Wirtschaft

Start-up-Check! Aquacubes macht den Garten zur Fischfarm

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Mit Hilfe von Aquacubes soll jeder Mensch seinen eigenen Bedarf an Fischen züchten können. (Foto: Pixabay.com / mistralfamilie)
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Aquacubes.

Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten. 

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Aquacubes aus Büsum und Kiel.

Wer steckt hinter Aquacubes?

Dieser Start-up-Check über Aquacubes ist sehr früh dran. Denn Aquacubes ist noch nicht einmal gegründet und befindet sich noch in der Seed-Phase. Ob das Start-up überhaupt so heißen wird, steht auch noch nicht fest.

Derzeit sind zwei Webseiten im Aufbau mit unterschiedlichen Namensvarianten. Aquacubes ist derzeit lediglich der Projektname.

Wer alles bei Aquacubes mitmischt, ist aufgrund des Projektstatus nicht so einfach zusammenzufassen. Auch deswegen, weil das Projekt sehr weit im Forschungsbereich vernetzt ist und es viele Partnerunternehmen gibt.

Grob zusammengefasst kann man aber sagen: Aquacubes kommt aus dem Forschungsumfeld der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Einer der (Pre-)Founder ist Biniam Samuel-Fitwi. Er forschte zuletzt als Post-Doc am Institut für Tierzucht und Tierhaltung. Inspiriert vom Trend zum Urban Gardening und beeinflusst von seiner Forschungsarbeit kam ihm die Idee zu einem Fischzuchttank für Verbraucher – den sich diese in den Garten stellen können.

Diese Idee entwickelte Samuel-Fitwi weiter und reichte sie als Projekt beim Förderprogramm EXIST des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ein. Seit April 2018 läuft die Förderung und ist auf ein Jahr ausgelegt.

Wenn die EXIST-Förderung Ende März 2019 ausläuft, soll die Ausgründung erfolgen. Derzeit sucht Aquacubes noch nach einem strategischen Partner oder Investor. Der Markteintritt ist für das Jahr 2020 angepeilt.

Das Gründer-Team besteht neben Samuel-Fitwi noch aus Leonie Hock, einer Städteplanerin, und dem Entwickler Tobias Möckel. Samuel-Fitwi ist für die biologische Produktentwicklung, Strategie und Finanzen verantwortlich. Hock leitet Marketing, Kommunikation und das Kaufmännische. Möckel baut die Prototypen.

Die Uni Kiel ist einer der angesprochenen zahlreichen Partner des Projekts. Aquacubes war zwar kein Forschungsprojekt der Universität, wie es bei vielen Start-ups aus dem Hochschulbereich der Fall ist.

Dennoch arbeitet man relativ eng zusammen. Aquacubes wurde im gerade neu eröffneten Inkubator der Uni Kiel aufgenommen. Der Inkubator gehört zum Zentrum für Entrepreneurship (Zef) der Universität. Aquacubes kann die Räume dort mietfrei nutzen und sich beraten lassen.

Außerdem ist Aquacubes beim Smart Green Accelerator eingeloggt, der auf Start-ups aus der Green Economy spezialisiert ist.

Neben seinem Standort am Uni-Inkubator in Kiel sitzt das Projekt auch in Büsum im Wirtschafts- und Wissenschaftspark Maricube, auf der anderen Seite Schleswig-Holsteins.

Hier ist man in enger Nachbarschaft zum Forschungsunternehmen „Gesellschaft für Marine Aquakultur“, das ebenfalls als Partner angegeben wird. Samuel-Fitwi war hier einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Und um die Verwirrung komplett zu machen: Ebenfalls in Büsum sitzt das Unternehmen Sustainable Food, auch ein Forschungs- und Dienstleistungsunternehmen. Samuel-Fitwi war hier wissenschaftlicher Geschäftsleiter und Leonie Hock war hier für Marketing und Design verantwortlich. Beide sind auf der Unternehmens-Website noch aufgeführt.

Das Projekt Aquacubes hat laut den Gründern nichts mehr mit Sustainable Food zu tun, hatte es aber mal: Im April 2017 erhielt Sustainable Food für Aquacubes das Siegel „Projekt Nachhaltigkeit“ vom Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung.

Was macht Aquacubes?

Aquacubes entwickelt eine nachhaltige Lösung zur Züchtung von Speisefischen. Dabei handelt es sich im Grunde um eine kompakte Fischzuchtanlage zur Selbstversorgung von Haushalten und kleinen Betrieben.

