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Schnelltests als Corona-Wundermittel: Verzweiflung im Schatten eines Hashtags

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Nicht viel los in der Stadt – können Corona-Schnelltests helfen? (Foto: Unsplash.com / Philipp Lublasser)
geschrieben von André Gabriel

Kann der Zugang zu Events, Restaurants und dergleichen über Schnelltests erfolgen? Nein, #TestBoykott!!11!elf!1! Während sich die von Corona gebeutelten Branchen über jede Möglichkeit freuen, den Betrieb wieder zu öffnen, trendet auf Twitter ein querdenkender Hashtag. Ein Kommentar.

Es ist eine nervige, bedrohliche, beängstigende, absolut bescheuerte Situation, punkt. Diese Meinung muss niemand verstecken. Ebenso wenig eine konstruktive Kritik am Umgang mit der Pandemie in Richtung der Politik. Doch wir sollten das Beste daraus machen, so einfältig das auch klingt. Für uns selbst und für andere Menschen – für unsere Gesundheit.

Dass sich die Gesellschaft an dieser Stelle spaltet, weiß man nicht nur in Kassel. Allein das Internet ist prall gefüllt mit wilden Theorien, abstrusen Schlüssen und unnötigen Quervergleichen.

Unlängst brandete eine massive Hashtag-Welle bei Twitter. Einige Nutzer drehen #TestBoykott zwar um, indem sie den Hashtag mit gegenteiligem Inhalt verknüpfen. Doch viele Menschen drehen sich in die andere Richtung.

Die Positionierung wirkt wie das Stampfen eines bockigen Kindes: Wenn ich nicht drei Kugeln Eis haben darf, dann will ich gar keins!

Schnelltests: Aktuelle Lage

Seit Anfang März 2021 dürfen sich deutsche Bürgerinnen und Bürger wöchentlich einem kostenlosen Schnelltest unterziehen – in der Theorie. Doch bleiben wir gnädig: Besser spät als nie sind die Gratis-Schnelltests angeblich flächendeckend erhältlich.

Wann sie zu den anvisierten „Game-Changern“ avancieren, bleibt abzuwarten. Für die Sparten Gastro, Kunst und Kultur wären Schnelltests zumindest eine Option, die Türen wieder zu öffnen.

Gemäß der Aussage von Bund und Ländern, dass „regelmäßige Corona-Tests einen wichtigen Baustein darstellen, um mehr Normalität und sichere Kontakte zu ermöglichen“, wäre die Hoffnung nachvollziehbar.

Tübingen als potenzieller Vorreiter

Der Föderalismus macht es möglich: Liefert Tübingen den Präzedenzfall? Die Universitätsstadt in Baden-Württemberg startete am 16. März 2021 das Projekt „Öffnen mit Sicherheit“.

Nach dem Modell dürfen Menschen mit einem bescheinigten negativen Corona-Test Einrichtungen wie Geschäfte und gastronomische Außenbereiche besuchen.

Rund zwei Wochen später bilanzierte der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, das bis dato gleichermaßen kritisierte wie gelobte Projekt, das kürzlich bis zum 18. April verlängert wurde. Obwohl sich die 7-Tage-Inzidenz bis zum 28. März fast verdoppelt hatte.

Dass der Inzidenzwert gestiegen ist, bereite Palmer keine Sorgen, denn den Anstieg führe er nicht auf die Lockerungen zurück. Auffällig und bedenklich seien hingegen die nächtlich ohne Abstand feiernden Menschen in Tübingen. Daher denke er über eine zusätzliche Ausgangssperre nach.

Wie sicher sind Schnelltests?

So gesehen testet sich das Prinzip der Schnelltests aktuell selbst, während Kinos sowie Kinogänger, Restaurants sowie Restaurantliebhaber und dergleichen die Daumen drücken.

Doch Potenzial hin oder her: Sollten die verfügbaren Schnelltests zu größeren Teilen unsichere Ergebnisse liefern, ist auch der am besten geplante Versuch riskant. Dass dem so ist, behauptet die Cochrane-Organisation – ein unabhängiger Verbund aus Wissenschaftlern, Ärzten, Patienten und anderen Menschen.

Laut einem aktuellen Bericht von Cochrane Deutschland sind die Antigen-Schnelltest-Ergebnisse bei infizierten Menschen ohne Symptome sehr ungenau: Nur rund 58 Prozent der Covid-19-Infektionen wurden erkannt.

Im Umkehrschluss: Fast die Hälfte aller Getesteten könnte erkrankt sein, obwohl ihnen ein „negativ“ zertifiziert wurde. Das Londoner Science Media Centre hat den Bericht zum Teil kommentiert.

Die gesellschaftliche Kluft wächst

Deutlich wird in erster Linie erneut das Gefühl von Chaos. Welchen Quellen darf man Glauben schenken? Was geschieht in zwei Wochen und wie ist die Lage in mehreren Monaten? Wie schaut es im Jahr 2022 aus und wann komme ich eigentlich an die Impfreihe?

Fragen über Fragen, die größtenteils kaum zu beantworten sind, weil die Gesamtsituation auch für die Entscheidungsträger neu ist.

Und währenddessen vergrößert sich die Kluft zwischen „natürlich trage ich eine Maske im Alltag“ und „#TestBoykott“ zusehends. Das ist das vielleicht größte Problem unserer Zeit.

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Über den Autor

André Gabriel

André Gabriel schreibt seit Januar 2021 für BASIC thinking. Als freier Autor und Lektor arbeitet er mit verschiedenen Magazinen, Unternehmen und Privatpersonen zusammen. So entstehen journalistische Artikel, Ratgeber, Rezensionen und andere Texte – spezialisiert auf Entertainment, Digitalisierung, Freizeit und Ernährung. Nach dem Germanistikstudium begann er als Onlineredakteur und entwickelte sich vor der Selbständigkeit zum Head of Content.