Technologie

Wikileaks-Hosting: Amazon beugt sich politischem Druck – und kickt Plattform raus

Amazon sorgte in der Vergangenheit immer wieder mal für Aufreger. Erinnert sei an die gelöschten negativen Bewertungen im Zusammenhang mit dem Windows 7-Vorverkauf, das Löschen von E-Books ohne Erlaubnis der Kindle-Kunden oder auch den nicht ganz astreinen Zugriff auf deren „Popular Highlights„. Jüngst kam auch noch der Vorwurf der unerlaubten Lockangebote im Zusammenhang mit dem hierzulande stattgefundenem „Cyber Monday„. Und jetzt, nur wenige Tage später, rappelt es schon wieder in der Kiste.

Grund ist dieses Mal ein Umstand, den ich zuvor noch gerne als gelungenen PR-Stunt bezeichnet hätte: das Hosting der Wikileaks-Seiten. Nachdem kurz vor der Veröffentlichung brisanter Diplomaten-Depeschen am vergangenen Sonntag ein Hacker die Whistleblower-Plattform mit einer DDOS-Attacke in die Knie gezwungen hatte, wurde bekannt, dass der Gründer Julian Assange sie nun auf Amazon-Servern beheimaten würde. Gestern war Wikileaks nun aber wieder „down“ – allerdings nicht aufgrund einer erneuten Attacke, sondern weil der Online-Versandhändler die Plattform rausgekickt hatte. Offenbar auf politischen Druck hin, wie sich herausstellte.  

Amazon hat dazu zwar keine offizielle Stellungnahme abgegeben. Viele US-Medien berichten aber übereinstimmend, dass Senator Joe Liebermann, Vorsitzender des Senatsausschusses  für Heimatschutz, den Konzern indirekt zu der Entscheidung gedrängt hat. So sollen Senatsmitglieder mit Amazon in Kontakt getreten sein und sich nach den Vereinbarungen für das Hosting erkundigt haben. Dabei wurde auch die Frage gestellt: „Gibt es Pläne, die Seite abzuklemmen?“ Hierzu muss man wissen, dass Amazon den Content der auf seinen Servern gehosteten Seiten nicht überprüft, ähnlich wie das bei YouTube der Fall ist.


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Es darf also angenommen werden, dass der Versandhändler Sorge hatte, vom Heimatschutz wegen eines möglichen juristischen Vergehens belangt zu werden und sich daher zu etwas entschloss, das seine Geschäftsbedingungen durchaus zulassen: Das Verbannen eines auf den hauseigenen Servern gehosteten Angebots, wenn es „illegalen, schädlichen oder anstößigen Content“ enthält.

Ja, und nun befindet sich Amazon – im Grunde unfreiwillig – mitten in einer Auseinandersetzung zwischen den Gegnern und den Befürwortern von Wikileaks. Während die einen (in Person von Lieberman) die Maßnahme nämlich als „richtige Entscheidung“ loben, die „den Standard für andere Unternehmen setzen sollte, die Wikileaks nutzt, um sein unrechtmäßig angeeignetes Material zu verbreiten“, halten die anderen (in Person des EFF-Mitglieds Kevin Bankston) dagegen. Die Entscheidung sei „enttäuschend“, auch wenn sie nicht gegen den ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verstößt, die unter anderem die Presse- und Meinungsfreiheit garantiert.

Das jedoch sehen viele Amerikaner anders. Und so wird es sich zeigen müssen, ob Amazon auch aus dieser Geschichte mit einem blauen Auge herauskommt oder von den Usern mal ordentlich abgestraft wird.

(Marek Hoffmann / Foto: Flickr – Fotograf: Teeejayy)

Über den Autor

Marek Hoffmann

Marek Hoffmann hat von 2009 bis 2010 über 750 Artikel für BASIC thinking geschrieben und veröffentlicht.

35 Kommentare

  • Den meisten ‚Usern‘ (sprich Buch/CD/DVD/Rasierapparat-Einkäufern) dürfte nicht einmal klar sein, was dieses ‚Amazon EC2‘ überhaupt ist.

