Die wohl größte Sorge beim Kauf eines Elektrofahrzeugs ist die Akkukapazität, schließlich soll dem Auto nicht mitten auf der Strecke der Saft ausgehen. Durch die Entwicklung von Fahrzeugen, die basierend auf der Fahrweise mit einer einzelnen Akkuladung mehr Reichweite erzielen können, sollte sich jedoch die Akzeptanz von Elektroautos um einiges steigern lassen.
Unter den „Prototyp“-Aufklebern des Audi e-tron verbirgt sich Audis erstes vollelektrisches Serienfahrzeug. Erst kürzlich haben wir einen genaueren Blick auf die virtuellen Seitenspiegel und den Innenraum des Fahrzeugs geworfen; heute widmen wir uns um den Elektroantrieb.
Der Audi e-tron hat einiges an Leistung unter der Haube. Der Antrieb liefert insgesamt 300 kW und kann das Fahrzeug in unter sechs Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigen. Im WLTP-Testzyklus erzielte der Elektro-SUV mit einer einzelnen Akkuladung eine Reichweite von 400 Kilometern. Dabei werden dreißig Prozent der Reichweite vom Rekuperationssystem bereitgestellt.
Mobile Geeks hat sich in Pikes Peak, Colorado – 4.302 Meter über dem Meeresspiegel, – die Funktionsweise des Rekuperationssystem des Audi e-tron-Prototypen angesehen. Zu Beginn unserer Testfahrt war der Akku zu 67 Prozent aufgeladen. Anschließend fuhren wir 31 Kilometer lang bergab. Am Ende unserer Fahrt war der Akku zu 77 Prozent aufgeladen und die geschätzte verbleibende Reichweite hatte sich von 167 auf 285 Kilometer erhöht – ganze 118 Kilometer mehr. Aufgrund der fehlenden HERE-Kartendaten basieren diese Schätzwerte jedoch einzig und allein auf unserer Fahrweise. Auf den ersten Blick sieht es zwar so aus, als hätte jeder gefahrene Kilometer die Reichweite um drei Kilometer erhöht, aber in Wirklichkeit erhöhte wohl jeder gefahrene Kilometer die Reichweite nur um einen Kilometer – das Ergebnis ist aber dennoch beeindruckend.
Laut Audi übertrifft die innovative Rekuperationsfunktion des e-tron die komplette Konkurrenz und zum ersten Mal sehen wir ein elektrohydraulisch integriertes Bremsregelsystem (iBRS) in einem elektrisch angetriebenen Fahrzeug.
Der Prototyp des Audi e-tron ist in der Lage, 300 Nm und 220 kW elektrische Leistung zu rekuperieren – mehr als 70 Prozent seiner Antriebsleistung.
Wie funktioniert das Rekuperationssystem des Audi e-tron?
Rekuperation – auch Energierückgewinnung genannt – ist ein Konzept, bei dem sich das Fahrzeug die kinetische Energie beim Abbremsen zunutze macht. Während unserer Testfahrt durch die Rocky Mountains zeigte man uns die beiden Energierückgewinnungsmethoden des Audi e-tron:
Schubrekuperation: Diese Rekuperationsmethode setzt ein, sobald der Fahrer den Fuß vom rechten Pedal nimmt. Dabei fährt das Fahrzeug weiter, ohne den Motor zu verwenden.
Bremsrekuperation: Diese Methode setzt ein, wenn der Fahrer auf das Bremspedal tritt.
Beim iBRS des Audi e-tron handelt es sich um ein neuartiges „Brake-by-wire“-Bremssystem – ein Kabel gibt es aber nicht, denn das gesamte System wird mithilfe von Hydraulik geregelt. Das iBRS ist gewissermaßen eine Steuereinheit, die ermittelt, ob der Reibungswiderstand bzw. die Radbremsen das Fahrzeug verlangsamen sollten. Für den Fahrer gibt es jedoch keinen spürbaren Unterschied zwischen diesem Rekuperationssystem und einem klassischen Bremssystem.
Das Bremsmodul des iBRS ist mit einer Hydraulikeinheit ausgestattet, die zusätzlichen Druck und somit auch zusätzliche Bremskraft für das Rekuperationsmoment erzeugt. Dieses System könnt ihr euch folgendermaßen vorstellen: In einer Röhre befindet sich ein Flummiball. Wenn ihr auf das Bremspedal tretet, erhöht sich der Druck im Innern der Röhre und auf den Ball. Diese Energie kann vom Fahrzeug genutzt werden.
Der Audi e-tron ist außerdem in der Lage, allein über den Elektroantrieb bis zu 0,3 g zu rekuperieren – ganz ohne das Bremssystem. Das bedeutet, dass für 90 Prozent aller Bremsmanöver die Radbremsen überhaupt nicht verwendet werden müssen.
