Ich darf einfach mal zitieren: „Facebook sucks …..suche nach was neuem …“ oder „Tja, so ist facebook. Allen Scheiß schreiben und die guten Kommentare streichen.“ oder auch „Hart ist, dass die NPD-Seiten alle bleiben dürfen. Toll, Facebook!“ Bei Facebook tobt buchstäblich gerade der Hamster. Unzählige Nutzer echauffieren sich über vermeintliche Zensur, drohen mitunter damit, ihren Account zu löschen oder nehmen die Gegenposition ein – und befeuern die Debatte mit provokanten Statements.
„Das ist ungeheuerlich“
Ausgelöst wurde der Proteststurm durch die Löschung zweier Beiträge. Man mag nun einräumen, das passiere vermutlich tagtäglich hundertfach, selten ist dabei aber eine Persönlichkeit betroffen, die allein durch ihre Prominenz in wenigen Stunden tausende Reaktionen provozieren kann. In diesem Fall der 1Live-Talker Jürgen Domian.
Erst gestern Abend kurz vor 21 Uhr verfasste Domian einen Beitrag, in dem er Facebook vorwarf, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
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Facebook hat meine Beiträge und ebenso eure Kommentare gelöscht.
Stein des Anstoßes ist wohl mein kritischer Beitrag zu dem Auftritt des erzkonservativen Katholiken Martin Lohmann bei Günther Jauch. Diesen Beitrag haben immerhin 1,1 Millionen Menschen gelesen. Auch mein völlig harmloser (und durchaus wohlwollender) Text zum neuen Papst entspricht nicht den Richtlinien von Facebook (so wurde es mir heute mitgeteilt). Das ist ungeheuerlich. Mit Meinungsfreiheit hat das nun rein gar nichts mehr zu tun. (…) So etwas darf man nicht mehr schreiben? Hier schon übt Facebook Zensur aus? Mir wird angst und bange bei der Vorstellung, in unserem Land würden politische Kräfte erstarken, die die Demokratie bedrohen. Eine vermeintlich demokratische Plattform wie Facebook würde wohl sofort des neuen Herrn Diener sein.
Zuvor war ihm nach eigener Aussage mitgeteilt worden, zwei seiner Texte entsprächen nicht den Facebook-Richtlinien. In einem der Posts hatte sich Domian am 6. Februar zu einem TV-Auftritt des als erzkonservativ geltenden Katholiken Martin Lohmann beim TV-Talker Günther Jauch positioniert und diesen heftig kritisiert. Im zweiten betroffenen Beitrag äußerte sich Domian skeptisch zur Wahl des neuen Papstes. Während der erste Text inzwischen wieder zugänglich ist, gilt die Sperre für den zweiten offenbar weiterhin. Zumindest kann ich diesen bislang nicht finden.
Facebook weist Vorwürfe zurück
Aber selbst wenn Facebook auch hier noch gegensteuert: Das Kind ist bereits im Brunnen. Die Aufregung schlägt inzwischen hohe Wellen. Rund 25.000 Mal wurde Domians Beschwerde schon geteilt. Facebook-Pressesprecherin Tina Kulow sah sich sogar veranlasst, eine Stellungnahme zu veröffentlichen und bezeichnete das Vorgehen darin als Fehler.
Unsere Reporting-Systeme sind dafür entwickelt, Menschen vor Missbrauch, Hass-Rede und Mobbing zu schützen und es ist bedauernswert, dass gelegentlich Fehler gemacht werden, wenn solche Reports bearbeitet werden.
Darüber hinaus verwahrt sich Kulow energisch gegen den Zensur-Vorwurf:
Einige Kommentare und Inhalte können für jemanden störend sein – Kritik an einer bestimmten Kultur, Land, Religion, Lebensstil oder politische Ideologie, zum Beispiel. Das allein ist kein Grund, um die Diskussion zu entfernen. Wir glauben fest daran, dass Facebook-Nutzer die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern, und dass wir in der Regel diese Inhalte, Gruppen oder Seiten, die sich gegen Länder, Religionen, politischen Organisationen oder Ideen richten, nicht entfernen.
