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Interview: Stefan Krautwald über intelligente Kryptowährungen im Einzelhandel

Stefan Krautwald, fluzfluz
Stefan Krautwald sieht Kolumbien als Pionierland für seine initiierte Kryptowährung Fluzcoin an (Foto: Facebook/fluzfluzglobal)
geschrieben von Philip Bolognesi

Stefan Krautwald hat noch einiges vor. Der gebürtige Rheinländer ist Gründer von Fluzfluz, einer Kryptowährung, die er von Kolumbien aus auf den Markt gebracht hat. Nun plant er die Eroberung des US-amerikanischen Marktes. Wie er die Entwicklung in Deutschland betrachtet und welche Tipps er jungen Start-up-Unternehmen gibt, hat er uns im Interview verraten.

Stefan Krautwald stammt aus einer Apothekerfamilie vom Niederrhein und studierte an der WHU – Otto Beisheim School of Management Wirtschaftliche Unternehmensführung.

Anschließend beendete er seine akademische Ausbildung nach Studienaufenthalten in Uruguay und Lissabon mit einem Master of Business Administration and Economics.


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2007 ging es zur Bertelsmann AG. Dort wurde Krautwald bei Arvato Assistent der Geschäftsführung. Als Teil eines Talent-Pools lernte der Jung-Manager verschiedene internationale Standorte des Unternehmens kennen. So war er ein Jahr für Arvato in Madrid.

Aus der elterlichen Apotheke in NRW zur Online-Apotheke nach Kolumbien

Wenig später baute der Lateinamerika-affine Aachener das Südamerika-Servicegeschäft für die Arvato AG auf – im speziellen Offshore-Aktivitäten in Kolumbien und Peru in der Position des General Mangers. 2011 verließ Krautwald Arvato-Bertelsmann, um sich neuen Herausforderungen im Internet-Handel zu widmen.

Diese kamen unter anderem mit Dafiti in Bogotá als führender Fashion-E-Commerce-Händler in Lateinamerika, der zum Rocket-Internet-Imperium zählt. Dabei blieb es jedoch nicht.

Aufgrund seiner elterlichen Vorprägung hatte Krautwald zusätzlich die Idee, einen Online-Apothekenhandel in Südamerika aufzubauen. 2013 ist ihm mit Farmalisto ein großer Erfolg geglückt. Die Online-Plattform ist führend auf dem südamerikanischen Markt und beschäftigt aktuell 150 Mitarbeiter.

Mit der Kryptowährung Fluzcoin den Einzelhandel umkrempeln

Im April 2016 gründete Stefan Krautwald zusammen mit dem US-Entrepeneur Maurice Harary das E-Commerce-Cashback-System Fluzfluz. Mit Fluzcoin brachten sie zudem eine Kryptowährung auf den Markt, die im Vergleich zu anderen Währungen besonders für Einzelhändler attraktiv ist. Die erste Filiale wurde in Krautwalds Wahlheimat Kolumbien eröffnet, die zweite in den USA.

Aktuell befinden sich die USA noch in der Beta-Phase. Der Launch der Fluzfluz-App ist für das vierte Quartal 2018 geplant. In unserem Interview erklärt der Mitbegründer und Chief Commercial Officer von Fluzcoin, was sich hinter seiner Idee verbirgt, wie sie funktioniert und was er auf dem deutschen Markt beobachtet.

BASIC thinking: Hallo Stefan, schön, dass du dir Zeit genommen hast und wir eine stabile Verbindung nach Kolumbien haben. Blickt man auf deinen bisherigen Werdegang, liegt die Frage nahe: Warum hast du Kolumbien gewählt, um Fluzfluz zu initiieren?

Stefan Krautwald: Eigentlich ist das eine halb privat, halb beruflich motivierte Entscheidung gewesen. Ursprünglich ging ich für den Bertelsmann-Konzern nach Lateinamerika, um hier aus Kolumbien spanische Standorte zu bewirken.

Anschließend bin ich in die E-Commerce-Schiene reingerutscht und dann kam ich vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ich bin hier immer heimischer in der Region geworden. Und dann haben sich eine ganze Reihe von unternehmerischen Optionen ergeben.

Und dann irgendwann kam der Gedanke, eine Kryptowährung ins Leben zu rufen.

Genau, weil wir festgestellt haben, dass viele Kryptowährungen Schwachstellen haben, die wir mit einem Konsumenten-Cashback-Netzwerk umgehen.

Was ist Cashback?

