil dies nicht nur ganze Artikel, sondern auch Links betrifft, die zu den Presseerzeugnissen führen. In der Berichterstattung über dieses Thema wird deshalb häufig von einer „Linksteuer“ gesprochen.
Die Regelungen bezüglich des Leistungsschutzrechts sollen Presseverlage finanziell unterstützen. Das sei notwendig, da Presseverlage nicht wie Rundfunkanstalten durch Steuereinnahmen finanziert werden.
Insbesondere im meist kostenlosen Online-Bereich, seien die Verlage auf Werbung angewiesen, um sich finanzieren zu können. Nur bei einer stabilen finanziellen Lage könnten Verlage ihrer Aufgabe, an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken, tatsächlich nachkommen. In dem Sinne gehe es auch um Presse- und Meinungsfreiheit.
Die Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieses Leistungsschutzrechtes ist allerdings nicht neu. In Deutschland ist dieses Schutzrecht bereits seit 2013 in Paragraph 87g UrhG (Urheberrechtsgesetz) geregelt und seitdem Gegenstand unzähliger politischer und juristischer Debatten.
Ebenso strittig wie die Vorschläge zum Leistungsschutzrecht, ist die Regelung des Artikels 13 im Entwurf zur Urheberrechtsreform. Dieser regelt eine Pflicht für Dienste-Anbieter, die das Hochladen von Inhalten ermöglichen (zum Beispiel YouTube), Maßnahmen zu ergreifen, die gewährleisten, dass diese Inhalte keine Urheberrechtsverletzungen enthalten. Kurz gesagt: Es soll ein sogenannter „Uploadfilter“ kommen, der fragliche Inhalte sperrt.
Wieso steht die Informationsfreiheit deshalb auf dem Spiel?
Informationsfreiheit ist das Recht eines jeden, sich aus frei zugänglichen Quellen zu informieren. Dieses Recht wird durch das Leistungsschutzrecht nicht verhindert, allerdings erschwert.
Der Vorteil des Internets ist, dass innerhalb kürzester Zeit durch das Anklicken und Teilen von Links Informationen in großer Vielfalt abgerufen werden können. Nutzer können sich schnell einen Überblick über alle relevanten Veröffentlichungen zu aktuellen Themen verschaffen.
Folge der neuen Regelung wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass weniger Links geteilt werden. Es besteht die Gefahr, dass Verbraucher, aber auch Unternehmen, sich ihre Informationen selbst zusammen sammeln müssen, was zur Folge haben könnte, dass nur einseitige Informationen aufgenommen werden, was für die öffentliche Meinungsbildung abträglich wäre.
Ähnliches droht durch die geplanten Uploadfilter. Inhalte werden durch einen Algorithmus auf Urheberrechtsverletzungen überprüft. Es erscheint fraglich, ob die Entscheidung, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt einer (im Zweifel anfälligen) Software, statt einem Richter überlassen werden soll. Bei Zweifeln könnten Provider versucht sein auch Inhalte zu löschen, die eigentlich legal hochgeladen wurden, um einer Haftung zu entgehen.
Sind die Sorgen berechtigt?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass bei Gesetzesvorhaben, die die Informations- oder Meinungsfreiheit einschränken könnten, immer sehr leidenschaftlich (meist im negativen Sinne) berichtet wird. Allerdings sind die Argumente der Kritiker nicht von der Hand zu weisen.
Der Gesetzesentwurf hat das Potential, das Internet wie es heute zur Verfügung steht, zu verändern. Es gilt aber auch zu bedenken, dass es ein Leistungsschutzrecht in Deutschland schon seit 2013 gibt. Zwar war dieses eher auf Suchmaschinen beschränkt, aber es ist im großen und ganzen mit dem Entwurf vergleichbar.
Was ist seitdem geschehen? Google drohte seine News-Seite zu schließen. Die Folge war, dass die Verlage aus Angst vor zu wenig Website-Besuchern Gratislizenzen verteilt haben. Das Leistungsschutzrecht lief ins Leere. Die Wahrscheinlichkeit, dass der neue Entwurf die Situation komplett ändert, ist eher nicht zu erwarten.
Was können Privatpersonen und Unternehmen nun unternehmen?
Zunächst sollte noch niemand in Panik verfallen. Die Angelegenheit steckt noch tief im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Das heißt: Selbst wenn sich das EU-Parlament für den Entwurf zur Urheberrechtsreform entschieden sollte, hätte dies noch keine unmittelbaren Auswirkungen.
Der nächste Schritt wäre die Ausarbeitung einer Richtlinie, die von den Mitgliedsstaaten (meist innerhalb von zwei Jahren) in nationales Recht umgesetzt werden muss.
In der Regel kommt den Mitgliedsstaaten für die Umsetzung von EU-Richtlinien ein Beurteilungsspielraum zu. Das heißt: Die Länder müssen die Richtlinie nicht eins zu eins übernehmen. Im Ergebnis, könnte eine weit schwächere (oder aber strengere) Version des aktuellen Vorschlags in den deutschen Gesetzbüchern stehen.
Vielen Dank für das Gespräch, Jan.
Die entscheidenden Artikel und eine Einordnung
Zum Leistungsschutzrecht (Artikel 11)
Wenn es dann so weit ist und das neue Urhebergesetz in Deutschland tatsächlich in Kraft tritt, gilt es die Reaktionen der Presseverlage und vor allem der Gerichte abzuwarten. Schon jetzt gibt es in Deutschland dieses Leistungsschutzrecht. Das galt allerdings bisher eher für Suchmaschinen wie Google.
Ohnehin ist in den Gesetzesbegründungen zu lesen, dass das Gesetz eher darauf abzielt den Presseverlagen ein gewisses Gegengewicht zu den Online-Giganten an die Hand zu geben, um die freie Presseberichterstattung weiterhin finanzieren zu können. Deshalb wird es für Privatpersonen wohl weniger relevant sein.
Wie es sich auf Unternehmen auswirkt, die regelmäßig Links zu Presseinhalten veröffentlichen ist nicht sicher. Jedenfalls haben sich Presseverlage (bezogen auf das deutsche Leistungsschutzrecht) bisher nicht gescheut auch kleinere Unternehmen vor die Gerichte zu zerren.
Allerdings haben sie dadurch weitaus mehr für die Prozesskosten bezahlt, als sie letztendlich an Lizenzgebühren eingenommen haben. Deshalb wäre es wohl für betroffene Unternehmen nicht verkehrt, über eine Vereinbarung mit den Verlagen nachzudenken, die weniger einschneidend wirkt, als es der Vorschlag bisher vorsieht.
Zum Uploadfilter (Artikel 13)
Diese Regelung ist nicht für Privatpersonen bestimmt, sondern für Betreiber von Plattformen, die Uploads von Inhalten ermöglichen, die eine Urheberrechtsverltzung enthalten könnten. Diese sind laut Entwurf angehalten, technische Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, die einen Upload von urheberrechtswidrigen Inhalten verhindern.
Für Privatpersonen (und Unternehmen) bedeutet dies nicht, dass Inhalte nicht mehr hochgeladen werden dürfen. Es könnte lediglich passieren, dass der Upload wegen des Filters nicht funktioniert.
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