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Basic Flashback: Der berechtigte Hype um Foursquare und Co.

In den Staaten scheint man Social Media etwas aufgeschlossener gegenüber zu stehen. Das dürfte erklären, warum ein kleines Startup mit Millionen überhäuft wird, das hierzulande bislang nur ein paar Nerds wirklich nutzen: Foursquare. Ich gehöre zu den paar Nerds und checke mit Foursquare ab und zu in eine meiner Lieblingskneipen ein. Warum? Primär, um meine Freunde zu übertrumpfen, die ebenfalls Foursquare nutzen. Wer am häufigsten in einer Lokalität eincheckt, darf sich „Mayor“ nennen – und ist damit im nerdigen Freundeskreis eben der Coolste.

Mehr aber auch nicht, denn für meine Mayorships kann ich mir nichts kaufen. Ich muss zwar nichts für Foursquare zahlen, bekomme aber auch nichts dafür. Bis auf ein paar Punkte und Trophäen (Badges), die mir – in harter Währung gemessen – auch nichts bringen. Kneipiers, denen ich von Foursquare erzähle, reagieren meist belustigt: „Watt hässo da? Ne Ei-Phone? Dat is doch dat mit dene bunte Bildsche, wo bei de andere Händys de Taste sinn.“

Es ist eine Spielerei, mehr nicht – und verglichen mit Social Games wie Farmville nicht einmal eine besonders unterhaltsame. Und doch muss ich mittlerweile zugeben, dass es das nächste große Ding werden könnte. Es ist wie so oft in der US-Gründerszene: man investiert in das Potenzial. Und das ist durchaus da.

  • Erste Lokalitäten spendieren den Mayors des Monats Preise. Das wäre im Umkehrschluss die perfekte Möglichkeit für eine Lokalität, neue Kunden anzulocken und die Zahl der Besuche bisheriger Kunden zu erhöhen.
  • Warum nur in Lokalitäten einchecken, warum nicht auch in Social Games („Farmville“), in Websites, auf Flugverbindungen oder bei der Arbeit? Kaum etwas, das man nicht besuchen könnte, ob in der Realität oder virtuell.
  • Statt bisher wertloser Trophäen könnte Foursquare in Kooperation mit Werbepartnern echte Boni verschenken, etwa für 20 Checkins bei einer Warenhauskette oder 25 Checkins insgesamt. Darauf wird das bislang noch nicht vorhandene Geschäftsmodell wohl hinaus laufen.
  • Neue Freunde treffen oder chatten mit Leuten, die ebenfalls am gleichen Ort oder der gleichen Dienstleistung eingecheckt haben, wäre ein witziges Zusatzfeature.

Das meiste davon bekommt man bei Foursquare derzeit allerdings noch nicht. Und das ist für eine Unternehmensgründung bemerkenswert: Das Geschäftsmodell steht noch gar nicht fest, der Kundennutzen auch nicht. Beides kommt erst nach und nach, Ideen werden vielfach sogar von Journalisten eingebracht, die sich fragen, was den Foursquare-Hype ausmacht. Und doch ist das kein Hindernis für Geldgeber, kräftig zu investieren. In einer ersten Finanzierungsrunde sammelte Foursquare 1,35 Millionen US-Dollar Risikokapital ein. In der zweiten Runde Ende Juni 20 Millionen. Letzteres unter anderem von Andreessen Horowitz, dem Gründerfonds von Ex-Netscape-Chef Marc Andreessen und Opsware-Mitgründer Ben Horowitz.

Jeder Handybesitzer ist ein potenzieller, nicht zahlender Kunde

Horowitz begründet die Investition in seinem Blog und hält große Stücke auf den „visionären“ Foursquare-Chef Dennis Crowley, das Produkt und die Marktchancen. Hier wird ein großer Unterschied zwischen englisch- und deutschsprachigen Startups deutlich. Der US-Investor sieht eher den globalen Markt:

At a macro level, over 4.6B people have mobile phones and there are 1.7B people on the Internet. Already, over 200M people worldwide have smart phones and that number is headed north fast.

