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Ist Digitalisierung das beste Mittel gegen Corona?

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Digitale Nationen stehen im Kampf gegen Corona besser da als Deutschland. (Foto: Unsplash.com / Markus Winkler)
geschrieben von Marinela Potor

Digitale Nationen wie Israel machen es vor: Sie nutzen die Digitalisierung im Kampf gegen Corona und sind damit sehr erfolgreich. Kann Deutschland etwas von ihnen lernen? 

Kann die Digitalisierung helfen, die Corona-Ausbreitung zu verlangsamen oder die Corona-Impfungen schneller und effizienter voranzutreiben? Wenn man die Situation in Deutschland mit der Lage in hoch-digitalen Nationen wie Israel, Taiwan oder Südkorea vergleicht, sieht es stark danach aus.

Sie alle haben es verstanden, digitale Technologien so einzusetzen, dass das Virus in Schach gehalten wird und die Impfungen schneller vorangehen, während in Deutschland die Impf-Hotline zusammenbricht und die dazugehörigen Internet-Server komplett überlastet sind.

Corona-Impfung in Israel: Tausche Daten gegen Impfstoff

Israel hat aktuell bereits etwa drei Millionen, also etwa ein Drittel seiner Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen, mit der ersten Impfdosis des Wirkstoffs von Biontech und Pfizer versorgt. Das Land hofft, bis Ende März den Großteil seiner Bürger immunisiert zu haben.

In Deutschland dagegen haben bislang nach Daten des Robert-Koch-Instituts lediglich knapp 2,5 Millionen Menschen eine Impfung erhalten (Stand: 2. Februar 2021). Deutschland hinkt also stark hinterher. Ein Grund dafür könnte die im Vergleich zu Israel rückständige Digitalisierung in Deutschland sein.

Digitalisierung und Corona: So profitiert Israel von seinen Daten

Denn Israel hat eine weltweit bislang einmalige Vereinbarung mit Biontech und Pfizer getroffen. Für eine schnelle und umfassende Impfstofflieferung verspricht Israel den Unternehmen umfassende Einsicht in seine Impfdaten.

Dadurch, dass Israel seine Patientendaten digital erfasst, bekommen Pfizer und Biontech unter anderem anonymisierte Daten wie etwa zu Alter oder Vorerkrankungen der geimpften Personen.

Für die Pharmakonzerne ist das ein unglaublich wertvoller Datensatz. Denn so können sie nachvollziehen, wie hoch der Anteil der geimpften Bevölkerung sein muss, um Herdenimmunität zu erreichen.

Israel ist wahrscheinlich deshalb das Land der Wahl für diesen Deal, weil das Land ein hoch-digitalisiertes Gesundheitssystem vorweisen kann. Alle Krankendaten befinden sich anonymisiert in einem zentralen, digitalen System.

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) können Ärzte und Forscher aber den Datensatz nach allen möglichen Informationen durchsuchen, Hypothesen testen oder Vergleiche anstellen.

Ähnliche Ansätze von KI-basierten Patientendaten gibt es auch in den USA, aber diese sind nicht derart zentralisiert erfasst wie in Israel und zudem auch nicht immer so zuverlässig wie man glauben mag.

Dennoch: Im Fall der Corona-Impfung verschafft die Digitalisierung Israel einen großen Vorteil. Israel hat Pfizer und Biontech nämlich versprochen, in einem „unerhörten Tempo“ zu impfen, wie Israels Gesundheitsminister Yuli Edelstein gegenüber dem Radiosender NPR sagte.

Die Pharma-Unternehmen erhalten damit nicht nur wertvolle „Real-World-Daten“, sondern auch noch in unglaublicher Geschwindigkeit. Es ist also nachvollziehbar, warum die Unternehmen ihre Corona-Impfung lieber zunächst in hohen Mengen an Israel vertreiben als an andere Länder.

Doch auch abseits der Impfung zeigt sich: Digitalisierung kann ein probates Mittel gegen Corona sein.

Digitale Corona-Bekämpfung in Asien

Auch Taiwan, Singapur und Südkorea setzen bei der Bekämpfung des Coronavirus auf digitale Technologien.

Digitalisierung und Corona-Bekämpfung in Taiwan

In Taiwan übernahm relativ schnell der Digitalminister eine führende Rolle in der Virusbekämpfung. Das mag seltsam erscheinen. Doch zentrale Datenspeicherung war hier der Schlüssel zum Erfolg.

So wurden Quoten für die Verteilung von Masken und Medizin in einer zentralen Datenbank koordiniert. Alle Informationen standen zudem der Bevölkerung über eine offene Digitalplattform zur Verfügung.

Welche Apotheke hat noch Masken? Wo kann ich noch Desinfektionsmittel kaufen? All dies konnten Bürger einfach per App herausfinden.

Dies, kombiniert mit einer sehr frühen sehr strikten Maskenpflicht, Reisesperren und innovativen Methoden wie anonyme E-Mails oder Uralt-Handys, um Kontakte nachzuverfolgen, bekam Taiwan die Ausbreitung des Virus in den Griff.

Das Ergebnis: Während wir uns noch mit steigenden Inzidenzzahlen, geschlossenen Geschäften, Home Office und Lockdown plagten, fand in Taiwan schon wieder das „normale“ Leben statt, von Sportveranstaltungen bis hin zu Kinoabenden war alles zeitweise wieder erlaubt.

