Sonstiges

Substanz eines Social Networks

Carsten / ZweiPunktNull verweist auf ein Interview in der FAZ mit den beiden Gründern von „Wer Kennt Wen„.

Richten wir das Augenmerk auf eine aufschlussreiche Aussage zum Abschluss des Interviews:

FAZ: Der Weltmarktführer Facebook setzt stark auf Technik. Wie wichtig ist das Thema Technik für Sie?

JAGER: Wir wollen unsere Nutzer nicht mit technischen Funktionen überlasten. Mit großen neuen Funktionen gehen wir daher sehr vorsichtig um. Eine Öffnung für externe Entwickler oder der Beitritt zur Brancheninitiative Open Social sind daher kein Thema für uns.

Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass man auf die Schlichtheit des Systems setzt, um wie bisher mit Hilfe dieser Trumpfkarte auf einem erstaunlichen Wachstumspfad zu bleiben. Die WKW innerhalb von 2 Jahren zu 5 Millionen Mitglieder verholfen hat. Ich wäre mir da nicht allzu sicher, ob dies das alleinige Erfolgskonzept bleiben kann. Neben dem aktuellen Problem, dass die Wachstumskurve abgeflacht ist.


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Immerhin muss WKW wie jedes andere general interest Netzwerk mit dem Phänomen einer Ausdünnung der Kontaktdichte kämpfen, je größer das Einzugsgebiet wird (User in SNs vernetzen sich primär mit Bekannten). Was sich auf die Neukundengewinnung auswirkt, wenn Bestandskunden eine immer geringere Motivation verspüren, Bekannte einzuladen. Das wiederum hängt von mehreren Faktoren ab: Wie bekannt ist das Netzwerk im regionalen Umfeld. Wie sehr fördert das Unternehmen die Bekanntheit mit PR und Werbung? Wie groß ist der Pressebuzz und wie groß die Mundpropaganda-Effekte („haste schon gehört,…“)? Wie viele meiner Bekannten sind bereits Mitglied in WKW? Da der Pressebuzz bis dato sehr gering war, Werbung und PR kaum betrieben wurde, muss man sich auf die sozio-regionale Kontaktdichte zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern verlassen. Gibt es in einer Region so gut wie keine WKW-User, bleibt der Zulauf aus dieser Region schwach ausgeprägt (so momentan im Norden, Osten und Süden Deutschlands).

Das zweite Problem von WKW ist rein finanziell zu sehen (was man wohl kaum als Randproblem abtun kann): Während die schiere Masse der User hohe Kosten erzeugt, decken die Einnahmen die Ausgaben auf absehbare Dauer nicht. Sollte sich daran auch mittelfristig nichts ändern, hat es sich aus-wkw-ed (diese leidliche Erfahrung muss Holtzbrinck mit allen drei VZ-Netzen machen, die mächtig Traffic erzeugen, unter dem Strich ist kein Pluszeichen in Sicht). Nun könnte man annehmen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man auf den Trichter kommt. Tja, wenn Zeit nicht Geld wäre, dann würde es nicht pressieren. RTL/Bertelsmann wird in der Rolle des Goldesels früher oder später die Geduld verlieren. Es ist kein Leichtes, immer wieder in Management-Sitzungen auf die Zukunft dieser subventionierten Web-Sparte zu verweisen, während man an andere Geschäftsbereiche mit niedrigen Zielerreichungsgraden den Rotstift ansetzt. Wer auch immer bei RTL/Bertelsmann WKW den Rücken freihält, wird mit der Zeit seine eigene Position immer weiter schwächen. Und so wie ich gutverdienende Manager einschätze, werden sie aufgrund der Kurzfristigkeit ihrer Zielvorgaben ihre Haltung überdenken. Sowas wie Nettigkeit und Freundschaft zählen da nichts, egal wie gut die Beziehungen zu den beiden „netten“ WKW-Junggründern momentan auch sein mögen.

Kommen wir zum dritten Punkt: Substanz. Bei zahlreichen Social Networks habe ich irgendwie das ungute Gefühl, dass sie sich nicht dauerhaft etablieren können. Unabhängig der Frage nach den Einnahmen. Gedankliche Parallelen zu Community-Services aus „New Economy“-Zeiten wären nicht rein zufällig. Was macht ein Social Network im Grunde genommen heute spannend? Primär ist es das in den Fokus stellen eines Users. Das je nach User-Profilvariabilität (kann der User sein Profil nicht nur funktional, sondern auch designtechnisch anpassen?), den Drang zu digitalen Selbstdarstellung mal stärker mal etwas schwächer fördert. Und wesentlich zum Erhalt eines SNs beiträgt. Das Schmieröl ist jedoch nicht das Profil per se, sondern die Surfability der Userprofile (wie leicht oder wie schwer kann ein User von Profil zu Profil surfen) wie auch die Userkommunikation untereinander (gibt es Foren, Blogs, Chats, twitteresque Ansätze, internes Mailing, wie leicht oder wie schwer fällt dabei das Kommunizieren aus? Regen Bildergallerien zum Kontakten und Austauschen an?). Neben dem Verwalten von bestehenden Kontakten im Sinne eines Ersatzadressbuchs und dem Kennenlernen von Mitmenschen per se.

