oft begegnet einem als Blogger das digitale Unverständnis der näheren und weiteren Umgebung. Man verstehe gar nicht, warum andere Blogs lesen. Da sei keine Qualität drin, nur Katzencontent. Andere wiederum verstehen nicht, wieso man sein Leben öffentlich ausbreitet.
Die eine Gruppe hat ein kleines Problem mit Perspektivenwechseln: Es ist schwer vorstellbar, wie man Gespräche im Web zwischen Menschen auf die gleiche Stufe stellen kann, wie Gespräche mit dem unmittelbaren Gegenüber. „Das sei doch was anderes, weil [tausend Argumente wie Mimik, Gestk, Geruch, persönliche Bekanntschaft, …]“. Ich sage: Doch, man kann, man kann sogar sehr gut mit anderen Personen via Netz kommunizieren. Das geht teilweise soweit, dass man Freunde im Web findet, mit denen man sich enger verbunden fühlt als im RL mit bisherigen Kumpels. Das ist nicht etwa, weil das Web als Ersatzdroge den Personen eine Social Framing-Funktion anbietet, um sich von der besten Seite zu zeigen oder so zu zeigen, wie man gerne sein möchte. Im Gegenteil, es bietet gerade über Blogs mehr Tiefeneinblicke in die Person als manch ein flüchtiges Gespräch im Cafe. Man muss nicht immer nur an Stalker und falsche Fuffziger denken, auch die gibt es und wird es immer geben. Wo? Tja, im Web und im RL genauso, ich sehe keinen Unterschied. Gerade aber, weil uns im Netz bestimmte Sinne fehlen, ist man bestrebt, sich im Web mehr zu öffnen als im RL. Damit der andere eine Chance hat, ein vernünftiges Vertrauensverhältnis aufzubauen. Genau das aber schafft die Tiefe und Nähe, die man im RL oftmals vermisst.
Die andere Gruppe kann sich zwar vorstellen, warum man miteinander via Weblogs kommuniziert, nur sie verstehen nicht, wieso man das so öffentlich macht. Wie einige Sätze zuvor geschrieben, muss man mehr von sich im Netz zeigen, um dem anderen eine Chance zu geben, dich als Person besser wahrnehmen zu können. Es ist wichtiger als das herkömmliche, urbane Verhalten der Mitmenschen im RL. Man sagt nicht auf der Straße „Guten Tag“, man redet kaum mit seinen Nachbarn, ja, gar man redet und trifft sich selten mit seinen nächsten Verwandten. Im Web schon. Eventuell kann man damit aber auch besser verstehen, warum immer mehr Menschen ihre „persönlichen Daten“ (Profile in Social Networks zB) so ausbreiten. Ich würde es unter dem Thema „Digitale Identität“ subsummieren. Was benötigt man an Informationen welcher Art auch immer, strukturiert wie auch unstrukturiert, um eine Identität aufzubauen? Wie schützt man sich vor fremden bzw. unwillkommenen Blicken, obwohl doch die Tür an sich für alle offensteht. Ich selbst lese manchmal Blogbeiträge bewusst nicht, da mir der Inhalt schlichtweg zu privat ist und ich die Person nicht kenne.. nach dem Motto „es geht mich nix an“… ein offene Tür ist keine Einladung für alle, die Bock haben sozusagen. Das, was wir im RL gelernt haben, bildet sich erst mühselig im Netz. Es werden mit der Zeit andere Sinne und Verhaltensweisen gefragt sein als im RL. m2c
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Das soll keine Verherrlichung von Weblogs sein, ich bin auf zwei Gruppen eingegangen, die ihre Probleme mit den Weblogs haben, Blogger als vollwertig kommunizierende Menschen zu betrachten. Eher mehr als virtuelle Es denn als ernstzunehmende Person. Interessant finde ich dabei mE, dass die Webkultur nicht so anonym ist, wie man immer pauschal darüber urteilt.
Es wird noch Jahrzehnte brauchen, bis ausschließlich im RL lebende Menschen Blogger nicht mehr mit merkwürdigen Attributen gleichsetzen.
Meine Politik-Lehrerin hat sich im Forum unserer Schule wie folgt geäußert, (es handelt sich um eine ca 30 jährige Gymnasiallehrerin) :
„Sorry, dass ich das nicht kapiere, aber was bringt es mir ein blog von einem Menschen zu lesen, dessen Leben ganz normaler Alltag ist? Und bei Fotos bringt es mir auch nix, es sei denn ich kenne die Person, aber selbst dann??“?
Eine weitere Gruppe!?
tja, die Frage nach dem Nutzen ist wohl so ungefähr die gleiche Frage wie „warum werde ich kein Einsiedler“
Die Wahrheit wiedereinmal sehr treffend formuliert. Aber ich sehe das nicht so tragisch. Denn alles was neu ist, wird von vielen zuerst als „komisch“ oder sogar als „krank“ angesehen.
Krank habe ich deswegen gewählt, weil mich meine Eltern immer so bezeichneten weil ich früher teilweise bis 6 oder 7h (manchmal auch noch länger) vor dem PC hockte und mich mit anderen unterhielt. Wenn ich diese dann auch noch als Freunde bezeichnete, na ihr könnt es euch denken.
Ich habe es früher auch nie verstanden wie man so etwas nur ablehnen kann, aber heute bin der Meinung wenn man es selber nicht „erlebt“ hat, kann man es einfach nicht besser wissen.
