Wirtschaft

Vaterschaftsurlaub per Gesetz: Wieso lässt die Politik Familien im Stich?

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Pixabay.com / marcinjozwiak
geschrieben von Christian Erxleben

Eigentlich hätten alle Väter seit dem Jahreswechsel 2023/2024 einen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub – wenn da nicht die absolute Schlafmützigkeit der deutschen Politik Familien wäre. Anstatt Väter früher und stärker in die Erziehung einzubinden, hält die Politik künstlich alte Rollenbilder aufrecht. Ein Kommentar.

Im Dezember eines jeden Jahres erscheinen zahlreiche Artikel zu gesetzlichen Neuerungen, von denen wir Bürgerinnen und Bürger ab dem kommenden Jahr profitieren werden – so auch im Dezember 2023.

Vaterschaftsurlaub und gemeinsame Elternzeit: Änderungen ab 2024

Für Familien gab es mehrere einschneidende Veränderungen im Jahr 2024. Einerseits sollten alle Väter ab dem 1. Januar 2024 zehn Urlaubstage Vaterschaftsurlaub bekommen. Dabei soll es sich um vom Arbeitgeber bezahlten Urlaub handeln, der es Vätern ermöglicht, sich vom ersten Tag an in der Familie einzubringen.


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Andererseits gibt es auch negative Nachrichten. So hat die Bundesregierung beschlossen, dass Mütter und Väter ab dem 1. April 2024 nur noch einen Monat gemeinsame, bezahlte (!) Elternzeit nehmen dürfen. Bislang konnten beide Elternteile zwei Monate bei fortlaufender Elterngeldzahlung zuhause bleiben.

Familienministerium will weniger Stillkinder

Die scheinbar absurde Begründung des Familienministeriums: Durch die Neuregelung soll die Gleichberechtigung in Familien steigen, weil Väter dazu per Gesetz gezwungen werden, mehr Verantwortung in Form von alleiniger Elternzeit zu übernehmen.

Dass dieser Schuss sprichwörtlich nach hinten losgeht, dürfte keine große Überraschung sein. Das beginnt schon damit, dass insbesondere in den ersten Monaten nur Frauen die Ernährung durch Stillen übernehmen können. Dabei ist hinlänglich bewiesen, dass das Stillen für Neugeborene deutlich besser ist als die Flasche, wenn es klappt.

Überspitzt ausgedrückt, könnte ein Schelm sagen, dass unsere Politik wohl etwas gegen Mütter hat, die nicht sofort zur Flasche greifen und nicht sofort wieder auf die Arbeit rennen wollen.

Vaterschaftsurlaub 2024? Von wegen!

Wer nicht zufällig in den ersten Wochen und Monaten des Jahres 2024 Nachwuchs erwartet hat, hat vermutlich einfach angenommen, dass die Neuregelung zum Vaterschaftsurlaub in Kraft getreten ist. Tatsächlich ist das nicht der Fall.

Obwohl die aktuelle Bundesregierung den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Vaterschaftsurlaub zum Jahreswechsel umsetzen wollte, sind die Politiker der Ampel erneut gescheitert. Stattdessen musste das Familienministerium auf eine Presseanfrage antworten, dass sich der Entwurf gerade noch in der Ressortabstimmung befindet.

Eine baldige Entscheidung ist also nicht zwingend erwartbar. Und auch etwaige Versprechungen, dass der Vaterschaftsurlaub noch im Jahr 2024 kommen soll, sind mit Blick auf die Geschichte wohl eher mit einem müden Lächeln hinzunehmen.

Die EU und ein Vater verklagen die Bundesrepublik

Tatsächlich verbummelt es die deutsche Spitzenpolitik schon seit Juli 2022 – also seit fast zwei Jahren – die entsprechende EU-Vereinbarkeitsrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Diese sieht vor, dass Väter europaweit zehn Arbeitstage nach der Geburt freigestellt werden.

Lange Zeit hatte sich Deutschland dem verweigert. Das Argument: Die Elternzeit und Elterngeldregelungen hierzulande machen eine derartige Umsetzung überflüssig. Weil das die Europäische Union jedoch anders sieht, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Doch damit nicht genug: Jetzt verklagt ein Vater vor dem Landgericht Berlin die Bundesregierung wegen der Nicht-Umsetzung der EU-Richtlinie. Sein Argument: Weil sich die Bundesregierung querstellt, muss er seinen gesetzlichen Erholungsurlaub nehmen. Dadurch entsteht ihm ein Schaden.

Wann endet die Gender-Diskriminierung, liebe Bundesregierung?

Ob der Vater mit seiner Klage nun Recht bekommt, wird die Zukunft zeigen. Es wäre ihm allerdings zu wünschen. Denn was die Bundesregierung im Allgemeinen und das Bundesfamilienministerium in den letzten Monaten verzapft haben, sollte bestraft werden – auch wenn die Summe letztendlich irrelevant ist.

Die Politik sollte endlich aufhören von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fabulieren und gleichzeitig jungen Familien regelmäßig Bäume zwischen die Beine zu werfen. Der noch nicht umgesetzte Vaterschaftsurlaub ist nur ein weiterer Mosaikstein einer Familienpolitik, die offenbar steigende Geburtenzahlen vermeiden möchte.

Die Beantragung von Elterngeld und die Berechnung des Elterngeldes sind so frustrierend und kraftraubend – und das in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt, wenn es wahrlich Wichtigeres geben sollte als der Kampf mit der deutschen Bürokratie.

Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kommentar. Das ist eine journalistische Darstellungsform, die explizit die Meinung des Autors und nicht des gesamten Magazins widerspiegelt. Der Kommentar erhebt keinen Anspruch auf Sachlichkeit, sondern soll die Meinungsbildung anregen und ist als Meinungsbeitrag durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.

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