Es geht demnach um das Produkt, um die eigentliche und echte Substanz. Wie gut erfüllt es gesamtheitlich die sozialen Bedürfnisse der User? Daher auch der Name „Social Network“. Es geht im Kern um eine Softwarelösung, die soziale Verhaltensweisen digital über Verbindungsnetze von Menschen explizit abzubilden versucht. Wir können uns denken, dass die heutigen Lösungen weitestgehend sehr frühe Lösungen sind und damit einem hohen Imperfektionsgrad unterliegen. Ihr Merkmal: Sie sind hochkomplexe Abbildungen des Socializings der Menschen, was eine extrem weiche Geschichte ist. Was tun Menschen bei komplexen Problemstellungen? Sie kommen nur sehr langsam voran. Was viel Raum nach oben für Produktverbesserungen zulässt. So gesehen muss es nicht einmal ansatzweise verwundern, dass die allermeisten Anbieter größte Schwierigkeiten haben, ihren Service zu monetarisieren. Sie verstehen ihr eigenes, im Grunde genommen irrationales Produkt nicht, niemand tut sich damit wirklich leicht, wenn wir von Social Networks reden (auch wenn Xing so tut als ob…). Wenn man ein Produkt nicht verstehen kann, wird man ergo auch keine Werte ansetzen können. Unklar? Im Gegensatz zu auf sehr konkreten, singulären Bedürfnissen spitz zugeschnittenen Produkten wie etwa Single-Börsen warten Social Networks idR mit einer sehr breiten Bedürfnisabdeckung auf und verwässern sich damit selbst ihr eigenes Produkt.

Und wie bei einem Spiel kühlt der Bezug zum Produkt unweigerlich ab. Gäbe es keinen Wettbewerb in einer Branche, würden alle Anbieter an ihren Produkten nicht mehr herumfeilen müssen. So würden wir wohl noch heute mit Wählscheibentelefonen und VW Käfern zu tun haben. Nur, Wettbewerb gibt es zu Genüge. Betrachtet man es auf diese Weise, kann man nur Vermutungen anstellen, dass auf diesem Sektor, in dem sich WKW tummelt, noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten ist, bis man es wie ein Auto als sicher, bequem, ergonomisch, nützlich und schließlich für unersetzlich erachten kann. Diese Situation wird neuen Anbietern noch viele Chancen bieten und bis dato führenden Anbietern größte Kopfzerbrechen bereiten, wenn man nicht flexibel und wach genug bleibt. Bis wir überhaupt Social Networks der zweiten Generation sehen werden, wird alles davon abhängen, dass man die Bedürfnisse der Kunden wesentlich spitzer bedienen kann und damit die Grundlagen für eine weitaus konkretere Werteeinschätzung schafft, um letztlich daraus Einnahmen generieren kann. Einnahmen, die man dringend benötigt, um eine echte Substanz auf Dauer zu schaffen, um Gelder wieder reinvestieren zu können, sonst geht das sich langsam aufbauende Know How flöten.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

20 Kommentare

  • Hallo Robert, ich habe gerade die Goggle News durchforstet und bin danach auf dein Blog gekommen. Leider muss ich feststellen das das hier eine kurze Zusammenfassung ist von dem was woanders interessanter und ausführlicher berichtet wird. Klar wird hier deine eigene Meinung widergespiegelt, jedoch muss ic sagen das ich das schon aus der DDR kenne, sprich zensierte Nachrichten.
    Wünschenswert wären Links und Beriche zu Thematiken die nicht in jeder Zeitung stehen.
    Vergessen wird seit neustem hier die Bloggszene. Irgendwelche studivz und Twitter Statistiken nerven mich.
    Klar ist das dein Blog und du kannst machen was du willst, was du auch sicherlich weiterhin ungehindert tun wirst. Jedoch finde ich es so schade, da ich die linken Spreeblicks nicht lese, wirres zeug ätzend finde und dein Blog eben ein 24 std renner ist (war). Vielleicht kannst du mich auf einem Blog verweisen, der mal wie deiner war??!!

