Ob sich das Sprichwort bewahrheitet und wirklich alles gut wird, was lange währt, wird sich in etwa vier Monaten zeigen. Dann nämlich wird den Angaben der „Wirtschaftswoche“ zufolge die Deutsche Post ihren Kunden ihre Version der De-Mail anbieten: den sogenannten „Online-Brief“ beziehungsweise „Brief im Internet“. Hierbei handelt es sich um ein Zusatzangebot der Post zum normalen Brief, der quasi ins Internet übertragen wird.
Anders als bei der E-Mail soll es sich beim Online-Brief aber um ein rechtsverbindliches Dokument handeln. Das gute Stück soll etwa 20 Cent kosten (was ein Unternehmenssprecher mir gegenüber aber nicht bestätigen wollte) und sich an alle Kunden richten. Zu vermuten ist aber, dass es vor allem größeren Unternehmen als Alternative zur Snail-Mail schmackhaft gemacht werden soll, die beispielsweise durch Rechnungs- oder Werbeversand ein hohes Briefaufkommen haben.
Klingt zunächst einmal nicht schlecht, die Vorteile liegen vermeintlich klar auf der Hand: der Brief im Internet ist schneller als sein klassisches Pendant, im Gegensatz zur E-Mail erfährt der Empfänger des Briefs den Klar-Namen des Absenders, Letzterer kann anhand einer Bestätigung überprüfen, ob der Online-Brief tatsächlich angekommen ist, ab einem bestimmten, pro Monat verschickten Briefvolumen ist sie zudem günstiger als diese – und sicher scheint sie auch zu sein. Laut Pressesprecher wird nämlich ein spezieller Verschlüsselungscode eingesetzt, mit dem der Versender den Inhalt schützen kann.
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Ganz so rosig sieht das alles bei näherer Betrachung dann aber doch nicht aus. Dies beginnt schon beim Preis, bei dem sich die Deutsche Post mit ihrem Online-Brief im oberen Bereich dessen bewegt, was national und international möglich ist. In Dänemark zahlt man für den Brief beispielsweise nur 8 Cent, hierzulande spricht die Konkurrenz – die zusammen mit der Telekom seit Oktober 2009 das De-Mail-Pilotprojekt in Friedrichshafen betrieben hat – von Beträgen unter 15 Cent, möglicherweise sogar von „einstelligen“ Cent-Beträgen.
Ein weiterer Punkt, der viele User stärker als der hohe Preis abschrecken dürfte, ist den Datenschutz. Dabei geht es weniger um die Angst vor Datenklau, dem laut Pressesprecher durch Verschlüsselung der Garaus gemacht werden soll (inwiefern dies aber faktisch tatsächlich möglich ist, steht auf einem anderen Blatt). Es geht vielmehr darum, dass der „Große Bruder“ in Form des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) möglicherweise Zugang zum Inhalt der Online-Briefe (und der De-Mails) erhält und ihre Verfasser ermitteln kann, obwohl dies von Seiten des Unternehmenssprechers dementiert wurde.
Die technische Grundlage für die Online-Briefe stellt nämlich das Bürgerportal (Bürgerportalgesetz, PDF) dar. Hierbei handelt es sich um eine elektronische Kommunikationsplattform im Internet, die den sicheren Online-Brief-Verkehr gewährleisten soll. Jeder seiner User muss sich nicht nur anmelden, sondern sich zusätzlich per Personalausweis eindeutig indentifizieren. Welche Optionen sich nun denjenigen offenbaren, die Zugang zum System haben, kann sich bestimmt jeder selbst ausmalen. Und jetzt ratet mal, wer für die Überwachung der Einhaltung der Sicherheitsstandards auf der Plattform zuständig ist – genau: das BSI. Unter dem Vorwand, einen Verstoß gegen die Standards untersuchen zu müssen, lässt sich doch das Fernmeldegeheimnis noch zügiger und geschmeidiger umgehen, als auch sonst schon.
Ich weiß nicht, ob ich mittlerweile schon etwas unter Verfolgungswahn leide und überall nur noch Agenten sitzen sehe, die aus welchen Gründen auch immer hinter meinen Daten her sind. Aber sowohl die Verquickung der Online-Briefe und De-Mails mit dem BSI als auch die von Google und der NSA zeigen mir einen Trend auf, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Und wie geht es euch damit. Jemand unter euch, der trotz des happigen Preises und der von mir geäußerten Bedenken Briefe im Internet nutzen wird?
(Marek Hoffmann)