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Vom Aussterben bedroht: Wo sind all die Trackbacks hin?

blogcharts

Die Deutschen Blogcharts bluten aus. Ich nehme die Hierarchie der meistverlinken Blogs in Deutschland hier nicht als Aufhänger, um über die Länge primärer männlicher Geschlechtsorgane zu diskutieren. Es geht nach wie vor um das Phänomen, dass genreunabhängig immer weniger Blogs auf andere verlinken. Nehmen wir das Beispiel Basic Thinking: der Herbst 2007 war die Hochzeit der Trackbacks, zeitweilig verlinkten 2.200 andere Blogs auf Roberts Posts. Von da an schwächelt es in der Statistik, einen Ausreißer nach oben gab es erst wieder zur Zeit der Auktion. Beunruhigt uns das alles? Nein. Mit 323.000 einzelnen Besuchern im Oktober 2009 ist Basic Thinking in Sachen Zugriffszahlen auf bestem Kurs (vor der Auktion, im Dezember 2008, wurden 185.000 Unique User gezählt). Dennoch ist es wert, sich die Entwicklung einmal genauer anzuschauen; immerhin scheint das einige Blogger ja so zu irritieren, dass sie auf Linkbaits zurückgreifen und im Rahmen kleiner Aktionen mit dem Link-Klingelbeutel durch die Blogosphäre streifen.

Das Social Web wächst rasant

Wir hatten bereits festgestellt, dass Twitter und Co. eine ganze Menge mit der sinkenden Trackback-Quote zu tun haben. Nutzer lesen zwar noch immer Postings, vielleicht sogar häufiger, doch sie berichten darüber nicht mehr in ihren eigenen Blogs, sondern verteilen Links zu lesenwerter Lektüre lieber direkt über Twitter – das geht schneller und macht weniger Arbeit. Was wir nicht wussten, war, wie weit diese Entwicklung tatsächlich schon fortgeschritten ist.


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PostRank hat gestern Abend eine Analyse veröffentlicht, in der über einen Zeitraum von drei Jahren unter anderem die amerikanische Blog-Szene beobachtet wurde. Die gute Nachricht ist: Immer mehr Menschen nehmen am Social Web teil und bringen sich ein. Im Schnitt wächst die Menge derer, die kommentieren, chatten oder „Gefällt mir“-Buttons anklicken, um 30 Prozent pro Jahr. Und hier der Dämpfer: diese Interaktion geschieht immer weniger auf den Blogs selber. Gelesen werden die Postings zwar noch „On-Site“, doch der Austausch darüber findet woanders, nämlich „Off-Site“ statt. Seit 2007 hat das Engagement auf den Blogs um 50 Prozent abgenommen, die sozialen Netzwerke profitieren hingegen massiv von dem neuen Trend (siehe Diagramm oben).

Mehr Chats – weniger Posts

PostRank bezeichnet die Interaktion, also die Art, wie sich Nutzer mit Inhalten beschäftigen, als „Engagement“. In der Analyse werden fünf Formen des Engagements unterschieden: Create (eigenen Blogpost zum Thema verfassen), Critiquing (einen Kommentar hinterlassen), Chatting, Collecting (Bookmark in einem Social Network setzen) und Clicking (eine Seite aufrufen). Wie ihr seht, gibt es deutliche Abstufungen zwischen den einzelnen Interaktionsformen.

Die Chance für Trackbacks ist beim Verfassen eigener Blogposts naturgemäß am höchsten, jedoch ist gerade diese Kategorie „Create“ seit 2007 massiv eingebrochen. Von 19 auf 3 Prozent! Genau in dieser Entwicklung liegen die Back-Links begraben. Im Gegenzug konnte die Kategorie Chatting von 1 auf satte 29 Prozent zulegen. Ein ständig wachsendes Publikum unterhält sich immer häufiger auf Plattformen wie Twitter, Facebook, StudiVZ oder Friendfeed – auch über Blogposts.

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Im Schlepptau dieser Entwicklung hat sich ein weiteres Phänomen herauskristallisiert. Obwohl wir heute in einem „Echtzeit“-Netz leben, hat sich die Lebenszeit eines Blog-Posts in den vergangenen zwei Jahren merklich erhöht. 2007 fanden 94 Prozent jeglicher Interaktionen im Zusammenhang mit einem Artikel innerhalb der ersten Stunde nach Veröffentlichung statt. Danach war Sense und der Post verschwand in der Versenkung. Heute – dank des größeren und über mehrere Plattformen hinweg verteilten Publikums – hat sich die Halbwertszeit von Postings stark verlängert. Nur noch 64 Prozent aller Kommentare etc. werden in der ersten Stunde abgegeben. Der Rest tröpfelt im Laufe des Tages und an den Folgetage nach, der Longtail wächst.

Eine sehr spannende Studie, wie ich finde. Sie zeigt ein wenig auf, wo sich Blogger heute genau im Social Web befinden, und wie organisch sich die Art des Traffics und Feedbacks verändern kann. Muss man davor Angst haben? Nein. Doch man muss damit umgehen lernen. Angesichts der oben genannten Zahlen ergeben sich für mich zwei Schlüsse, die Blogger für sich ziehen sollten.

Fazit Nummer 1:

Zum einen ist es nun erste Bürgerpflicht, neben „WordPress“ auch andere komische Fremdwörter wie „Tweet“, „Stupser“, „Pinnwand“ und „Twitpic“ zu lernen. Der Boom der Social Networks lässt sich nicht mehr aufhalten und statt dagegen anzukämpfen, sollte man einsehen, dass es besser ist, davon zu profitieren. Das solllte schon aus dem Grund geschehen, weil sich Diskussionen über eigene Postings so besser rekonstruieren lassen. Auf dem Blog kommentieren vielleicht vier Nutzer, bei Twitter drei und auf Facebook noch einmal vier.

Übrigens haben wir diesen Schritt ja schon getan: Noch ist Twitter (nach den Suchmaschinen) Traffic-Lieferant Nummer eins, doch die Besucher, die über die Facebook-Seite von Basic Thinking kommen, werden immer mehr.

Fazit Nummer 2:

Darüber hinaus müssen neue Maßstäbe für die Bewertung der Popularität von Blogs her. „Erst wenn der letzte Trackback gesetzt…“ – so kann es auf die Dauer wohl nicht weitergehen. Ich möchte es jedenfalls verhindert wissen, damit künftig nicht auch Blogs in die PI-Falle laufen müssen. Dann kommt nämlich auch in der Blogosphäre das in Mode, was die Zeitungen schon längst auf nervigste Weise perfektioniert haben: Klick-dich-durch-Galerien und – noch nerviger – auf zig Unterseiten aufgebrochene Artikel. Also, irgendwelche Ideen für einen gescheiten Buzz-Messer?

(André Vatter)

Über den Autor

André Vatter

André Vatter ist Journalist, Blogger und Social Median aus Hamburg. Er hat von 2009 bis 2010 über 1.000 Artikel für BASIC thinking geschrieben.

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