Letzteres stimmt sogar – und wird etwa im Fall von Neonazi-Gruppierungen häufig zu Recht angeprangert. Allein damit wird nicht nur deutlich, dass es selbst extremistische Inhalte gibt, die unbehelligt bleiben und auch nicht der Löschvorgang an sich das eigentliche Problem ist, sondern, dass es eben gerade diese Beiträge getroffen hat. Domian selbst vermutet, dass „fanatische Kirchenanhänger bei Facebook so viel Wind gemacht [haben], dass man dort eingeknickt ist.“ Das dürfte wohl stimmen – zumindest in Bezug auf die kritische Masse an „Beschwerden“, die vermutlich zu den beiden Texten eingegangen sind und ein vorgegebenes Prozedere ausgelöst haben.
Wohl eher Nachlässigkeit statt Zensur
Facebook hat dann einfach so reagiert, wie man vermutlich immer in solchen Fällen reagiert: Mit einem schnellen „Delete“. Nur, dass es in diesem Fall eine breitere Öffentlichkeit mitbekommen hat. Dass man hingegen aktiv inhaltliche oder moralische Zensur üben wollte, halte ich – anders als übrigens etwa bei Bildern mit nackter Haut – zumindest für fragwürdig.
Denn bei Zensur im engeren Sinn geht es darum, ein bestimmtes Weltbild durch Unterdrückung von Alternativen zu formen, zu bestätigen oder zu stärken. „Sie dient dem Ziel, das Geistesleben in religiöser, sittlicher oder politischer Hinsicht zu kontrollieren“, heißt es treffend bei Wikipedia. Das Löschen an sich ohne diesen Hintergrund kann demnach kaum als Zensur im eigentlich Sinn bezeichnet werden – schließlich ist Facebook nicht gerade als katholische Hochburg bekannt. Im Eifer der aktuellen Debatte ist ein solcher Vorwurf natürlich nachvollziehbar und verständlich, bei Licht betrachtet wirklich halten lassen dürfte sich dieser aber wohl kaum.
Gelöscht wird täglich
Einleuchtender ist, dass Facebook einfach massenhaft löscht – quasi im Akkord – und dabei kaum kontrolliert, was genau der Schere zum Opfer fällt. Und zwar jeden Tag. Man darf nicht vergessen: Allein in Deutschland sind mehrere Millionen Menschen auf der Plattform angemeldet. Diese verfassen täglich tausende Beiträge und Kommentare. Dementsprechend hoch dürfte die Flut an Beschwerden und gemeldeten Beiträgen sein.
Selbst wenn, wie Facebook nun behauptet hat, letztendlich Menschen darüber entscheiden, was gesperrt wird und was nicht, dürften diese kaum mehr als ein paar Sekunden pro Post aufwenden können. Vielleicht wird auch immer dann, wenn zu einem Text viele Beschwerden mit gleichem Tenor eingehen, quasi blind oder ohne Kontrolle gesperrt – ein System, dass auf die Intelligenz des Schwarms setzt und sich womöglich bewährt hat; vielleicht ist Facebook aber auch einfach überfordert oder nutzt doch primär maschinelle Filter-Verfahren, will aber Schwächen im System nicht zugeben. Alles denkbar.
Größtmögliche Kontrolle bietet ein eigenes Blog
Bei allem berechtigtem Misstrauen, dass man gegenüber der Datenkrake hegen sollte: Lassen wir die Kirche also doch im Dorf. Ja, es war falsch, übereilt und ungerechtfertigt von Facebook, die Domian-Beiträge zu entfernen, sind sie doch streitbar, aber weder menschenverachtend noch hasserfüllt oder gar in irgendeiner Art und Weise strafbar. Dennoch schießt in diesem Fall der Zensur-Vorwurf über das Ziel hinaus.
Natürlich könnt ihr nun sagen, derlei Spitzfindigkeiten spielen doch keine Rolle, es ist einfach eine Sauerei, dass so etwas überhaupt passiert. Das mag stimmen, ist letztendlich aber immer möglich, wenn Inhalte über eine fremde Plattform verbreitet werden. Dort herrscht das Hausrecht des Betreibers. Ein eigenes Blog bietet daher immer noch die größte Gewähr, seine Meinung ungefiltert vertreten zu können. Nur dort hat der Autor die volle Kontrolle – Facebook lässt sich dann immer noch gut als Multiplikator und Link-Schleuder nutzen.