Der Drang zur Selbstoptimierung und der Markt rund um die Gesundheit des Menschen sind in den letzten Jahren massiv gewachsen. Kein Wunder, denn beide Punkte hängen teilweise miteinander zusammen. Durch Messsensoren und Schrittzählern in Smartphones und Smartwatches und den inzwischen in Massen verfügbaren Apps zur Erfassung von Gewicht, Mahlzeiten etc. beobachtet man heutzutage immer mehr, dass sich Menschen ganz nach ihren (teilweise nicht akkuraten) Daten ausrichten. Das hat auch Amazon erkannt, geht aber dabei einen etwas anderen Weg. Darüber berichtete nun das Wall Street Journal (Paywall).
Das Unternehmen aus Seattle verkauft seit gestern eine eigene Softwarelösung für Krankenhäuser, Ärzte und Privatkliniken. Diese klinkt sich in das jeweilige System ein und sammelt zunächst alle verfügbaren Aufzeichnungen. Um eine übersichtliche, digitale Krankenakte anzufertigen, werden die Daten anschließend analysiert und mittels eines Algorithmus aufbereitet. Beim nächsten Arztbesuch kann dann auf die Akte zugegriffen werden und so schnell und kostengünstig eine effektive Behandlung organisiert werden. Die Kommunikation soll dabei immer verschlüsselt und privat erfolgen.
Vor einiger Zeit führte Amazon hierzu verschiedene Tests durch. Dazu wurde das System mit einer riesigen Datenmenge, welche Aufzeichnungen über Krankheiten, Laborwerte, Vorgehensweisen und verschriebene Medikation enthielt, gefüttert und somit für den produktiven Einsatz trainiert. Die so entstandenen Ergebnisse waren mindestens genauso akkurat oder teilweise besser, wie die der direkten Konkurrenz. Nur mit verschiedenen Schreibstilen (jeder Doktor dokumentiert anders), Abkürzungen und Rechtschreibfehlern hat das System noch Probleme, die dank Deep Learning minimiert werden sollen.
Für die nun erfolgte Einführung der Software hat man sich bereits Partner wie das Fred Hutchinson Cancer Research Center ausgewählt. Anhand der erhaltenen Patientendaten sollen die „passenden“ Krebserkrankten für Tests mit Medikamenten ausgewählt werden. Dazu sagt Matt Wood, Leiter des Bereichs „Künstliche Intelligenz“ bei AWS (Amazon Web Service), Folgendes:
[mg_blockquote]We’re able to completely, automatically look inside medical language and identify patient details including diagnoses, treatments, dosage, and strengths, with incredibly high accuracy[/mg_blockquote]Natürlich betreibt Amazon den Aufwand auch aus eigennützigen Gründen. Durch den unglaublichen Datenschatz will man anscheinend zum größten Zulieferer für Medizingüter aufsteigen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat man erst kürzlich den Pharmakonzern Pill Pack für 1 Milliarde Dollar übernommen. Außerdem besteht eine Zusammenarbeit mit der Arcadia-Gruppe, die Geräte zur Überwachung des aktuellen Gesundheitszustands verkauft. Und zu guter Letzt ist da noch die freundliche Dienstleisterin Alexa, die nach kürzlicher Anmeldung eines Patents bald den Gesundheitszustand des jeweiligen Sprechers anhand der Stimmer erkennen soll. Dr. Amazon könnte also bald ein Ansprechpartner für alles sein.
Auch Google hat Pläne in diesem Bereich und möchte Patientenaufzeichnungen mittels einer einer Cloud-basierten API organisieren und aufbereiten. Wie beim Konkurrenten ist das vorgeschobene Hauptmotiv das Kosteneinsparungspotenzial für Kliniken. Das ist kein Wunder, da nach einem Bericht das Geschäft der Analyse von medizinischen Daten 7 Milliarden Dollar schwer ist. Es dauert also sicher nicht mehr lange, bis Microsoft und Apple mit ähnlichen Lösungen kommen.
Somit mutiert jeder Erfasste zum gläsernen Bürger und schickt nun auch hochsensible Daten durch die Cloud. Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um einen recht hohen Preis für die eigene Gesundheit. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden können.
Via The Next Web
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