    Also: keine Konsequenzen zu befürchten.

  • Ich finde die Entscheidung richtig. Bei allem Heldenkult um Assange so würde ich mich als internationaler Konzern niemals in solch einen Konflikt einmischen, weil da verliert man fast immer.

    Und wenn Amazon diesen Monat einen Imageschaden erlitten hat, dann wohl eher durch den Cyber Monday, weil das interessiert die Nutzer wohl mehr.

  • Gute journalistische Arbeit wäre gewesen zu überprüfen, ob Amazon diese Entscheidung unabhängig von der Anfrage getroffen hat oder nicht. Es gibt genügend gute Gründe Wikileaks nicht oder nicht mehr zu unterstützen. Deswegen ist es gut möglich, dass Amazon gar keinen Anstoß von außen gebraucht hat.
    Ich habe in letzter Zeit immer häufiger den Eindruck, dass es Artikel gibt, die man als populistischen Journalismus für das Empörungsproletariat und für das Ego des Schreibers bezeichnen kann.

  • @StephanZ: Du könntest Recht haben. Aber wie ich im Artikel erwähnt habe, gibt Amazon dazu kein offizielles Statement ab. Und so ist die ANNAHME (so steht es auch im Artikel) legitim, von keinem Zufall auszugehen, dass das Vorpreschen der Politiker und der anschließende Rauswurf so kurz aufeinander folgen.

    @EPH: Keine Anhnung. Ich frage nachher mal nach. Aber der schwedische Anbieter Bahnhof Internet AB (http://www.bahnhof.se/) tut es.

  • Für mich müßten die User oder Kunden ein deutliches Zeichen setzen um dem Unternehmen zu zeigen, woher sie ihr Geld beziehen. Bestimmt nicht von Politikern.
    Und wenn die Politik sich korrekt und offen verhalten würden, wären solche Seiten wie Wikileaks nicht notwendig !
    Ich wünsche denen (Amazon) einen Zusammenbruch der Geschäfte !

  • Wikileaks wird es kaum Stören denn sie konnten ja wohl damit Rechnen.
    Schlimmer finde ich schon die offenen Mord Drohungen gegen Assange von einigen ehemaligen Politikern.

    Aber das zeugt eindeutig von den Gefahren des zunehmenden Cloud-Computing
    Wer will denn jetzt noch Behaupten das sensible persönliche Daten oder Firmendaten dort vor jeglichem staatlichen Zugriff Geschützt sind ?
    Mit dem „unrechtmäßig angeeignetes Material “ ist ein sehr dehnbarer Begriff, zukünftig reicht vielleicht eine Patentklage aus um Firmen Cloud Daten als Beweismatrerial zu Beschlagnahmen.
    Zudem ist ja bekannt das in vielen Ländern auch in der USA mittels Geheimdienste auch Wirtschaftsspionage betrieben wird.

    Zumal in diesen Daten eigentlich nichts groß stand was nicht meist schon vorher Bekannt , in Zeitungen geschrieben oder Vermutet wurde , die Aufregung darüber eher künstlicher Natur ist.

  • „Den meisten ‘Usern’ (sprich Buch/CD/DVD/Rasierapparat-Einkäufern) dürfte nicht einmal klar sein, was dieses ‘Amazon EC2′ überhaupt ist“

    -> Der Zusammenhang würde mich auch interessieren. Amazon EC2 schaut nämlich einmal in der Woche auf meiner Webseite vorbei und saugt sich den kompletten Content in einem Rutsch runter. Das sind 8 GB Videos. Robots.txt beachtet Amazon nicht. Es gibt keinen User-Agent oder Referer. Nur an der IP kann man feststellen, dass Amazon wieder da gewesen ist. Obwohl ich jedesmals riesige IP-Ranges sperre, kann ich diese Typen nicht aufhalten, weil sie sehr raffiniert sind und die IP ständig wechseln. Keine Ahnung, was Amazon mit den Videos macht.

  • @Henning
    Check mal die Fanpage von Amazon auf Facebook, zwar kein Shitstorm aber es gibt genug Leute die unzufrieden sind.

