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Kommentar: Der perverse Rabatt-Wahn

Guido Augustin
Aktualisiert: 17. Februar 2025
von Guido Augustin
Guido Augustin hat eine klare Meinungen zu den nie endenden Sale-Schlachten. (Foto: Pixabay.com / geralt)
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Es gab eine Zeit, da konnten wir am Ende des Sommers im SSV reduzierte Badehosen und am Ende des Winters im WSV reduzierte Skijacken kaufen. Heute kaufen wir nichts mehr, wenn der Preis nicht mindestens drei Mal durchgestrichen ist. Das hat zwei fatale Folgen: Wir kaufen nicht, weil wir etwas haben wollen, sondern weil der „Deal“ so verlockend ist und wir schätzen, was wir gekauft haben, nicht für seinen Wert, sondern für seinen Preis.

Wer offenen Auges durch eine deutsche Fußgängerzone schlendert, muss den Eindruck bekommen, es gibt nichts mehr, das zu einem normalen Preis verkauft wird. Überall leuchten uns Sale-, Rabatt- und Reduziert-Botschaften entgegen, blenden uns und rauben uns letztlich den Verstand.

Das eine ist, gerne weniger Geld auszugeben als nötig. Das andere, nur noch dann zuzuschlagen, wenn der Nachlass groß genug ist und noch schlimmer: Weil der Nachlass groß genug ist. Unsere Konsum-Gesellschaft ist so multipel pervertiert.

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Der geschenkte Aal ist eine alte CD, die weg muss

Es gibt Weiterbildungs-Veranstaltungen, die sind große Shows, füllen große Hallen und dienen vor allem dazu, große Stapel neuer Verträge abzuschließen. Die Power Days von Jürgen Höller und Co. sind so etwas.

Tausende Menschen bekommen an zwei Tagen durchaus wertvolle Inhalte zu Vertrieb, Motivation, Haltung und mehr angedeutet. Die Botschaft „Willst Du mehr, komm zu mir, mein Kind“ schwingt aus jedem Vortrag und am Ende geht es in die großartig inszenierte Verkaufsshow.

Da werden Preise dramatisch aufs Flipchart geschrieben, dann noch dramatischer durchgestrichen und durch neue rote Zahlen ersetzt. Da werden Veranstaltungen gebündelt und Partnertarife posaunt, dass es eine Freude ist.

Am Ende gibt es das 3.500-Euro-Seminar für 1.000 Euro, wenn ich mich Recht erinnere. Und einen geräucherten Aal dazu – zumindest fühlt es sich an wie auf dem Fischmarkt, auch wenn der Aal eine alte CD ist, die weg muss.

Der Effekt in der Fußgängerzone und im kochenden Saal? Kaufe bloß nicht zu früh, er geht bestimmt noch mal runter, wenn ich den Hungriger-Kater-Blick aufsetze und die Nerven behalte.

Der längste Wochentag der Menschheitsgeschichte

Jene Menschen, die uns permanent zeigen, dass ihr Angebot, ihre Ware, ihre Dienstleistung eigentlich nur einen Bruchteil dessen, was sie mal verlangt haben, wert ist, erziehen uns zu gierigen Deal-Makern. Das ganze Geschrei um den Black Friday, das mittlerweile über Wochen geht und diesen zum längsten Wochentag der Menschheitsgeschichte gemacht hat, nervt nur noch.

In Preishammer-Prospekten und auf blinkenden Webseiten wird uns der Mund wässrig gemacht. Doch die Mediamärkte dieser Welt verführen uns online wie offline recht hinterhältig.

Denn die Produkte mit den großen Buchstaben und kleinen Zahlen spülen ihnen keinen Gewinn in die Kassen. Sie sind im besten Falle hart an den Selbstkosten kalkuliert oder werden von großen Herstellern subventioniert. Werbekostenzuschuss (WKZ) heißt das im Handel. Der fließt beispielsweise, wenn auf einem roten Computer-Prospekt „Intel inside“ steht oder Online-Provider mitbeworben werden.