Sobald das Bremsmoment mehr als 0,3 g beträgt, nutzt der e-tron die Radbremsen, um für einen kürzeren Bremsweg zu sorgen. In solch einem Fall nimmt das Fahrzeug nämlich an, dass ihr eine Kollision vermeiden wollt. Wenn das Auto mithilfe der Frontkamera erkennt, dass eine schnelle Bremsung notwendig ist, ermöglicht das Auto eine Verkürzung des Bremswegs um bis zu 20 Prozent.
Wenn das System den Elektroantrieb zum Abbremsen nutzt, verwendet es die so genannte quattro-Rekuperationsfunktion. Hier entscheidet das Auto, welche Achse in welchem Maß zur Rekuperation beiträgt. Das Antriebssteuergerät berechnet dabei die ideale Verteilung des Bremsmoments auf die beiden Motoren. In den meisten Fällen wird dabei die hintere Antriebseinheit aktiviert, um den optimalen Wirkungsgrad zu erzielen.
Der Fahrer hat die Wahl zwischen drei verschiedenen Rekuperationsarten: die manuelle Schubrekuperation über die Schaltwippen, die automatische Schubrekuperation über den prädiktiven Energieassistenten und die Bremsrekuperation mit fließendem Übergang zwischen hydraulischem und elektrischem Bremsen.
Der Fahrer kann über die Schaltwippen am Lenkrad die Art der Schubrekuperation in drei Stufen einstellen. Auf der niedrigsten Stufe rollt der e-tron ohne zusätzliches Schleppmoment weiter, sobald der Fahrer den Fuß vom Gaspedal nimmt. Auf der höchsten Stufe verringert sich dagegen spürbar die Geschwindigkeit des Fahrzeugs. In den folgenden Ausschnitten aus unserem Video könnt ihr euch die unterschiedlichen Einstellungen und deren Auswirkung auf das Fahrverhalten ansehen.
Weil bei Audi das Fahrerlebnis an oberster Stelle steht, habt ihr die Möglichkeit die Motorbremse direkt über die Schaltwippen am Lenkrad einzustellen. Es ist sogar möglich, das Fahrzeug einzig und allein mit dem Gaspedal zu fahren. Sobald ihr den Fuß vom Gas nehmt, bremst das Auto langsam ab. Der Hersteller bezeichnet das als „One-Pedal-Feeling“, da ihr in diesem Fall ganz ohne Bremspedal auskommt.
Der prädiktive Effizienzassistent
In den meisten Fällen überlässt der Fahrer die Steuerung des Energieverbrauchs und der Rekuperation dem Auto. Der prädiktive Effizienzassistent arbeitet dabei eng mit dem adaptiven Fahrassistenten zusammen. Das System nutzt hierbei prädiktive Streckendaten des Navigationssystems und Car-to-X-Informationen. Der Effizienzassistent verwendet dabei die Frontkamera sowie die Daten der vorne und hinten angebrachten Radarsensoren.
Für die Ermittlung der Fahrweise werden Kartendaten benötigt, weil die Frontkamera und die Radarsensoren nicht genügend Reichweite besitzen, um dem System Vorhersagen zu Höhenunterschieden zu ermöglichen. Die Navigationsdaten werden von HERE bereitgestellt.
Ein kurzer Blick auf die Asynchronmaschinen
Der Prototyp des e-tron ist mit zwei Elektromotoren ausgestattet. Der Hauptantrieb sitzt an der Hinterachse, der zweite Motor an der Vorderachse. Beide Elektromotoren haben eine Antriebsleistung von 265 kW und ein Antriebsmoment von 561 Nm. Der Audi e-tron ist in der Lage, diese Spitzenleistung bis zu 60 Sekunden lang bereitzustellen. Die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs ist elektronisch auf 200 km/h begrenzt und es ist möglich, das Fahrzeug ohne Leistungseinbußen mehrmals hintereinander zu beschleunigen. Der Antrieb stellt innerhalb von Sekundenbruchteilen das maximale Antriebsmoment zur Verfügung. Wechselt man von Fahrstufe D auf S und tritt man das Gaspedal voll durch, wird der Boost-Modus aktiviert. In diesem Modus kann der Antrieb acht Sekunden lang eine Systemleistung von 300 kW und 664 Nm Drehmoment erzeugen. So kann der Prototyp des Audi e-tron in unter sechs Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigen.
[parallax-image caption=““][/parallax-image]Die Bremsen – eine heiße Angelegenheit?
Während unserer Testfahrt mussten wir einen kurzen Zwischenstopp einlegen, um die Temperatur der Rotoren zu überprüfen, da während der Fahrt sehr häufig gebremst wurde. Das Ergebnis der Messung: die Temperatur lag nur knapp über der Umgebungstemperatur!
Mitte September sind wir in San Fransisco beim Launch des Audi e-tron mit dabei. Schaut also vorbei, wenn es soweit ist, um alle Details über Audis erstes Elektroauto zu erfahren.