Der Aquacube sieht aus wie ein Fischtank, der ungefähr so groß oder etwas größer ist als ein Komposter, den man im Gartencenter kaufen kann. Das Gehäuse des Aquacubes ist doppelt isoliert, wodurch die Wassertemperatur stabil bleibt, sodass das Gerät draußen stehen kann.

Das kleinste Modell des Aquacubes soll um die 5.000 Euro kosten. Die Nutzer sollen damit rund 60 Kilogramm Fisch im Jahr züchten. Derzeit werden als verfügbare Arten die Regenbogenforelle und Tilapia angegeben.

Um das in der kommerziellen Fischzucht so drängende Problem des hohen Wasserverbrauchs zu vermeiden, wird im Aquacube ein geschlossener Wasserkreislauf eingerichtet. Das Wasser wird dabei in mehreren Stufen über Biofilter gesäubert und muss nicht ausgetauscht werden.

Die Steuerung der Zucht erfolgt digital. Über jedes internetfähige Gerät kann der Nutzer prüfen, wie es seinen Fischen geht. Die ersten Fische werden von Partnerunternehmen vorgezüchtet und eingesetzt.

Was macht Aquacubes so besonders?

Der bereits angesprochene Trend zur Selbstversorgung, darunter das Urban Gardening, wurde bereits im ersten Start-up-Check zu Infarm behandelt. An diesen Trend knüpft auch Aquacubes an.

Wie bei Infarm gibt es bei Aquacubes zwei Dimensionen seines Nutzens. Aquacubes erfüllt mit seiner Fischzuchtanlage den Wunsch vieler Verbraucher, sich nachhaltig und ohne industrielle Nahrungsmittelproduktion zu ernähren.

Ein Grund für diesen Wunsch ist die Sorge um die eigene Gesundheit. Tatsächlich werden Fische aus Aquakulturen, wie im Grunde alle Tiere aus der industriellen Tierhaltung, mit reichlich Antibiotika am Leben erhalten, deren Rückstände der Mensch beim Verzehr aufnimmt.

Und Fische aus dem Meer sind auch nicht vollkommen gesund und mit Schwermetallen belastet.

Bei Aquacubes können Verbraucher selbst darauf achten, wie ihr Fisch aufwächst. Durch den geschlossenen Wasserkreislauf kann verhindert werden, das Mikroplastik ins Wasser gerät.

Die zweite Dimension betrifft die der Ernährungsproblematik und auch das ist bereits im Start-up-Check zu Infarm behandelt worden: Die Frage, wie wir die wachsende Weltbevölkerung in Zukunft ernähren wollen, ist noch nicht beantwortet.

2050, so schätzen es Forscher, werden die herkömmlichen Ackerflächen schon nicht mehr ausreichen. Und auch in den Weltmeeren ist nichts mehr zu holen. Schon heute werden rund 90 Prozent der Speisefische überfischt, so dass die Hälfte des Bedarfs bereits aus Aquakulturen kommt.

Mit ihrem Wasserverbrauch und dem mit Medikamentenrückständen belastetem Abwasser sind diese Aquakulturen aber häufig heute schon eine Belastung für Mensch und Natur.

Wenn der Bedarf an Fisch noch weiter wächst, nimmt auch diese Belastung zu. Und irgendwann wird es auch für diese Aquakulturen keinen Platz mehr geben.

Mit Aquacubes wird der Lebensraum der Menschen für die Fischzucht nutzbar. Wie in einem kleinen Gemüsegarten, kann jeder Mensch seinen eigenen Bedarf an Fisch decken.

Auch kleine Betriebe wie Restaurants können so Fische für ihre Kunden züchten. Die Technologie kann in armen Ländern die Lebensmittelversorgung umweltfreundlich verbessern.

Hierzu muss man auch erwähnen: Es gibt auch andere Konzepte für die Selbstversorgung mit Fisch. Dazu zählt beispielsweise die Aquaponik. Dabei werden Anlagen gebaut, in denen Fische gezüchtet und gleichzeitig Gemüse angebaut wird. Die Pflanzen filtern das Wasser, die Fische ernähren mit ihren Ausscheidungen die Pflanzen.

Vor einigen Jahren gab es auch hier bereits erste Start-up-Ansätze wie Risebox, das an einer solchen Anlage für das Wohnzimmer gearbeitet hat. Die Website ist allerdings nicht mehr erreichbar. Das Start-up scheint nicht mehr aktiv zu sein. Andere Anbieter wie ECF Farmssystems aus Berlin bauen Aquaponik-Anlagen im großen Stil.

Womit sich Aquacubes abhebt, ist sein Plug-and-Play-Ansatz. Ein platzsparender Tank, der draußen stehen kann und für den man keine Vorkenntnis in der Fischzucht braucht. Auf Verbraucherebene gibt es so etwas noch nicht.

