Wirtschaft

Gorillas, Flink und Co.: Wie verdienen die 10-Minuten-Lieferdienste ihr Geld?

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Gorillas
geschrieben von Christian Erxleben

10-Minuten-Lieferdienste sind in immer mehr deutschen Großstädten omnipräsent. Die E-Bike-Fahrer von Gorillas, Flink und Co. bevölkern die Straßen zunehmend. Aber wie funktioniert eigentlich das Geschäftsmodell dahinter? Wie verdienen Gorillas und Co. Geld? Wir verraten es dir.

Kein neues Geschäftsmodell

Obwohl das Geschäftsmodell der 10-Minuten-Lieferdienste in Deutschland für die meisten Menschen noch relativ neu ist, haben Gorillas, Flink und Co. keinesfalls das sprichwörtliche Rad neu erfunden.

Tatsächlich haben Rafael Ilishayev und Yakir Gola mit „Gopuff“ bereits im Jahr 2013 in Philadelphia einen Lieferdienst für Lebensmittel und Konsumgüter des täglichen Bedarfs gegründet.


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Die Idee damals wie heute: Die User können bequem über eine App ihre Einkäufe erledigen. Dabei wählen sie bei Gopuff zwischen 3.000 Produkten – von der Karotte über Katzenfutter bis hin zu Sonnencreme.

Nach Abschluss der Bestellung wird der gesamte Einkauf direkt vor die Haustür geliefert. Im Fall von Gopuff beträgt die Lieferzeit maximal 30 Minuten. Bei Flink, Gorillas und Co. liegt sie bei zehn Minuten. Dementsprechend ist auch der Name der 10-Minuten-Lieferdienste entstanden.

Wie verdienen 10-Minuten-Lieferdienste ihr Geld?

Das ist vermutlich die am häufigsten gestellte Frage im Kontext mit Gorillas, Flink und Co. Schließlich erscheint das Angebot auf den ersten Blick zu schön, um wahr zu sein. Selbstverständlich spielen bei der Finanzierung einige Faktoren und auch Entwicklungen zusammen.

1. Die Lieferpauschale

Die allermeisten Lieferdienste verlangen für ihren Service einen Aufschlag für die Lieferung. Im Fall von Gorillas liegt dieser beispielsweise bei 1,80 Euro pro Lieferung. Beim US-amerikanischen Vorbild Gopuff bei 1,95 US-Dollar. Beide Preise fallen bei jeder Bestellung an und fließen somit direkt auf die Konten der Unternehmen.

2. Die Bezahlung der Fahrer

Auch hier sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Wettbewerbern nicht sonderlich groß. In der Regel liegt der Stundenlohn bei 10,50 Euro. Hinzu kommt noch eventuell erhaltenes Trinkgeld und ein monatlicher Zuschlag im niedrigen Euro-Bereich für die Verwendung des eigenen Internets.

Bedenkt man dabei, dass die Fahrenden zu fast jeder Tages- und Nachtzeit und bei widrigen Wetterbedingungen auf viel befahrenen Straßen unterwegs sind, erscheint die Bezahlung maximal durchschnittlich. Somit sparen die 10-Minuten-Lieferdienste an dieser Stelle sicherlich Geld ein.

3. Der Einkaufspreis

Die 10-Minuten-Lieferdienste werben allesamt mit „Supermarkt-Preisen“. Das heißt: Wer bei Gorillas, Flink und Co. seine Waren bestellt, zahlt nicht viel mehr als beim regulären Einkauf im Supermarkt. Das ist für Kund:innen wichtig, weil das Angebot somit attraktiv bleibt.

Allerdings sparen sich die Wettbewerber selbstverständlich trotzdem Geld. Das liegt daran, dass sie ihre Produkte direkt beim Produzenten einkaufen, mögliche Zwischenhändler eliminieren und somit aufgrund des Massenrabatts beim Einkauf die Preise senken.

Somit zahlen die Nutzenden am Ende zwar den gleichen Preis. Die Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis wandert jedoch auf die Konten der Lieferdienste.

Wie funktioniert das Geschäftsmodell der 10-Minuten-Lieferdienste?