Grob zusammengefasst: Jeder Handynutzer weltweit kommt als potenzieller Kunde in Frage. Dass alleine dadurch für einen kostenlosen Dienst kein Geld auf das Konto kommt, ist erst einmal Nebensache. Dass die Konkurrenz hart ist, weiß Horowitz auch. Es gibt mit Gowalla und Brightkite zwei sehr ähnliche Checkin-Dienste, und mit Yelp und Qype zwei Apps, um Lokalitäten zu bewerten, in denen man sich gerade aufhält – was mit Foursquare noch nicht möglich ist. All das macht den Investoren keine Angst. Und das muss es auch nicht, denn vom gefürchteten Nebenbuhler Facebook kommt keine Konkurrenz, sondern ein Hilfsangebot. Wie Martin Weigert von Netzwertig am Mittwoch schrieb, soll Facebook schon in Bälde seine Schnittstelle „Places“ veröffentlichen. Und die bietet Foursquare und Co. Zugriff auf Kernfunktionen des 500 Millionen „Freunde“ starken Netzwerks.

Dann mag die Konkurrenz so groß sein, wie sie will: Solange Facebook keinen eigenen Eincheckdienst ins Rennen schickt – und danach sieht es im Moment nicht aus – ist der Markt groß genug für alle Beteiligten. Wie Dan Frommer vom Business Insider schreibt, hatte Facebook Foursquare in einem ersten Übernahmeangebot rund 120 Millionen US-Dollar in bar und Aktien geboten. Foursquare wollte 150 Millionen und fing sich damit erst einmal einen Korb ein. Aber die letzte Offerte wird das bestimmt noch nicht gewesen sein. Auch Yahoo soll interessiert sein.

Mit Facebook-API zu ungeahnten Möglichkeiten

Ist der Hype berechtigt? Ich glaube ja. Mit der Integration in Facebook hätten die Locationdienste die Basis für zahlreiche neue Funktionen, die weit über das bisher eher langweilige Einchecken hinausgehen. Dann ließen sich auch ortsbezogene Werbeangebote zuschneidern, die wohl wichtigste Einnahmequelle. Kombiniert mit eben Preisen und Social Games könnte auch endlich die Masse der Nutzer angelockt werden, die zunehmend vom Handy aufs Smartphone umsteigt. Derzeitige technische Schwierigkeiten wie Ungenauigkeiten der Standortbestimmung würden dann nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Bisher setzt keiner der genannten Dienste auf eine „Überwachung“ der Nutzer. Man checkt nur dann ein, wenn man will, und offenbart damit seinen Aufenthaltsort nicht zwangsweise.

Foursquare-Chef Crowley könnte es mit dem Verkaufer ähnlich wenig eilig haben wie seinerzeit Facebook-Chef Mark Zuckerberg. „Facebook und Twitter ist das, was wir sein wollen“, sagte Crowley Ende Juli dem Techblogger Om Malik. „Wir wollen einer der drei Big Player im Social Internet werden und wir werden es versuchen.“

Für eine Idee, für die ihn vermutlich jeder deutsche Banker höflich vor die Tür gesetzt hätte.

(Jürgen Vielmeier, Screenshot: Foursquare)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

25 Kommentare

  • dito.
    Nicht das es etwas nützen würde, ohne Smartphone – was übrigens ebenfalls in Deutschland meiner Meinung nach noch nicht so weit verbreitet ist, als dass es sich (schon) lohnen würde über Aktionen nachzudenken.

  • Obwohl Foursquare ja die Interaktion mit Freunden und Bekannten fördern soll, indem auch eine Art interner Wettstreit ausgetragen werden kann, gibt es doch einen Punkt, der die Kontaktfähigkeit dann wieder beeinträchtigt:

    Wenn man da manuell einchecken muss, heißt das doch sicher auch, dass man jedesmal sein Smartphone aus der Tasche zücken muss, um die App zu starten und dann einzuchecken, oder?

    Ich meine, dieser Vorgang wird sicher nicht lange dauern, aber das Ganze dann an sozialen Treffpunkten zu machen, wo man sich eigentlich mit Freunden unterhalten will/sollte…??!

    Damit wird doch nur mehr diese schreckliche Entwicklung gefördert, dass Menschen beim Essen und beim Quatschen immer öfter auf ihr Phone schauen und ihrem Gegenüber immer weniger Aufmerksamkeit schenken.

