Dürfen wir uns jetzt freuen? Der Fußball-Videobeweis hat sich etabliert und den Sport verändert. Vor den Emotionen kommt die Technik. Linien zählen mehr als Tore – zumindest, bis die VAR-Entscheidung fällt. Wir erklären die Technologie dahinter und stufen sie ein.
Eine Geste, die sich bei Millionen Fußball-Fans eingebrannt hat: Schiedsrichter zeichnen ein unsichtbares Quadrat in die Luft. Das Zeichen, dass der Fußball-Videobeweis greift. Während die eine Seite aufatmet, schlägt die andere die Hände vors Gesicht. Zu früh gefreut!
Fußball-Videobeweis: Was ist das?
Die Abkürzung VAR steht für „Video Assistant Referee“. Einfach ausgedrückt handelt es sich um eine erweiterte Überprüfung des Spielgeschehens, um Fehlentscheidungen bestmöglich zu vermeiden. Dafür sitzen Video-Assistent:innen in einem separaten Raum und verfolgen das Spiel an mehreren Bildschirmen.
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Unter bestimmten Umständen und im Normalfall nur bei einer klaren Fehlentscheidung dürfen sie eingreifen und die hauptverantwortlich spielleitende Person kontaktieren. Es folgt gegebenenfalls eine Kontrolle der Situation an den Bildschirmen der Video-Assistent:innen und eine Absprache zwischen ihnen und dem Schiedsrichter.
Im Fußball hat der Videobeweis noch Grenzen. So darf er nur in diesen vier Situationen aktiv werden:
- Torerzielung
- Rote Karte
- Strafstoß
- Verwechslung
Das alles soll die Entscheidungsfindung unterstützen. Spielleiter:innen haben bei einem Fußball-Videobeweis immer das letzte Wort und grundlegend zwei Optionen:
- Entweder folgen sie der VAR-Empfehlung ohne einen eigenen Gegencheck …
- oder sie überprüfen die Spielsituation – weiterhin in Absprache – selbst an einem seitlich des Spielfeldes platzierten Monitor.
Die VAR-Technologie
VAR-Verantwortliche sitzen in technisch top ausgestatteten Videocentern. Mehrere Kameras im Stadion schicken Live-Bilder aus verschiedenen Perspektiven auf die Bildschirme, sodass Video-Assistent:innen in möglichst kurzer Zeit eine Multi-Auswertung vornehmen können.
Wichtig ist die Funkverbindung zu den Schiedsrichtern, sodass die Parteien während des Spiels unmittelbar miteinander kommunizieren können. Dafür sorgen auf beiden Seiten Mikrofone und Kopfhörer respektive Ohrstecker.
Eine bedeutende technologische Komponente betrifft die Einbeziehung der beispielsweise am TV-Gerät zuschauenden Menschen, denn die Überprüfung erfolgt keinesfalls geheim.
Das Hawk-Eye
Zwar hören wir das Gespräch nicht, doch sobald die Schiedsrichter den am Spielfeldrand installierten Bildschirm betrachten, sehen wir die gezeigten Szenen ebenfalls.
Zum Einsatz kommt hier auch das sogenannte Hawk-Eye. Dabei handelt es sich um ein Computer-System, das im Fußball zum Beispiel für die virtuelle Abseitslinie sorgt. Die ausgefeilte Technologie funktioniert auch vertikal, um die Frage zu beantworten, ob und welches Körperteil im Abseits liegt.
Geschichte und Entwicklung
Digitaler Fortschritt hat den Fußball längst erreicht, doch überwiegend im Drumherum für Entwicklungen gesorgt – quasi von der Ersatzbank aus und mit Kurzeinsätzen.
Von Beginn an auflaufen dürfen technische Innovationen erst seit rund neun Jahren. Der deutlich jüngere Fußball-Videobeweis stellt dahingehend eine kleine Revolution dar.
Im Jahr 2012 gab die FIFA ihr Go für ein modernes Hilfsmittel. Damals wurde die Torlinientechnik als erste technische Innovation eingewechselt – auch hier hilft die Hawk-Eye-Technologie, in Kombination mit einem im Ball integrierten Chip, bei der Überprüfung.
Von der Bundesliga bis zur Weltmeisterschaft
Seit der Bundesligasaison 2017/2018 fungiert der Fußball-Videobeweis in Deutschland als potenzielle Unterstützung. Die VAR-Mitarbeitenden sitzen im sogenannten Kölner Keller, dem offiziell zur DFL gehörenden Video Assist Center.
Die Einführung erfolgte nur in der ersten Bundesliga. Doch seit der Saison 2019/2020 dürfen VARs auch in Zweitligapartien eingreifen. Inzwischen wird er auch bei der Europa- und Weltmeisterschaft sowie bei den großen Club-Turnieren wie der Champions und Europa League eingesetzt.
Fußball-Videobeweis: Fluch oder Segen?
Das Eingreifen des Videobeweises wirkt im Fußball wie eine Pausetaste. Sobald sich der Ball im Aus befindet und das Spiel dadurch unterbrochen ist, liegt es während einer Überprüfung quasi auf Eis. Sowohl die Spielenden als auch die Zuschauenden warten dann auf eine Entscheidung.
Das Spiel steht still, der Puls steigt. Der Videobeweis bringt mehr Fairness und ganz neue Emotionen in den Fußball. Ersteres nach einigen Startschwierigkeiten – auch die Video-Assistent:innen benötigten ihre Eingewöhnungszeit.
Sehr zum Unmut etlicher Fans, denn welchen Wert hat ein hochtechnologisches System zur Fehlerminimierung, wenn es weiterhin falsche Entscheidungen zulässt? Bei vielen klaren Fehlentscheidungen kam das Gefühl auf, dass alle VARs den Kölner Keller gleichzeitig für eine Toilettenpause verlassen haben.
Heute funktioniert der Videobeweis besser. Das hilft auch dem Fußball – zumindest der nicht unwichtigen Gerechtigkeit. Puristen zücken dennoch die rote Karte, denn das Spiel hat sich dadurch maßgeblich verändert.
Doch seien wir ehrlich: Wie natürlich ist ein Fußballspiel ohne VAR, das mehr Fehlentscheidungen als Torraumszenen hat? Zwar mag der Verlauf einer gewissen Natürlichkeit unterliegen, doch das Ergebnis ist mehr Fake als Realität.
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