Mitten in der Corona-Pandemie richtet das Summer Breeze ein Infektionsschutzkonzept und einen offenen Brief an die Politik. Wir beleuchten die wichtigsten Punkte und fokussieren uns dabei auf die technischen Ideen.
Während der Bund allgemeine Corona-Regeln festlegt, bietet ein renommiertes Heavy-Metal-Festival Lösungen zur Durchführung einer großen Veranstaltung an. Falscher Zeitpunkt? Nein, es ist mutig und wichtig, was das von der Silverdust GmbH repräsentierte Summer Breeze versucht.
Aus zwei Gründen: Einerseits betrifft es die taumelnde Kunst- und Kulturszene und andererseits ist die Covid-19-Strategie weit von einer riskanten Halbherzigkeit entfernt.
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Möchte sich das Summer Breeze im Spätsommer ein paar Euros sichern, während vergleichbare Events aktuell reihenweise absagen? Der Eindruck besteht keineswegs. „It’s not just music, it’s passion“, heißt es einleitend im Konzept. Die Worte verdeutlichen, dass es hierbei kaum um die kommerzielle Nadel im Heuhaufen geht.
Summer Breeze: Ein ausformulierter Hilferuf
Das im Süden von Deutschland beheimatete Summer Breeze gehört zu den größten und erfolgreichsten Metal-Festivals in Europa.
Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: ein gewisses finanzielles Polster sollte vorhanden sein und es handelt sich nicht um ein Herzensprojekt, sondern um ein Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitenden.
Wir müssen eine gefahrenminimierte Durchführbarkeit unseres Festivals mit allen Mitteln erreichen. Nur mit der Durchführbarkeit unserer Veranstaltung unter pandemiebedingten Auflagen erreichen wir die Erhaltung der musikkulturellen Werte, für die das Summer Breeze seit 1997 steht.
Die etliche Seiten umfassende Strategie ist ein symbolischer Hilferuf einer ganzen Branche. Und faktisch ein wissenschaftlich fundiertes Infektionsschutzkonzept, um eine Großveranstaltung auch unter Pandemiebedingungen möglichst sicher durchzuführen. Ersteres ist schlicht verständlich und Letzteres muss im Detail beurteilt werden.
Einige öffentlich kommunizierte Fakten zum Infektionsschutzkonzept vom Summer Breeze:
- Beteiligung von 23 Personen
- Umfangreicher Maßnahmenkatalog
- Technische und organisatorische Inhalte
- Selbst entwickeltes Riskmanagement-Tool
Beteiligt waren Personen der folgenden Unternehmen und Organisationen: Hochschule Aalen, Tickettoaster GmbH, Schickhardt Rechtsanwälte, Bayerisches Rotes Kreuz, Universität Trier, Universität der Bundeswehr München, Pro Checked GmbH, Event G.O.T. OHG und Silverdust GmbH.
Technische Lösungen der Corona-Event-Strategie
„S.A.F.E.“ steht für „Safety Assessment For Events“. Gemeint ist ein Tool, das die Silverdust GmbH in Zusammenarbeit mit der Hochschule Aalen entwickelt hat.
Das sind die fünf Eckpfeiler, die auf Basis einer 360-Grad-Betrachtung potenzielle Risiken so früh wie möglich erkennen und ihre Auswirkungen reduzieren sollen:
- Beurteilung
- Behandlung
- Steuerung
- Überwachung
- Dokumentation
In der Praxis stehen zwei bedeutende Säulen: personalisierte Tickets und die elektronische Sammlung von Daten. So können die Veranstalter:innen detaillierte Anwesenheitsprofile erstellen.
Bänder mit einem integrierten RFID-Chip sollen die Identifikation technisch unterstützen. Sie werden die Handgelenke aller Gäste, Künstler:innen und der Crew schmücken, wenn das Festival stattfindet.
Im Profil enthalten sollen auch relevante Informationen zu bisherigen Covid-19-Infektionen, Immunisierungen und dergleichen sein – alles entsprechend der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Summer Breeze 2021: Ein Test mit vielen Tests
Als dritte feste Säule gilt eine umfangreiche Test-Strategie, die auch PCR-Tests einschließt – durchgeführt in mobilen Laboren auf dem Festivalgelände.
Laut Konzept dürfen nur Menschen mit einem fachlich korrekt durchgeführten, negativen Schnelltest beim Summer Breeze 2021 anreisen. Der Test darf wiederum nicht älter als 12 Stunden sein.
Für eine logistische Ordnung vor Ort sollen Schleusen dienen, die nur nach einer Kontrolle befahrbar oder begehbar sind.
Das Netz erstreckt sich noch weiter: Im Umkreis von bis zu 30 Kilometern sollen Testzentren entstehen, in denen sich Besucher:innen zum Beispiel vom Personal des Bayerischen Roten Kreuz testen lassen können.
Wenn das Ergebnis negativ ausfällt, können sie final anreisen. Auch in den umgebenden Testzentren ist eine Systemverknüpfung vorgesehen, sodass alle Ergebnisse zentral zusammenlaufen.
Das Konzept enthält weitere obligatorische Test-Stationen – sogar vor der Abreise – und klar definierte Prozesse bei einem positiven Befund während des Festivalbetriebs. Alle ermittelten Daten werden vom Fachpersonal systemisch erfasst.
Konzept nach Open-Source-Prinzip
Das Summer Breeze ging am 20. April 2021 konsequent an die Öffentlichkeit und erreichte innerhalb kurzer Zeit zumindest szeneintern eine beachtliche Reichweite. Die Transparenz umfasst auch den Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder.
Abseits der Viralität dient die Vorgehensweise dem gemeinschaftlichen Gedanken. Das „‚Konzept zur pandemiegerechten Durchführung von Großveranstaltungen im Jahr 2021‘ wird nach dem Open-Source-Prinzip verfügbar sein und bei der Wiedergewinnung der Schaffensgrundlage zahlreicher Veranstaltenden helfen“, heißt es.
So erhoffen sich die Festival-Veranstalter:innen weniger Absagen und mehr proaktive Kontaktaufnahmen mit den zuständigen Behörden – auf der Grundlage des erarbeiteten Konzepts und gegebenenfalls ergänzenden Lösungsansätzen.
Kann die Idee aufgehen?
Letztlich ist die Corona-Pandemie eine fiese Wundertüte. Wer kann wissen, in welcher Situation wir uns im Spätsommer befinden? Wie weit wird der Impfstatus in Deutschland sein? Wird es neue Mutationen geben?
Fakt ist: Der Ansatz vom Summer Breeze ist löblich und sehr professionell. Nur so können Überlegungen dieser Größenordnung derzeit funktionieren. Aktuell ist die elementare Test-Strategie aber besonders wacklig, weil die Antigen-Tests nicht als vertrauensvoll gelten.
Da das konsequente Testen im August der primäre Weg sein soll, muss sich vor allem die Verlässlichkeit der Schnelltests bis dahin verbessern.
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