    Irgendwann will man sich abends mit seinem Kumpel auf n Bier treffen und seine neueste Geschichte loswerden, kommt aber gar nicht dazu, weil das Gegenüber „nur mal schnell“ bei Foursquare einchecken muss, bei Facebook noch ne Freundin benachrichtigen will, bei Twitter noch nen Tweet absetzen muss und bei Amazon noch schnell n Buch bestellen will…

    Wäre die Lösung, bzw. Verbesserung im Falle von Foursquare ein automatisches Einchecken anhand der Lokalisierungsdaten? Das wäre dann aber datenschutzrechtlich wieder interessant. So ganz getraue ich mir Google Latitude auf meinem Android Phone auch noch nicht zu aktivieren.

    Was denkt ihr dazu?

  • Wirklich neues hab ich nicht erfahren….is ja aber auch nicht schlimm…gut zusammengefasst jedenfalls, was ich mir so auch schon irgendwie gedacht habe…und nach einer Weile der Nutzung hab ich mich eben wegen der momentan noch totalen Sinnfreiheit des Services wieder abgemeldet. Ich habe keinen (wenigstens) informativen Mehrwert, wenn ich Foursquare nutze… Von daher würde es wahrscheinlich wirklich mehr Sinn machen, wenn die Leute von Foursquare erstmal wissen würden, was sie mit ihrem Service anfangen wollen… Sprich: So’n vermittelbares Konzept wäre schon nicht schlecht.

  • So wie ich es verstehe bietet der Dienst keine Vorteile und einige ‚Nachteile’… Das lässt meinen frommen Wunsch nach einem erneuten Platzen der Dotcomblase wachsen. Aber wahrscheinlich bin ich zu ‚un-nerdig’…

  • Klingt für mich nach einem „Ätsch, ich bin diese Woche wieder in meiner Stammkneipe.“
    Und Mayor wird, wer eben die meiste Zeit hat, da abzuhängen.

    Ich weiß nicht, ob das nun wirklich etwas fördert.

    Klar, das Potential ist da. Wenn man jedes Mal einchecken soll, wenn man in einer bestimmten Kneipe sitzt oder bei einer bestimmten Warenhauskette einkauft, ergibt sich sicher ein gigantisches Profil, mit dem man Werbung schneidern kann.

    Aber der „Wettbewerb“, der das alles offenbar antreibt, sieht für mich nutzlos aus. Ich werd sicher nicht öfters Zeit haben, nur weil es jetzt Preise dafür gibt.

  • Foursquare ist ne feine Sache, vor allem dann wenn sich mehrere Freunde damit beschäftigen. Dein Kumpel checkt sich grad in die Kneipe nebenan ein? Dann gehe ich doch glatt mal hin.
    Zu den Trophäen:
    Friendticker bietet Items, die mehr oder weniger in bare Münze umgewandelt werden können. Sei es Prozente auf ne Sonnenbrille wenn man x-mal bei einem teilnehmenden Optiker eingecheckt hat oder ein Freigetränk in teilnehmenden Bars.
    Hier sehe ich einen absoluten Mehrwert.

  • ich will auch 120 mio für so ne idee geboten bekommen. sollte mir mal was sinnloses überlegen und mir wen suchen, der mir hilft, das umzusetzen.

  • ob’s auch ein Erfolg in Deutschland wird, bleibt abzuwarten. Bisher scheint’s keine richtige Marketingkampagne zu geben, die das Prinzip bei Lokalitäten bekanntmacht, so dass auch Vorteil für die Nutzer dabei herausspringen.

  • geil, würd ich auch machen. Doch die Deutschen sind doch meißt etwas laaaaaaaaaaahm…
    Habs aber noch nie benutzt und warte bis der erste Freund zu mir kommt und meint damit angeben zu müssen 😉

  • Wär mir glaube ich zu doof immer mein Handy rauszuholen und einzuchecken. Dann kann ich’s ja gleich per SMS Twittern und ein Statusupdate an Facebook mailen. Am besten direkt mit einem Link der Lokalität mit Bild an Flickr und einer Benotung über Quipe, bevor ich kurz eine neue bessere Route dorthin in der OpenMap eingebe.
    … Und schwupps sind meine Freunde bereits weg essen bevor ich überhaupt damit fertig bin.

    …Ich persönlich finde, irgendwann reichts auch mal. Das mit den Prämien fände ich zwar ganz cool, wogegen ich dem „automatischem Einchecken“ sehr skeptisch gegenüber stehen würde….