Ganz einfach: Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein ganzes System, das Konsumenten hilft, bei ihren Einkäufen Geld zu sparen. Es ist also ein Bonusprogramm, das die Treue von Kunden zu ihren favorisierten und häufig genutzten Shops belohnt.

Jetzt wirst du sagen, dass es Treueprogramme doch schon gibt. Ja, aber es gibt hier einen ganz bemerkenswerten Unterschied: Kunden sammeln nicht bei Einkäufen, die dann als Prämie ausgezahlt wird, sondern sie sammeln bei jedem einzelnen Einkauf – auch im eigenen Netzwerk – bares Geld.

Ganz plakativ ausgedrückt, sind wir ein Payback-System mit einer Netzwerkkomponente.

Fluzfluz profitiert von den Vorteilen eines Netzwerks

Wie funktioniert dieses System in der Praxis genau und wie gewinnt das Netzwerk an Reichweite?

Zunächst lade ich meine Familienmitglieder, Freunde, Arbeitskollegen usw. in mein Konsumenten-Netzwerk ein und bündele dadurch die Kaufkraft von allen – ohne dass sie ständig eine Mitgliedsgebühr zahlen oder irgendeine andere negative Auswirkung für sie hätte.

Denn letztendlich geht es nur darum, zusätzliche Cashback-Potenziale zu erschließen. Deshalb ist es interessant für mich als Konsument, da sich dieser Cashback über die Kaufkraft meiner Netzwerkmitglieder multipliziert.

Ich kaufe also im angeschlossenen Einzelhandel ein – im Supermarkt, in der Apotheke oder beim Tanken oder im Restaurant. In Kolumbien gehören aktuell fast 5.000 Verkaufsstellen – also Partner im Retail dazu – bei denen Cashback generiert wird.

Kolumbien als Pionierland, die USA als Chance

Was sind die nächsten Steps, um das Netzwerk von Fluzfluz zu vergrößern?

Vor zwei Jahren sind wir in Kolumbien gestartet. Jetzt launchen wir unser Netzwerk in den USA. Aufgrund der dortigen Technologie und Digitalisierung haben wir bereits jetzt schon viel mehr Kaufleute gewinnen können.

Aber die Bedingungen dafür sind doch in Kolumbien nicht optimal gewesen oder irre ich mich?

Kolumbien ist für uns ein Pionierland gewesen. Aber klar ist, dass Kolumbien nicht soweit entwickelt ist wie Deutschland. Eine intensive Online-Durchdringung innerhalb der Gesellschaft gibt es hier natürlich nicht.

Aber aus diesem Grund haben wir Kolumbien gewählt, weil wir vermutet haben: Wenn es in Kolumbien klappt, dann wird unser System auch überall auf der Welt funktionieren. Und nun wagen wir uns an einen größeren Markt, sprich den USA, heran, wo die Rahmenbedingungen noch besser sind.

Man darf also annehmen, dass Fluzfluz auch auf weitere Großmärkte ausgedehnt wird?

Ja, als nächstes steht die Internationalisierung, die Globalisierung des Fluz-Netzwerks an. Dazu haben wir zu Beginn des Jahres einen Krypto-ICO-Mechanismus (Initial Coin Offering) gewählt. Das ist ein Fundraising-Mechanismus, mit dem wir eine internationale Community aufbauen.

Mittlerweile hat sich bereits eine internationale Gemeinde von Supportern von ungefähr 20.000 Menschen aufgebaut, die den Start von Fluzfluz in den USA entgegenfiebern.

Jene schauen bereits in ihren Ländern ganz genau, wo sich das Modell noch weiter ausbreiten lässt. Denn dank unserer Netzwerkkomponente lässt sich unheimlich gut eine Peer-to-Peer-Community aufbauen. Wir haben bereits Supporter auf den Philippinen, in Argentinien oder auch in Afrika.

Händler und Konsumenten gleichermaßen begeistern

Müssen jetzt erstmal die großen Player, Konzerne, Retailer einsteigen, ehe Fluzfluz flächendeckend Akzeptanz findet?

Wir müssen das Step-by-Step angehen. Zunächst sind unsere Augen auf die USA fixiert. Anschließend wird – davon bin ich überzeugt – die Welle auch nach Europa überschwappen.

Wir müssen uns vor Augen halten, dass das eine Art Marketplace-Modell ist. Auf der einen Seite sind die Merchants – die Händler – und auf der anderen Seite Kunden.

