Forscher aus Japan haben eine künstliche „Lunge auf einem Chip“ entwickelt, die verschiedene Regionen des menschlichen Organs realitätsnah abbilden soll. Ziel ist es, Vorsorgen gegen mögliche Pandemien zu tragen und Atemwegserkrankungen zu bekämpfen.
Atemwegserkrankungen wie COVID-19 oder Influenza haben in den vergangenen Jahrzehnten Millionen Menschenleben gefordert und Schwächen in der medizinischen Forschung offenbart. Denn das menschliche Atmungssystem ist komplex.
Infektionen wirken sich je nach Lungenregion unterschiedlich aus. Bislang war es kaum möglich, diese Unterschiede präzise zu erforschen. Selbst Tiermodelle oder einfache Zellkulturen stießen an ihre Grenzen. Ein Forscherteam der Kyoto University möchte das mit einem neuen Ansatz ändern: einer „Lunge auf einem Chip“.
Dazu entwickelten die Wissenschaftler ein sogenanntes mikrophysiologisches System (MPS), das sowohl die oberen Atemwege als auch die Lungenbläschen (Alveolen) abbildet. Das Besondere ist, dass der Chip auf individuellen Stammzellen, sogenannten iPS-Zellen, basiert. Diese lassen sich aus Körperzellen rückentwickeln und dann gezielt in verschiedene Lungenzellen umwandeln.
Lunge auf Computerchip: Was passiert im Körper – und wann?
Dieselben Zellen können mit der neuen Technologie auf zwei Chips verteilt und verschiedenen Viren ausgesetzt werden – zum Beispiel dem Coronavirus SARS-CoV-2 und dem Influenzavirus. Die Reaktionen auf die Infektionen zeigen dabei nachvollziehbare Unterschiede.
Die Forscher stellten beispielsweise fest, dass bei SARS-CoV-2 die oberen Atemwege eine frühe und starke Immunreaktion auslösten, während die tieferliegenden Alveolen verzögert reagierten. Das könnte erklären, warum Corona in manchen Fällen schwerwiegende Lungenentzündungen und Langzeitschäden verursacht.
Im Gegensatz dazu löste Influenza auf beiden Chip-Regionen eine stärkere und gleichzeitigere Immunreaktion aus. Im Resultat entstanden allerdings auch mehr Zellschäden. Diese Erkenntnisse zeigen, dass nicht alle Viren die Lunge gleich angreifen, was für die Entwicklung gezielter Therapien entscheidend sein kann.
Ein kleiner Chip mit große Perspektiven
Die „Lunge auf einem Chip“ ist mehr als ein smarter Ersatz für Tierversuche. Sie erlaubt maßgeschneiderte Einblicke in den Krankheitsverlauf, beschleunigt Medikamententests und könnte helfen, bei künftigen Pandemien schneller zu reagieren.
Noch ist das System ein Forschungsprototyp, aber die Wissenschaftler planen bereits die Ausweitung auf andere Organe – und sogar Multi-Organ-Chips. Das alles mag nach Science-Fiction klingen, könnte aber schon bald einen entscheidenden Unterschied ausmachen.
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