Denn das Land war so gut wie Coronavirus-frei.

Bis im Dezember 2020 erstmals seit April 2020 (!!!) ein neuer lokaler Infektionsfall erfasst wurde, der von einem neuseeländischen Piloten ausging. Mittlerweile sind mehr neue Fälle erfasst worden und Taiwan ist wieder in einen strikten Lockdown zurückgekehrt.

Südkorea verfolgt Bewegungsdaten seiner Bürger

Auch Südkorea gilt als Vorbild für eine erfolgreiche Coronavirus-Bekämpfung. Das Land reagierte sehr schnell und konsequent auf die ersten Fälle, die hier bereits im Januar 2020 auftraten.

Täglich wurde die Bevölkerung in mobilen Einheiten mit Schnelltests getestet und erhielt die Ergebnisse anschließend per SMS aufs Handy. Gleichzeitig kontrollierte die Regierung die Bewegungsprofile der Menschen über Handy- und Kreditkartendaten der Personen.

Das gab der Regierung einen sehr wertvollen Datensatz: Sie wusste, wer mit dem Virus infiziert war – und konnte in Echtzeit nachvollziehen, wo sich diese Person befand.

War beispielsweise eine infizierte Person entgegen Quarantäne-Verordnungen in der Stadt unterwegs, konnten andere Menschen über ihr Handy gewarnt werden. Sie bekamen direkt angezeigt, wo sich Corona-Infizierte in ihrer Nähe befanden.

All dies hat die Zahlen von Infizierten und Toten im internationalen Vergleich sehr niedrig gehalten, auch wenn seit Dezember die Fallzahlen wieder steigen.

Für Wirtschaft: Singapur fördert Digitalisierung gegen Corona-Krise

Singapur setzte ebenfalls sehr früh auf die Digitalisierung, um negative Corona-Effekte zu verhindern. So förderte der Stadtstaat die Digitalisierung von Unternehmen.

Auch der Ausbau von Fintech-Entwicklungen, insbesondere im Bereich von kontaktlosen Zahlungsmethoden, wurde stark vorangetrieben.

Ebenfalls von sich reden machte Singapore Airlines digitale Covid-19-Prüfung bei Flugreisen, die erste weltweit.

Passagiere, die einen negativen Covid-19-Test oder eine Impfung vorweisen können, bekommen einen QR-Code, mit dem sie zum Flughafen einreisen können. Dieser wird dann von den Fluglinien beim Einchecken gescannt und mit der internationalen IATA-Datenbank (International Air Transport Association) abgeglichen.

Digitalisierung und Corona in Deutschland wirklich so schlecht?

Im Vergleich dazu scheint Deutschland in einer digitalen Wüste zu leben. Einige glauben daher, dass ein konsequenter digitaler Ansatz Deutschland geholfen hätte, um das Virus effektiver zu bekämpfen – und jetzt auch die Corona-Impfungen effizienter zu verteilen.

Ganz so pauschal lässt sich das aber nicht sagen. Denn teilweise hängt Deutschlands gefühltes Schneckentempo bei der Corona-Impfung sowohl mit einer höheren Bevölkerungszahl zusammen.

Gleichzeitig muss Deutschland seine Impfstoff-Bestellungen zumindest teilweise mit anderen EU-Ländern abstimmen, was den Prozess ebenfalls komplizierter macht als in einem Land, das komplett unabhängig handeln kann.

Auch mag die Bevölkerung in Ländern wie Südkorea oder Taiwan generell digital affiner sei. Hierzulande würde man durch einen rein digitalen Ansatz viele Bevölkerungsgruppen benachteiligen.

Man sollte auch nicht vergessen, dass insbesondere die südostasiatischen Länder mit der SARS-Epidemie von 2003 bereits leidvolle Erfahrungen gemacht haben und im Nachhinein strikte Pandemie-Pläne ausarbeiteten, die ihnen jetzt zugutekommen und alles organisierter erscheinen lassen als hierzulande.

Ebenfalls sollte man erwähnen, dass diese Länder auch nach Deutschland blicken, wenn es um die Bekämpfung von Corona geht. Taiwan hat beispielsweise vor Kurzem ausgerechnet Deutschland um Hilfe bei der Versorgung mit dem Corona-Impfstoff gebeten.

Würdest du deine medizinischen Daten freiwillig herausgeben?

Ob man zudem so leicht die deutsche Bevölkerung davon überzeugen kann, ihre medizinischen Daten oder Bewegungsdaten freizügig an die Bundesregierung oder gar an US-Unternehmen wie Pfizer weiterzugeben, wenn viele schon US-Messenger-Diensten wie Facebook und WhatsApp nicht trauen, sei auch mal dahingestellt.

Selbst in Israel sind Datenschützer und Biotech-Experten nicht begeistert vom Daten-Deal mit Biontech und Pfizer.

Es ist also etwas schwierig, die Situation von Israel, Taiwan, Singapur oder Südkorea direkt mit Deutschland zu vergleichen. Und Deutschland steht sicherlich im internationalen Vergleich auch nicht am schlechtesten da.

Dennoch gäbe es sicherlich auch in Deutschland durchaus mehr Spielraum, um die Corona-Impfung durch digitale Prozesse besser voranzubringen.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.