Das macht die Idee dann wieder einzigartig und die Art überzeugend, wie Aquacubes die Nahrungsquelle Fisch für die Selbstversorgung von Verbrauchern zugänglich machen möchte. Und das mit überschaubaren Investitionskosten.

Zwar sind 5.000 Euro für die kleinste Version des Aquacubes auch kein Pappenstiel. Doch mit 60 Kilogramm Fisch im Jahr kann eine vierköpfige Familie mit Fisch versorgt werden. Zumindest in Deutschland: Der Pro-Kopf-Verzehr im Jahr lag zuletzt bei 14,4 Kilogramm.

Gibt es Kritikpunkte?

Häufig steht an dieser Stelle des Start-up-Checks: Das Start-up ist noch jung. Kritik ist noch verfrüht. Das gilt natürlich für Aquacubes in besonderem Maße, weil es noch nicht einmal gegründet ist.

Dennoch kann man an dieser Stelle auf einige Probleme eingehen, die vor oder mit der Gründung angegangen werden sollten.

Zunächst einmal läuft die EXIST-Förderung ab und das Team ist noch auf der Suche nach einem Investor oder strategischen Partner. Es kann gut sein, dass hinter den Kulissen bereits Verhandlungen laufen. Allerdings ist der Zeitplan ziemlich knapp.

Dazu passt auch die etwas verworrene Geschichte von Aquacubes. Nachdem Samuel-Fitwi auf die Idee kam, wurde das Projekt als Teil des Unternehmens Sustainable Food entwickelt und ausgezeichnet.

Und dann wieder als eigenes Projekt ausgelagert und bei EXIST angemeldet. Allerdings sitzt Aquacubes offenbar immer noch zumindest in unmittelbarer Nachbarschaft zu Sustainable Food.

Das ist zwar grundsätzlich kein Problem. Natürlich gibt es bei Start-ups eine Zeit der Unklarheit in der Seed-Phase. Doch die scheint bei Aquacubes lange zu dauern. Es wird daher höchste Zeit, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Außerdem ist Aquacubes natürlich nichts für die Verbraucher, die grundsätzlich etwas gegen die Tierhaltung zur Nahrungsmittelproduktion haben.

Wer aber pragmatischer denkt, wird damit wohl kein Problem haben. Die Gründer betonen, dass sie sogar noch unter der von der EU vorgegebenen Besatzdichte für Fische bleiben.

Fazit

Aquacubes ist ein sehr interessantes Start-up kurz vor der Gründung. Die Technologie ist sehr verbraucherorientiert, was für den Erfolg einer der wichtigsten Faktoren ist.

Allerdings macht einem der Status so kurz vor dem Ende der EXIST-Förderung etwas Sorge. Aquacubes ist zwar auch im Inkubator der Uni Kiel und im Smart Green Accelerator. Das hat aber offenbar bei der Suche nach einem Investor noch nicht zum Erfolg geführt.

Deswegen ist Daumen drücken hier besonders angesagt. Die Idee ist gut. Es wäre schade, wenn sie ein Projekt bleibt.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.

2 Kommentare

  • Zurück in die Steinzeit: Was bitteschön soll daran innovativ sein, intelligente und soziale Tiere einzusperren um sie zu mästen und zu essen?
    In diesem Artikel geht es um „umweltschonend“. Hallo- : Fische sind auch ein Teil der „Umwelt“! Es sind intelligente, soziale und schmerzempfindliche WIRBELTIERE, mit einem Gehirn und einem ausgeprägten Sozialleben. Weder der Autor noch der Wissenschaftler kam dieser Gedanke.
    Innovativ und zukunftsweisend ist „Clean Meat“ und Clean Fish “ aus dem Labor und vegane Ernährung. Das ist umweltschonend, nachhaltig und vor allem respektvoll gegenüber denjenigen Lebewesen, die ebenso leben möchten wie wir Menschen.

    • Hallo Frau Dr. Breining,

      Danke für Ihren Kommentar und Sie haben natürlich recht: Fische sind Lebewesen, die intelligent sind und auch ein Schmerzempfinden haben! An dieser Stelle möchte ich es gerne mit T.W. Adorno halten, der sagt: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“.

      Wohlwissend, dass man sicher versuchen muss, die Welt (und die Umwelt) besser zu gestalten und nachhaltig zu leben und zu essen, so könnte man ja mal mit kleinen Schritten anfangen, weg von der Massentierhaltung, hin zu solchen ersten Projekten. Und danach ganz umsteigen auf eine vegetarische und/oder vegane Ernährung.