  • „…Gestern war Wikileaks nun aber wieder “down” – allerdings nicht aufgrund einer erneuten Attacke, sondern weil der Online-Versandhändler die Plattform rausgekickt hatte…“

    Vollkommen zu Recht! – Wer will schon mit Kriminellen zu tun haben…

  • Ich glaub nich dass Amazon deshalb Trouble mit den Usern bekommt. Ich kanns verstehen. Aber ich hoffe Wikileaks veröffentlichen dann man ihren Stuff wieder. Find nämlich gut was die da machen. Mal so richtig die Obrigkeit aufmischen (^^,)

  • Zwei PR-Desaster in einer Woche. Am Ende wird das Amazon-Weihnachtsgeschäft trotzdem keinen Knick erfahren, schätze ich.

  • Zwar schade – aber es ist Amazons gutes Recht, Wikileaks nicht mehr zu hosten; aus welchen Gründen auch immer. Schließlich gibt es auch andere Anbieter und Content-Delivery-Networks.

  • Amazons Entscheidung finde ich richtig. Zum einen handelt es sich primär um einen Warenversender und nicht um eine politische Non-Profit-Organisation. Zum anderen sehe ich gerne geklärt, warum Wikileaks nur noch bestimmte Dokumente leakt, wie und nach welchen Regeln die Auswahl stattfindet und welche Interessen dabei eine Rolle spielen. Eine Organisation, die Transparenz will, muss selber transparent sein.

  • @Tim
    Wenn Wikileaks bei Amazon EC2 oder andere Cloud-Dienste nutzt, dann werden diese natürlich von Wikileaks bezahlt. Mit Non-Profit hat dies nichts zu tun, Wikileaks ist ein ganz normaler zahlender Kunde (gewesen). Diese Cloud-Dienste sind mittlerweile ein Milliarden-Business für Amazon.

    Aber es zeigt sich wiedereinmal, dass „man“ lieber versucht, den Messenger mundtot zu machen, als die Ursache des Problems anzugehen. Und damit meine ich nicht etwa den Leak.

  • Wikileaks ist doch nun nichts anderes mehr wie eine Plattform für erwerbbare geheime infos und keine community mehr für diese. ich bin über wikileaks clone sehr gespannt, kennt jemand einen?

  • @Toni
    Nun ja, so große fallen mir spontan nicht ein, allerdings ist das Web voll mit „Verschwörungstheorien“ etc.

    Was ich schade finde ist, dass man lieber versucht Leaks zu „töten“, als die Ursache des Problems zu beseitigen.

  • @kahunablogger:
    „…Aber es zeigt sich wiedereinmal, dass “man” lieber versucht, den Messenger mundtot zu machen, als die Ursache des Problems anzugehen. Und damit meine ich nicht etwa den Leak…“

    @hausfrau:
    „…Was ich schade finde ist, dass man lieber versucht Leaks zu “töten”, als die Ursache des Problems zu beseitigen…“

    Und die „…Ursache des Problems…“ wäre?

    Oder: Wie kann man weltpolitische Krisen in Zukunft noch diplomatisch entschärfen, ohne auf ein Mindestmaß an Geheimhaltung vertrauen zu können?

  • @all als kleine Notiz: Tableau Software gibt zu, Wikileaks-Daten wegen Lieberman gekickt zu haben: http://daringfireball.net/linked/2010/12/02/lieberman-censorship, Amazon streitet es ab: http://paidcontent.org/article/419-amazon-denies-dropping-wikileaks-because-of-political-pressure/

    Und Protest gegen Amazon wegen des Wikileaks-Rausschmisses formiert sich hierzulande auch schon: http://derstandard.at/1289609435467/Wikileaks-Deutsche-Linke-ruft-zum-Boykott-von-Amazon-auf

  • Glaube sie sollten mal die Katolische Kirche Fragen?
    Diese versuchten in Prinzip das Gleiche vor vielen Jahren, der Erfolg der heutigen Regierungen wird ähnlich sein der der Heiligen Inquisition.
    Aus Bücherverbrennungen werden heute Webseiten-Sperren nur um weiterhin zu behaupten das die Sonne sich um die Erde dreht , bzw die Erde sich um die USA Regierung die Unfehlbar ist wie der Papst per Gesetz!