    Ob das ganze Web-Ding bei den Besitzern gut ankommt. Glaube weniger. Einige die im Web schon dabei sind werden sicher aufspringen. Jedoch verstehen viele ncht einmal das die jeweilige Internetseite mit eine der wichtigsten Visitenkarte ist… Es fehlt hierzulande aus der Sicht mMn einfach das Verständniss für „das neue Web“.

    lg

  • Bin nun auch angemeldet – und kann somit unser Baseball-Team pushen – eingechecked – bei Facebook gepostet, schön vertagged und vielleicht findet uns ja jemand… aber sonst gibt es bisher noch nicht soviel nutzen… aber – ich warte einfach ab…

  • Foursquare Checkins mit Google Kalender verfolgen…

    Ja, ich geb’s zu: Mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste! Welche Farbe die Socken haben, in die ich heute Morgen geschlüpft bin könnte ich jetzt schon nicht mehr sagen. Und wann das jetzt nochmal genau war, als wir neulich in Stu…

  • „Wenn meine Freund in eine Kneipe “einchecken” rufen sie mich kurz an und wir treffen uns.“

    Aber echt.
    Bin ich froh raus aus der Phase zu sein, wo man hipp oder cool sein musste. Obwohl, da war ich eigentlich nie drin…

  • Das größte Hindernis ist, dass die Wenigsten ein mobiles Telefon besitzen, auf dem diese Anwendungen laufen. Nur mal als Beispiel, wir haben in der Arbeit einen Altersschnitt von Mitte 20, also genau die Zielgruppe. Trotzdem nutzen von über 40 Mitarbeitern nur 3 ein iPhone. Alle anderen greifen aus Kostengründen auch bei Neuverträgen auf Nokia, Samsung und Co. zurück.
    Das zweite Problem wurde hier schon angesprochen. Der Nutzer muss sich überall manuell anmelden. Ich persönlich werte es auch als Desinteresse, wenn mein Gesprächspartner nebenbei auf sein Telefon schaut. Leider werden diese Dienste auch oft zum Selbstmarketing genutzt. Ich kenne einige Leute, die in jeder Lokalität einchecken, welche in der Nähe ist, nur um in der Rangliste ganz oben zu stehen. Besser wäre es, wenn ein Checkin erst nach einer gewissen Aufenthaltsdauer automatisch möglich ist oder wenn dort eine Dienstleistung in Anspruch genommen wurde. Zum Beispiel gibt ein Restaurant den Checkin erst mit der Bestellung eines Getränks frei. Denn sonst werden die User weiter nur im Vorbeilaufen einchecken.

  • Generell eine nette Sache, aber wie bereits einige Male erwähnt, wer kein (a) internetfähiges Handy und (b) keine Flat für dieses hat, schaut in die Röhre.
    Man ist halt fest an seinen Standort gebunden, wenn man es wie ich nach den Wochenend-Events updaten wöllte.

  • In Antwort auf einige Kommentare:

    1. Man braucht kein Internetfähiges Handy. Ich hab keins, aber ich nutze Foursquare. Dank http://mobile.foursquare.com kann man sich auch ohne Handy einchecken.

    2. Man kann auch zeitverzögert einchecken, um den sozialen Event nicht mit Handy-zücken zu stören.

    3. Durch zeitverzögertes Einchecken ist auch der Einwand mit dem „beklaut mich, ich bin grad nicht zuhaus“ widerlegt, der letzten Monat quer durchs Internet gehypet wurde.

    4. Hipp und cool muß man nicht sein, und wird es auch nicht durch Foursquare. Die Foursquare-Nutzer die ich bisher kenne, nutzen es nicht nur um ihre Lieblingslocations zu unterstützen, sondern auch um neue Locations zu erforschen.

    5. 120 Mio US-$ mag viel erscheinen, aber bei einer Community von 2 Mio Usern mit 15k Neuanmeldungen pro Tag, is das schon ok. ( http://techcrunch.com/2010/07/07/foursquare-gowalla-stats/ )

    6. Wer sagt: „Das hätt ich auch gekonnt“, sollte besser seine Koffer packen, in die USA fliegen, und es _tun_. Und dann sagen „Das konnte ich auch.“

  • Location Based Services – dies ist sicherlich interessant für die Daueronliner und facebook-nerds der Generation 25-. Aber hippe Orte werden dies nicht wollen – Türsteher bestimmen diese Welt und nicht „majors“, darüber hinaus sagt niemand wieviel Geld die in der Kneipe ausgeben.

    Da ist eine gute Verbindung möglich – aber wofür dies alles?