Wirtschaft

Start-ups in der Modebranche: Investitionen zwischen Trends und Risiken

Start-ups Modebranche, Investitionen, Birkenstock
Adobe Stock/ Charlie's
geschrieben von Carsten Lexa

In der Modebranche entstehen derzeit viele Start-ups. Doch junge Unternehmen in dieser Branche haben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen, wenn es um die Gewinnung von Investoren geht. Gastautor Sören Zitzelsberger und Carsten Lexa zeigen in diesem Beitrag auf, worauf Gründer und Inhaber von Modeunternehmen achten sollten, wenn sie Investoren für ihre Unternehmen gewinnen wollen.

Die Dynamik der Modebranche bietet Gründer:innen und ihren Unternehmen derzeit eine Vielzahl an Chancen, birgt jedoch gleichzeitig komplexe Herausforderungen, besonders wenn es um Wachstumskapital, Investoren und M&A geht. Dynamische Trends, die zyklische Struktur der Branche und der stetige Wandel sind Faktoren, welche die Schwierigkeiten kennzeichnen, Investoren zu gewinnen.

Beispiel für erfolgreiche Finanzierungsrunden in der Modebranche sind nicht gerade zahlreich. Eines aus der jüngsten Zeit bietet der deutsche Sandalenhersteller Birkenstock. Im Jahr 2021 konnte das Unternehmen eine Finanzierung durch den Private-Equity-Fonds L Catterton sichern.


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Dieser Fonds steht in Verbindung mit der Arnault-Familie, die auch größter Einzelaktionär des Mode-, Schmuck- und Spirituosen-Konglomerat „LVMH“ sind. Durch diese Finanzierung erwarb L Catterton eine Mehrheitsbeteiligung an Birkenstock. Seit Juli dieses Jahres kursieren Gerüchte, dass L Catterton JP Morgan und Goldman Sachs beauftragt hat, Birkenstock an der New Yorker Börse zu listen.

Exit-Strategien für Start-ups (in der Modebranche)

Mit der „Exit Strategie“ verfolgen Investoren das grundlegende Ziel, ihr eingesetztes Kapital zu vervielfachen. Dabei gibt es drei grundsätzliche Optionen:

  1. Trade-Sale, der Verkauf des Unternehmens an ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen bzw. strategischen Investor.
  2. Börsengang (IPO), der Verkauf des Unternehmens an die Öffentlichkeit über eine Börse.
  3. Secondary Buyout, der Verkauf an einen anderen Finanzinvestor.

Die Gründe für den Verkauf können dabei unterschiedlich sein. Grundlegend lassen sich folgende Motivationen für Investoren anführen:

  1. Erfüllung der Wertsteigerungsziele: Der Verkauf durch Private-Equity-Investoren kann erfolgen, sobald das Unternehmen die gesetzten Wertsteigerungsziele erreicht hat.
  2. Ende des Investitionszeitraums: Investoren, insbesondere im Private Equity-Bereich, legen häufig einen bestimmten Zeitraum für ihre Beteiligung fest. Wenn dieser Zeitraum endet, wird das Unternehmen in der Regel verkauft, um Kapitalrückflüsse zu generieren.
  3. Marktbedingungen: Günstige Marktbedingungen können einen Verkauf attraktiv machen, indem sie hohe Gewinnchancen versprechen. Bei ungünstigen Marktbedingungen kann der Verkauf dagegen aufgeschoben werden.

Mögliche spezifische Herausforderungen der Modebranche bei Birkenstock

Über die genauen Beweggründe für L Cattertons Verkaufsentscheidung, weit unterhalb der gewöhnlichen Haltdauer von 5-7 Jahren, lässt sich derzeit nur spekulieren. Es ist jedoch denkbar, dass spezifische Herausforderungen der Modebranche dabei eine Rolle spielen.

Ein Wachstumsrückgang könnte zum Beispiel darauf hindeuten, dass sich die Marke Birkenstock unerwartet in Richtung Sättigung entwickelt und L Catterton daher den bestmöglichen Zeitpunkt gewählt hat. Ein dafürsprechendes Beispiel ist „Dr. Martens“.

Dieses Unternehmen wurde 2022 höchst erfolgreich, weil genau zum bestmöglichen Zeitpunkt, von dem Investor Permira nach Widerbelebung der Marke an die Börse verkauft worden ist. Seit dem Börsengang hat Dr. Martens jedoch 70 % seiner Marktkapitalisierung verloren und hat seitdem Schwierigkeiten, Wachstum zu erzielen.