Das ist im eigentlichen Sinn eine Henne-Ei-Problematik. Denn natürlich müssen wir einerseits genügend Merchants begeistern, die davon überzeugt sind, mit ihrem Angebot genügend teilnehmende Konsumenten anzusprechen.

Anderseits müssen wir Konsumenten für unser System gewinnen, so dass es für die Händler lohnt, daran zu partizipieren. Und das ist eine Herausforderung eines jeden Marktplatzes. Amazon wuchs auch nicht von heute auf morgen, sondern sukzessive.

Fluzfluz will die Macht dem Kunden zurückgeben

Kurz zurück zu den Anfängen: Was war deine ursprüngliche Motivation für dieses System?

Während meiner Zeit, als ich mich beruflich stark mit klassischen E-Commerce-Modellen auseinandersetzt habe, ist mir bewusst geworden, dass die Verhandlungsmacht beziehungsweise die Verhandlungsstärke zwischen Kunde und großem Marktplatz sehr unausgewogen ist.

Beispiel Amazon: Du als Kunde hast in Deutschland überhaupt keine Verhandlungsmacht. Entweder akzeptierst du die Konditionen oder eben nicht. Mit unserem Modell geben wir den Kunden die Möglichkeit, ihre Kaufkraft zu bündeln. Und dank der technologischen Unterstützung können wir den Händlern einen weiteren Kanal zur Kundengewinnung bieten.

Somit haben wir die Verhandlungsmacht ein bisschen nivelliert und der Retailer muss weniger Geld in sein Marketing stecken, um Kunden anzulocken: Kundenakquise und Kundenloyalität in einem System also.

Wie siehst du die Rolle der Politik in diesem System? Hemmt sie die Entwicklung von Kryptowährungen allgemein und von Fluzfluz im speziellen?

Jedes Land tickt anders. In jedem Land gibt es unterschiedliche Ansätze und wir haben gleichzeitig gezeigt, dass unser Modell universell funktioniert. Aber eigentlich wollen wir uns aus politischen Themen rauszuhalten.

In diesem Zusammenhang möchte ich nur erwähnen – wir nutzen für dieses Modell eine Blockchain –, dass bei der Adoption von Blockchain-Technologie die Staaten unterschiedlich schnell unterwegs sind.

Größere Länder wie Deutschland beispielsweise zählen eher nicht zu den Vorreitern. Die baltischen Staaten, die Schweiz oder Gibraltar sind da weitaus schneller und beweglicher als die Kern-EU-Staaten.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest du Jungunternehmern mit auf den Weg geben – auch jenen, die international agieren wollen?

Ich denke, man sollte zunächst mit der nötigen Sensitivität für die lokalen Gegebenheiten vorgehen. Als Deutscher sollte man zum Beispiel nicht ins Ausland gehen und versuchen, mit der gleichen Brille den Markt zu betrachten oder in einem Copy-Paste-Modus ein Geschäftsmodell an den Start zu bekommen.

Eher sollte man genau schauen, wie das Modell hinsichtlich Sprache, Gepflogenheiten und der Gesellschaft lokal adaptiert werden kann. Sei dir also dessen bewusst und geh mit Demut an internationale Märkte heran: Nicht zu schnell internationalisieren, sich zunächst fokussieren und Stück für Stück weitere Länder erschließen. Ansonsten wird man schnell von der Realität eingeholt.

Stefan, vielen Dank für das Gespräch!

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Über den Autor

Philip Bolognesi

Philip Bolognesi war von 2018 bis 2020 in der Redaktion von BASIC thinking tätig. Er hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist zertifizierter Social-Media-Manager. Zuvor hat er als freiberuflicher Online-Redakteur für CrispyContent (Serviceplan Berlin) gearbeitet und mittelständische Unternehmen in ihrer Online-Kommunikation beraten. Ihn trifft man häufig im Coworking-Space Hafven in Hannover.

1 Kommentar

  • Und nun hat Stefan das Projekt FluzFluz ohne ein Wort verlassen. Seit einem guten halben Jahr ist nur noch sein Co-Founder Maurice Harari im Projekt, Stefan hat sich nicht mal verabschiedet. Antworten zu seinem Verbleib gibt es nicht, auf Anfragen reagiert er nicht.
    Von den 8-10 Millionen US Dollar, die Stefan für das Projekt eingesammelt hat, gibt Maurice an ca 2 Millionen in die App investiert zu haben, über den Rest des Geldes wird geschwiegen, jetzt wo Fluz in eine neuerliche Crowdfunding Runde geht (Startengine).
    Ein Follow-Up wäre hier mal interessant.