Das war doch Absicht! In diesen Tagen hat Google gleich zwei neuen Diensten ein Update verpasst: Google Mail (GMail) und dem Google Reader. Beide nähern sich damit optisch dem Social Network Google Plus an, um das sich in Sachen Layout bei dem Internetgiganten in letzter Zeit alles dreht. Das Problem dabei: In diesen beiden Fällen bietet das Redesign weder Mehrwert, noch war es in der Form wirklich notwendig. Zwischen Google Mail und Google Plus bestehen wenig Brücken, und mehr werden es auch jetzt nicht. Böse Zungen – und wir haben so eine – könnten jetzt behaupten, Google habe RSS und die E-Mail ein ganz klein bisschen getötet. Klingt übertrieben. Was aber soll das dann?
Die auffälligste Neuigkeit bei beiden Redesigns: Ein größerer Zeilenabstand scheint den Google-Designern Glücksgefühle zu verleihen. Für Listenjunkies wie mich, die möglichst einfach das Aktuellste erfassen wollen, bietet das keinen Vorteil. Lese ich mir durch, wie Google seinen immer noch führenden Webmailer GMail aufhübschen wollte, werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich dabei um Alibi-Verbesserungen handelt. „Neue Designs“, heißt es da – die meisten davon gibt es schon seit Jahren. „Verbesserte Konversationsansicht“ – sehe ich nicht. Die dort versprochene Darstellung von Profilbildern funktioniert nicht einmal mit Google-Plus-Kontakten.
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„Neue Anpassungsmöglichkeiten“ – ich kann jetzt zwischen dem standardmäßig höherem Zeilenabstand, einem gar noch höheren oder einem wählen, der in etwa dem alten Abstand entspricht. Revolution, ick hör dir trapsen! Eine „bessere Kontrolle“ soll ich haben – aber nur über das Chat-Fenster, das ich jetzt größer oder kleiner ziehen kann. Die – bislang ziemlich fantastische – Google-Mail-Suche soll jetzt noch besser sein, weil sie weitere Suchoptionen bietet, die mich an den Web-OPAC meiner Stadtbibliothek erinnern. Und, ach ja, die Symbolleiste sieht noch symboliger aus als vorher. „Google Mail ist jetzt übersichtlicher und moderner“, schreibt Google. Nein, ist es nicht.
Die Änderungen bei GMail sind Dinge, mit denen ich leben kann. Beim Google Reader fällt mir das deutlich schwerer. Es ist nach meinem freien Tag gestern auf den ersten Blick amüsant zu lesen, wie sich geschätzte Kollegen wie Chris Taylor von Mashable und Martin Weigert von Netzwertig über den Google Reader echauffieren. Auf den zweiten Blick wird leider klar, dass ihr Unmut verständlich ist. Die Standardansicht ist auch hier nicht übersichtlicher geworden. (Zeilenabstand FTW?) Das Teilen einzelner Feed-Nachrichten mit anderen (bislang „Share with Friends“) ist jetzt nicht mehr ohne Google Plus möglich. Beiträge lassen sich mit einem Klick auf den neu integrierten +1-Button in Google Plus leicht teilen, umgekehrt gibt es aber noch keine Möglichkeit, andere Google-Plus-Nutzer zu abonnieren, um ihren Stream im Reader einzubinden.
Update: Irodknocker verweist in den Kommentaren auf einen Workaround, um dem Reader wieder den alten Zeilenabstand zu verpassen. Danke dafür!
Blüht Google Mail das gleiche Schicksal?
Fast vom Stuhl gefallen bin ich gerade, als ich den Beitrag zum Redesign im offiziellen Google-Reader-Blog gelesen habe. Dort heißt es:
„Wir hoffen, Sie mögen den neuen Reader (und Google+) so sehr wie wir, aber wir verstehen es, wenn einige von Ihnen das nicht tun. Die Sharing-Funktionen des Readers einzustellen war eine Entscheidung, die wir uns nicht leicht gemacht haben. Letztendlich hilft es uns aber, uns auf weniger Bereiche zu konzentrieren und ein besseres Erlebnis in Google insgesamt zu erschaffen.“
Mit anderen Worten: Hier war gar nicht erst versucht worden, etwas besser zu machen. Der Reader ist mit voller Absicht verschlechtert worden, damit Google Plus aufblühen kann. Dass ein Unternehmen in einer offiziellen Meldung schreibt, man gehe davon aus, dass das den Nutzern nicht gefallen werde, habe ich so auch noch nicht gelesen. Bemerkenswert und in der Form auch irgendwie traurig. In einer Umfrage hier vor einigen Monaten kam heraus, dass immer noch jeder Zweite von euch sich am ehesten über RSS informiert und Social Networks erst in weitem Abstand folgen. Google irrt, wenn man denkt, dass Google+ langfristig ein Ersatz für den Reader sein kann. Doch darauf läuft es offenbar hinaus.
Ob Google Mail langfristig ein gleiches Schicksal blüht? Interessant ist dieses Timing auf jeden Fall: Zeitgleich zum GMail-Design-Update hat Google eine neue Funktion für Google Plus vorgestellt: Kontakten direkt eine Nachricht schicken. In Zukunft ein möglicher Ersatz für Google Mail? Ich will es nicht hoffen.
(Jürgen Vielmeier)