Start-ups: Risiken der Modebranche für Investoren

Insbesondere der Fall von Dr. Martens zeigt, warum Investoren bei Modeunternehmen häufig ein gedämpftes Interesse zeigen. Der Grund liegt im sogenannten „Fashion Risk“. Im Investmentbereich ist Unsicherheit ein ständiger Begleiter, was zu großer Rendite aber auch zu hohen Verlusten führen kann. Doch in kaum einer Branche zeigt sich diese Unsicherheit so deutlich wie in der Modebranche.

Schwankende Werte

Eine grundlegende Herausforderung für Investoren in der Modebranche besteht darin, dass Modemarken auf Werten aufgebaut sind, um ein bestimmtes Image zu erzeugen. Diese Werte – von Kreativität über Exklusivität bis hin zu Qualität – sind schwer zu quantifizieren und noch schwerer vorherzusagen.

Sie können im Laufe der Zeit stark schwanken, da sie von den sich ständig ändernden Modetrends abhängig sind. Doch dieses Image ist auch das Produkt von Modetrends und Verbraucherpräferenzen, die sich ständig entwickeln. Was heute begehrt ist, kann morgen schon veraltet sein.

Konsumverhalten schwierig vorherzusagen

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für Investoren ist, dass der Modekonsum stark zyklisch ist. Denn bei rückläufigen Realeinkommen, aufgrund von Inflation oder geopolitischen Unsicherheiten, neigen Konsumenten dazu, Ausgaben für Mode zu reduzieren.

Wenn unerwartete Ereignisse zu einem Verkaufsrückgang führen und bereits verbindliche Aufträge bei Lieferanten und Produzenten platziert sind, können Modeunternehmen schnell in finanzielle Bedrängnis geraten.

Dabei ist zu beobachten, dass insbesondere Modeunternehmen im mittleren Preissegment hiervon betroffen sind. Für hochpreisige gilt das weniger, da Konsumenten mit hohen Einkommen seltener ihren Konsum aufgrund von Einkommensrückgängen reduzieren.

Hohe Dynamik bei Geschäftsmodellen

Nicht nur Trends entwickeln sich dynamisch, sondern auch die Geschäftsmodelle in der Modebranche. Fast-Fashion-Unternehmen wie Shein treiben den schnellen Kollektionswechsel an, indem sie Produktion und Nachfrage eng miteinander verknüpfen. So können sie in wenigen Stunden Produkte entwickeln und ihren Kunden zum Kauf anbieten.

Außerdem ermöglicht es der Einsatz von Social Media, neue Marken schnell zu positionieren, die etablierte Produkte wie die von Birkenstock oder andere in den Hintergrund drängen können. Gleichzeitig gewinnen datengetriebene Internet-Pure-Player an Bedeutung, da sie ihre umfangreichen Kunden- und Transaktionsdaten nutzen können, um Nachfrage vorherzusagen und Kunden effizienter durch den Verkaufsprozess zu führen.

Des Weiteren steigen die Erwartung der Verbraucher nach nachhaltigen Produkten und transparenten Lieferketten. Dieses erhöhte Bewusstsein für Nachhaltigkeit birgt zusätzliche Herausforderungen und verlangt von den Investoren ein noch höheres Maß an Flexibilität und Risikobereitschaft. Dieses dynamische Marktumfeld erschwert stabile und planbare Investitionen in der Modebranche.

Strategische Ansätze für den Verkaufsprozess an Investoren

Was können Gründer:innen und junge Unternehmer:innen nun machen, um Investoren zu zeigen, dass sie ein Investment wert sind? Um Investoren von Investitionen in der Modebranche zu überzeugen, ist es notwendig, sowohl die aktuelle Tragfähigkeit des Geschäftsmodells als auch die Robustheit gegenüber externen Einflüssen und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens darzustellen.

Neben grundlegenden Informationen und Finanzkennzahlen über das Unternehmen sollten Modeunternehmer vor allem die Herausforderungen der Modebranche in ihrem Investoren-Pitch berücksichtigen. Dabei könnten folgende Aspekte den Investoren von dem Unternehmen überzeugen:

  • Darstellung der Unternehmensstrategie: Diese zu zeigen ist unabdingbar für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Dabei sollte die Positionierung der Marke im Wettbewerb und ihren Differenzierungsmerkmalen ebenfalls berücksichtigt werden.
  • Darstellung der Absatzkanal-Verteilung: Insbesondere im Online-Kanal zeigt das einem Investor, dass das Unternehmen im (digitalen) Vertrieb agil ist. Dabei ist es entscheidend, auf die Profitabilität der Online-Umsätze zu achten.
  • Robustheit eines Geschäftsmodells: Dies kann auch durch die Kundenbasis dargestellt werden. Eine starke Basis von Stammkunden suggeriert beispielsweise, dass das Unternehmen selbst in volatilen Zeiten auf eine verlässliche Einnahmequelle zählen kann.
  • Geografische Verbreitung der Absätze: Dies kann ebenfalls als Indikator für die Robustheit des Unternehmens stehen. Das Unternehmen ist durch eine, wenn möglich internationale, Verteilung der Absätze in der Lage, sich vor lokalen Schwankungen zu schützen und Risiken durch Diversifikation zu minimieren.
  • Darstellung des Produktangebots: Es ist wichtig auf die Artikel aufmerksam zu machen, die sich von der Zyklizität der Branche und den Modetrends unabhängig machen. Solche Angebote versichern den Investoren, dass das Unternehmen auch unabhängig von der aktuellen Marktlage stabile Einnahmen generieren kann.
  • ESG-Praktiken: Aktuell ist es unabdingbar, Investoren zu demonstrieren, dass das Unternehmen ESG-Praktiken (Environment, Social, Governance) verfolgt, insbesondere weil Finanzinvestoren heutzutage teilweise nur noch ESG-klassifizierte Fonds auflegen.

Sollte ein Investor nach Vorstellung des Modeunternehmen weiterhin Interesse zeigen, wird er in der Regel eine detaillierte Prüfung des Unternehmens durchführen – die sogenannte Due Diligence. Neben der üblichen Legal Due Diligence, die die rechtlichen Besonderheiten und Risiken beurteilt, werden von Investoren „gerne“ folgende Due Diligence-Prüfungen bei Modeunternehmen durchgeführt:

  • Commercial Due Diligence: Sie fokussiert sich auf das Marktumfeld des Modeunternehmens. Hierbei wird analysiert, welche Marktanteile das Unternehmen in seinen Kernsegmenten hält, wie groß das Wachstumspotenzial in bestehenden und neuen Marktsegmenten ist und wie das Unternehmen im Vergleich zu seinen direkten Wettbewerbern positioniert ist.
  • Brand Due Diligence: Wie oben gezeigt spielt in der Modebranche die Marke eine entscheidende Rolle. Bei der Brand Due Diligence wird deshalb nicht nur das reine Markenimage betrachtet, sondern auch, wie gut die Marke in der Zielgruppe verankert ist, wie sie im Vergleich zu Konkurrenzmarken wahrgenommen wird und welche emotionalen Bindungen sie mit ihren Kunden aufgebaut hat.
  • Financial Due Diligence: Neben den üblichen Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn wird in der Modebranche auch die Rentabilität von Kollektionen, die Lagerumschlagsgeschwindigkeit oder die Abhängigkeit von Saisonverkäufen analysiert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Cashflow-Marge im Vergleich zu branchenähnlichen Unternehmen, da dies einen Hinweis darauf gibt, wie effizient das Unternehmen Kapital einsetzt und ob die Marke einen Mehrwert bietet.

Fazit: Start-ups und Investitionen in der Modebranche

Die Modebranche ist von besonderen Herausforderungen geprägt, insbesondere was den Bereich der Investments angeht. Da diese Branche extrem dynamisch ist, kommt es nicht nur auf den aktuellen wirtschaftlichen Erfolg eines (jungen) Unternehmens an, sondern auch insbesondere, aber nicht nur, auf die Markenstärke, auf die emotionale Bindung der Kunden und auf die Abhängigkeiten von saisonalem Geschäft.

Jedoch trotz dieser zweifellos vorhandenen Herausforderungen können sich Start-ups und junge Unternehmen auch in der Modebranche durchaus auf die Suche nach Investments machen. Zu finden sind sie, auch wenn es nicht immer leicht ist.

Wichtig ist aber, dass die Gründer:innen bzw. die Inhaber:innen von Modeunternehmen ihre Hausaufgaben machen und ihr Unternehmen, seine Positionierung und die Art, den besonderen Risiken der Branche zu begegnen, kennen und auf entsprechende Fragen und Bedenken von Investoren vorbereitet sind. Sind sie das nicht, dann werden sie feststellen, dass das Interesse von Investoren an einem Investment in ein Modeunternehmen rapide abnehmen wird.

Über den Gastautoren: Sören Zitzelsberger studierte Fashion-Management (B.A) an der Hochschule Fresenius, AMD Akademie für Mode und Design in Berlin und absolvierte im März 2023 mit seiner Arbeit über die „Herausforderungen von Merger & Acquisition in der Modebranche“ sein Bachelor-Studium. Derzeit ist er Projektassistent in der Strategieberatung der BBE Handelsberatung in München und beginnt im Februar 2024 sein Masterstudium an der Nova School of Business and Economics in Lissabon.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.