  • Was ich dabei immer nicht so ganz verstehe ist, weshalb diese großen Social Communities über mangelnde Werbeeinnahmen klagen können bei so viel Traffic. Bei mehreren Millionen PI im Monat und der riesigen Menge an Usern sind die Werbeeinnahmen ja auch entsprechend groß oder seh ich das falsch?

  • Gut gesagt, einer der positivsten Aspekte von Facebook ist wieviel das Team ausprobiert. Die dt. Networks scheinen ihre Kreativität und ihren Mut beim Pro7/RTL/Holtzbrinck Pförtner abgegeben zu haben.

  • ich kenne leute die sich nur wegen wkw einen laptop gekauft haben, ansonsten können die nicht mal ne email versenden.

    wkw sollte einfach einfach bleiben und die user nicht überfordern, sonst ist tante klara und onkel karl wieder wech !

    was ich mir wünsche wäre ne webcam funktion.

    horst

  • @Holger, das reicht anscheinend nicht, für Personalkosten und andere Kostenblöcke aufzukommen…

    @Bloggerin, schnitz Dir am besten ein eigenes Blog, wenn Du spezielle Wünsche hast, die ich so nicht kenn

  • Man könnte die Kosten massiv minimieren, wenn die mal endlich in ne vernünftige Performance investieren würden. So lahm, wie WKW öfter schon mal ist und so riesig deren Quelltexte (ohne Caching/ohne Gzip) ausgeliefert werden ist doch klar, dass die mit dem Geld vorne und hinten nicht hinkommen.

    Ausserdem gibt es genug Mittel, um Geld im Netz zu verdienen. Muss ja nicht direkt der Layer sein, auch wenn ich persönlich natürlich dafür wäre. *gg*

  • sehr interessante und meiner meinung nach richtige gedankengänge, weiter so! denke auch, dass sich die großen SN-Hirsche in Zukunft wärmer anzeiehen müssen, denn es wird eine zweite und dritte Welle geben.

  • Lieber Robert, wenn ich selber schreibe brauche ich nicht lesen, oder? Du hast die Kritik sehr schön umschrieben, aber leider nicht kappiert! Ich finde toll das du deine Zeit investierst um zu bloggen, doch schade News zusammen zu schnitzen!

  • @Holger: Der Werbemarkt braucht aber auch seine Zeit um seine Budgets von Redationssite A auf SNW B zu verlagern.

    Jahresbudgets werden Unterjährig nicht neu vergeben. 😉 Und die SNW wachsen so schnell, das eine Jahresplanung aus dem Herbst 2007 im Weihnachtsgeschäft 08 unterdimensioniert ist für das SNW.

  • Hallo,
    also ein überschaubares Angebot mit einem einfachen Bedienkonzept ist sicher sehr gut. Allerdings wäre es mir auf Dauer einfach zu langweilig immer in diesem eingezäunten Sandkasten zu spielen.
    Gerade die neue Offenheit von Facebook fasziniert mich sehr.

  • @bloggerin überhaupt kein Problem. Sag einfach wieviel bist Du bereit monatlich zu investieren für eine persönliche Berichterstattung und ich bin mir sicher, Du wirst für einen passenden Preis genau ein Blog nach Deiner Vorstellung finden.

  • @Mitläufer ..ähm 14
    ich will keine Berichterstattung. Du hast die Promblematik verfehlt.

    Rob, ja weil es dein Blog ist der deine persönlichen Interessen wiederspiegelt. Deshalb kannst du nicht drauf eingehen. Es ist meine Ansicht deines Bloges, wo ich finde das meiner individuellen Wissensbegierde nicht mehr stillt. Es ist also nur eine Ansicht meinerseits. Und ich werde weiter suchen, aber deinen Blog trotzdem überfliegen.

  • @Der Postillon: So wird es jedenfalls immer empfohlen…

    Zum Thema: Einfachheit hat etwas für sich. Ich denke, es ist auch eine Frage der Differenzierung am Markt. Bestimmte Zielgruppen wollen / brauchen diese Einfachheit.

    Das hat nicht allein mit den Fähigkeiten der Nutzer zu tun – derzeit natürlich schon stark. Doch hier ist ja von einer Entwicklung auszugehen.

    Man kann sich andere Bereiche anschauen. Nehmen wir zum Beispiel Handys. Es verzichten nicht nur diejenigen auf Smartphones mit riesigem Funktionsumfang, weil sie mit der Bedienung überfordert wären. Es soll auch Menschen geben, die viele Funktionen gar nicht nutzen wollen, obwohl sie es könnten.

    Eine Bevorzugung von Einfachheit / weniger Komplexität lassen sich in vielen Bereichen finden.

    Kurz: Die Bedürfnisse der Nutzer sind sehr verschieden, mehr Funktionen und Möglichkeiten sind nicht das, was alle wollen.