    Was muss Assange widerrufen ? , der Scheiterhaufen glimmt schon!

  • Ich finde den Vergleich mit der Bücherverbrennung
    absolut zutreffend!

    Wer jetzt noch nicht kapiert hat, das dies der erste wirkliche
    „Krieg im Internet“ ist, der würde auch nicht spüren wenn ihm ein Bagger über die Zehen fährt!

    Was hier passiert, ist in seiner Dimension einmalig!

    Hier werden Vergehen und Verbrechen von der Aufforderung
    zum Ausspionieren von Mitgliedern der Vereinten Nationen
    bis zu authentischen Mord-Videos aus Hubschraubern veröffentlicht!
    Und was passiert?
    Die Staatsmächtigen versuchen ein Baurnopfer in Form
    von WikiLeaks (Julian Assange) zu definieren und nehmen
    zunehmend auf gar nichts mehr Rücksicht!
    Vergessen wir nicht: Diese Informationen stammen von
    Amerikanern!!! Einem Volk das zunehmend in seinem
    eigenen Land nichts mehr zu sagen hat.
    WikiLeaks macht diese unglaublichen Zustände und die
    verbrecherische Arroganz der Mächtigen nur öffentlich!
    Mich würde mal interessieren, wie oft der schwedische
    Staat und alle EU-Staaten überhaupt jemals einen
    der sexuellen Nötigung – nicht vergessen vermeintlich Verdächtigen –
    über Interpol haben suchen lassen…!
    Seit dem 11. September 2001 und der J.W. Bush-Ära wird die
    ganze Welt zunehmend mit der ausufernden Paranoia der
    USA konfrontiert und für Dumm verkauft!
    Ein Beispiel ist nur der ganze Einreise-Irsinn in die USA und
    das Erforderniss schon vor Einreise quasi ein „Darmspiegelung“
    aller Persönlicher Daten zuzulassen – von der Kreditkarten-Nr.
    bis zum Daumenabdruck! Iris-Scann ist in Arbeit!!!
    Während die USA ( aus gutem Grund!!!!) noch nicht einmal den internationalen Gerichtshof in Den Haag anerkennen, sich Guantanamo leisten und sich weltweit wie tollwütige Hunde aufführen gebärden
    sie sich zugleich als vermeintliche Weltpolizei!
    Da passen solche Veröffentlichungen die die Wahre Natur
    der Politik der USA und ihre Geringschätzung ihrer vermeintlich
    Verbündeten und des Restes der Welt offenbaren natürlich mehr als schlecht!
    Ich glaube an Barac Obama und sehe wohl, dass er diesen ganzen
    Müll im wesentlichen geerbt hat.
    Dennoch darf man nicht unterschätzen was hier passiert,
    sonst haben wir hier demnächst chinesische Verhältnisse
    in Europa!
    Während ich das schreibe lese ich gerade, das man nun auch in Frankreich WikiLeak von Servern verbannen will!!!
    Hier geht es um weit mehr als nur WikiLeak!
    Hier geht es um die staatliche Kontrolle der Meinungsfreiheit
    und Informationsfreiheit im Internet und später auch in anderen
    Medien die unsere Staatsdiener sonst doch so eifrig bei Staaten
    wie China und Iran kritisieren und anprangern!!!

    Wer glaubt das ich hier überziehe, der sollte die Augen
    in nächster Zeit weit offen lassen!!!

  • @ Robert Bendix
    Das ist in der Tat sehr traurig und beängstigend.

    Amazon, das ist ne echt schwache Nummer.

  • WordPress hat die größte DDoS-Attacke in seiner Geschichte erfahren…

    Blog-Hosting WordPress.com kürzlich wurde das Opfer einer massiven DDoS-Attacke. Das Unternehmen selbst ist in einem offiziellen Statement sagte, dass drei seiner Rechenzentren in Chicago, San Antonio und Dallas viele Gigabit Daten und zig Millionen P….