Ein Stück weit muss man den Skeptikern vielleicht auch mal Verständnis entgegenbringen – selbst, wenn es Lehrer sind.
Ich blogge jetzt seit über zwei Jahren und bin begeisterter Blogger, aber davor habe ich mich auch gefragt, was das Lesen fremder Tagebücher mir bringen soll, abgesehen davon, dass ich dann weiß, dass Blogger XYZ nun transsexuell ist und Blogger ABC am Wochenende Red Bull mit Wodka nicht vertragen hat. Dass ein Blog nicht gleichzusetzen ist mit Tagebuch, habe ich auch erst geschnallt als ich selber gebloggt habe.
Man muss sich erst klar werden, dass Bloggen eine Kultur ist, eine neue Form im Internet zu publizieren, ein anderer Weg der Kommunikation, bei der man vor allem auch tatsächlich mit Lesern rechnen kann. Und das erfährt man nur, wenn man es auch tatsächlich macht. Deshalb habe ich meine Zweifel, ob Menschen, die „nur“ im RL leben Blogger je tatsächlich verstehen können.
das denke ist tatsächlich eine Frage der Zeiträume. Noch ist das Web ja ein wahnsinnig junger Kanal. Und für viele in vielen Belangen ein Buch mit sieben Siegeln. Da das Web nicht mit Blogs gleichzusetzen ist, wird es ja eher so sein, dass das Internet als genauso normal wie das Telefon betrachtet wird. Dann erst kommen einzelne Elemente wie das Einkaufen im Netz, das Chatten, bloggen etc… ist ja heute bereits so, dass zB Mails (älter als das HTML-Netz) mittlerweile wirklich niemanden mehr vom Hocker fallen lassen.
Lustig wird die Diskussion dann, wenn der (notabene reale) Gesprächspartner „genau weiss, was ein Weblog ist, schliesslich habe ich es in der Zeitung gelesen“ (in der ein Journalist darüber schrieb, der mit Sicherheit kein Blogger ist).
Aber, wie Robert schreibt, es ist eine Frage der Zeit…
Jürg
In meinem Umfeld reagiert man eher mit einer gesunden Portion Desinteresse. So a’la: Ach ja, hmm… Du bloggst… schön für Dich…
Der Punkt, den Robert mit den Mails anspricht, beschäftigt mich öfter mal: Was kommt nach den Blogs? Wie entwickelt sich die Homepage weiter?
[…] mein quasi dritter Artikel aus der heutigen Reihe “Blogs sind doof” [1][2] […]
Danke für diesen Kommentar, besser kann man es kaum auf den Punkt bringen.
[…] (OK, die Headline hinkt ein bischen.) Inspiriert durch einen Beitrag von Robert Basic (basicthinking.de) “Blogs sind doof, II. “: […]
@ „Sorry, dass ich das nicht kapiere, aber was bringt es mir ein blog von einem Menschen zu lesen, dessen Leben ganz normaler Alltag ist? Und bei Fotos bringt es mir auch nix, es sei denn ich kenne die Person, aber selbst dann??“?
Man könnte die Lehrerin daraufhin fragen, ob sie eine Erklärung hat, warum BigBrother(tm) am Anfang so einen starken Zulauf hatte. Da ging es doch auch nur um „ganz normale Menschen“… Am daraufhin einsetzenden „Reality-Hype“ krankt das (deutsche) Fernsehen auch 5 Jahre später noch *lacht*
Blogs sind doof ? Selbstverständnis und Aussenwahrnehmung…
Robert Basic schreibt in seiner kleinen Reihe …
Hi,
tja, was für einen Sinn hat es denn, sich mit dem Nachbarn über das Wetter und die Tomaten aus dem Garten zu unterhalten? Welchen Sinn hat es, sich Abends bei einem Bierchen mit den Freunden über z.B. ein gemeinsames Hobby zu unterhalten? Welchen Sinn hat es, sich mit der Ehefrau über all den Stumpfsinn am Arbeitsplatz zu unterhalten? Kann man Alles mit der gleichen Berechtigung fragen wie nach dem Sinn, sich mit Menschen via Blog über ähnliche Themen zu unterhalten. Das Internet ganz allgemein eröffnet schlicht neue Formen der Kommunikation. Motivation und Inhalt der Kommunikation bleibt deshalb aber immer noch gleich, wie seit Urzeiten. Gut, zu Urzeiten unterhielt man sich über verschiedene Vorkommen von gut nutzbarem Feuerstein, während man sich heute eher über die Wirkung von Vodka kombiniert mit Red Bull unterhält. Die Themen sind also verschieden. Motivation und Zweck der Kommunikation sind aber im Wesentlichen noch immer gleich. Die Methoden haben sich etwas geändert. Na und? Mimik und Gestik kommen im Blog nicht rüber. Klar, aber bei altmodischen Briefen schon? Die Zeiten ändern sich, und mit der Zeit ändern sich ein paar Details in unserem Leben. Im Wesentlichen, in den wirklich entscheidenden Aspekten, bleibt es aber immer noch so wie seit der Steinzeit. Die Aufregung von im Detail neuen Methoden zeugt von extremer Kurzsichtigkeit. Merkwürdig, dabei dachte ich, der Geschichtsunterricht in den Schulen sei hauptsächlich dazu da, die Gegenwart besser zu verstehen.
[…] Etwas Ausführlicheres gibt es bei basicthinking (1 & 2) … […]