Wir zahlen das dann an anderer Stelle wieder, versprochen. Dazu kommt, dass große Ladengeschäfte wie Online-Shops genau wissen, was ein Kundenbesuch wert ist – an sonstigen Einkaufen, die en passant im Einkaufswagen landen – und deutlich bessere Margen bringen, an „Lifetime Value“ oder schlicht an Daten.

Nichts für Jetset-Schicksen und Yacht-Millionäre

In Städten und auf deren grünen Wiesen kleben Outlets wie die Bienenwaben aneinander und suggerieren uns, einen Deal besser als den anderen machen zu können. Selbst Weltstädte wie Wertheim, Zweibrücken und Soltau kannibalisieren ihre Luxus-Meilen zu Gunsten der kompakten Großtüten-Verteiler.

Dabei wissen wir, wenn wir es denn wissen wollen, dass die dortige Ware speziell für diesen Vertriebsweg produziert und ein dort angebotener Prada-Schuh nie den Fuß einer Jetset-Schickse oder eines Yacht-Millionärs zieren wird.

Doch das Schlimmste: Wir freuen uns nicht mehr, weil wir uns eine tolle Jacke, ein hinreißendes Parfüm und ein Traum-Wochenende gegönnt haben. Wir freuen uns nicht mehr an deren Wert für uns. Wir freuen uns über den Deal, den wir gemacht haben.

Auf die Frage, ob die Jacke neu sei, antworten wir „Ja, stell dir vor, die habe ich bei XYZ so günstig geschossen!“ und nicht „Ja, ganz toll, endlich friere ich morgens auf dem Weg zum U-Bahn nicht mehr und schau mal, wie weich der Kragen ist!“

Deal-Maker haben ja Hochkultur in Kulturen, die jeden Tag niedriger sinken. Ich finde es fürchterlich. Wie schön wäre es, wir würden uns, gerade in dieser Zeit, in der Geschenke-Erwartungen und Konsum-Wahn den eigentlichen Sinn verkleistern, im wahrsten Sinne des Wortes besinnen?

Ein Meisterwerk japanischer Ingenieurskunst

Ich will jetzt nicht apostolischer auftreten als nötig und freue mich schon auch, wenn ich irgendwo Geld sparen kann. Doch ich möchte an dieser Stelle von meinem Füller erzählen: Es ist ein Pilot Capless, kennt hier kaum jemand, ein Meisterwerk japanischer Ingenieurskunst.

Er kombiniert das Prinzip des Füllfederhalters mit dem Klick-Mechanismus eines Kugelschreibers, entstanden 1964 aus der Not. Denn die seinerzeit üblichen Kulis mit Kappe ließen sich nicht mehr so gut verkaufen, nachdem in den USA der heute selbstverständliche Druckmechanismus erfunden wurde.

Einfach nachbauen ging aus patentrechtlichen Gründen nicht, also gingen die Japaner den anderen Weg und verheirateten die Mechanik mit einem klassischen Füllfederhalter. Der Füller ist großartig, schön schwer und zuverlässig (und hier schön beschrieben). Ein Meisterwerk, durchdacht bis ins kleinste Detail.

Ein Beispiel? Die Tinte lässt sich über spezielle Fertig-Patronen oder einen nachfüllbaren Tank zuführen. Da nun aber dieser Tank ein paar Gramm schwerer ist als die Patronen, gibt es eine Metallhülse, die ich über die Patrone schieben kann, um diesen Gewichtsunterschied exakt auszugleichen. Ich bin wahrlich kein Ingenieur, aber die Dinge so weit zu denken, begeistert mich.

Die Geschichte habe ich von einem ungemein skurrilen Wiesbadener Händler, der sie mir über den kleinen Tresen seines Papeterie- und Schreibwaren-Ladens erzählt hat. Ich habe mir den Füller zu einem Zeitpunkt geschenkt, zu dem ich ihn verdient zu haben glaubte, welch wunderbares Gefühl. Er hat mir ein Päckchen Patronen dazu geschenkt. Der Preis des Füllers? Keine Ahnung …

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vonGuido Augustin
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