Es zeigt sich beim ersten Blick auf das Geschäftsmodell also, dass die Gewinnmarge der Anbieter nicht sonderlich groß ist. Konkret hängt der Ertrag von zwei wesentlichen Faktoren ab:

  1. Der Anzahl der Bestellungen
  2. Die Anzahl der Lieferungen pro Stunde je Fahrer:in

Wenn das Angebot von Gorillas und Co. nicht genutzt wird, entstehen zwangsläufig Kosten. Auf der einen Seite werden alle frischen Lebensmittel wie Obst und Gemüse schlecht. Wenn die Nachfrage nach diesen Produkten also an manchen Tagen gering ist, werden nicht nur Lebensmittel, sondern auch Geld vernichtet.

Das gilt selbstverständlich auch für die Auslastung der Fahrer:innen. Je weniger Bestellungen es gibt, desto mehr Angestellte sitzen in den dezentralen Lagern untätig herum.

Auf der anderen Seite ist die Auslastung der Fahrenden entscheidend. Je mehr Bestellungen sie in einer Stunde erledigen können, desto höher ist der Ertrag, den sie pro geleisteter Arbeitsstunde erwirtschaften.

Dezentrale Lager als Schlüsselelement

Um sowohl das Lieferversprechen von zehn Minuten zu halten, als auch die Lieferfrequenz pro Fahrer:in zu steigern, ist es für die Anbieter essenziell, möglichst viele dezentrale Lager an möglichst vielen Stellen zu haben. Je mehr Lager es gibt, desto kürzer sind die Wege für die Lieferungen.

Gorillas ist derzeit in 17 deutschen Städten sowie punktuell in Frankreich, der Niederlande, Großbritannien und Italien aktiv. Konkurrent Flink bietet seine Dienstleistungen mittlerweile in 18 deutschen Städten, in der Niederlande und in Paris an.

Je mehr Anbieter es gibt, desto mehr Lagerflächen werden in den (deutschen) Städten benötigt. Dementsprechend steht der Expansion von Gorillas, Flink und Co. früher oder später ein Logistikproblem bevor. Wie halten sie ihr Versprechen, wenn es keine verfügbaren Lagerräume mehr gibt?

Die größten Kostenpunkte für die 10-Minuten-Lieferdienste

Wir sind bereits auf die Einnahmequellen der 10-Minuten-Lieferdienste eingegangen. Selbstverständlich stehen dem gegenüber auch zahlreiche Ausgaben. An erster Stelle sind dabei selbstverständlich die Mietkosten für die Lager zu nennen.

Hinzu kommen noch die Kosten für die Bezahlung der Fahrer:innen, der Lebensmittel und der E-Bikes, die als Fortbewegungsmittel dienen. Damit wiederum sind zahlreiche weitere Kostenquellen verbunden:

  • Stromkosten für das Laden
  • Mietkosten für die Abstell- und Ladeflächen für die E-Bikes
  • Reparatur- und Verschleißkosten, die durch die Abnutzung oder Unfälle entstehen.

Die Kosten für das Betreiben der eigenen Anwendungen, die Abwicklung der eingehenden Zahlungen und weitere Kostenpunkte fallen ebenfalls an. Allerdings fallen diese vermutlich weniger ins Gewicht.

Jahresverträge für Fahrer

Beim genauen Blick auf die Beschäftigungsverhältnisse fallen jedoch Schwachstellen im System auf. So hebt Gorillas-Chef Kagan Sümer gerne hervor, dass alle Mitarbeitenden fest angestellt sind. Bedenkt man jedoch, dass das nach deutschem Recht vorgeschrieben ist, wirkt dieses Argument schon weniger.

Hinzu kommt, dass die Fahrer:innen wohl nur mit Jahresverträgen abgespeist werden. Das teilt beispielsweise das „Gorillas Workers Collective“ mit. Besonders pikant ist dabei, dass die Probezeit über sechs Monate läuft.

Das heißt: Die Hälfte der Vertragslaufzeit dürfen die Fahrer:innen ohne Angabe von Gründen und ohne Vorwarnung von den Lieferdiensten entlassen werden. Tatsächliche Sicherheit gibt es für die Mitarbeitenden folglich nicht.

Allerdings sind derartige Vertragsstrukturen selbstverständlich für die Arbeitgebenden sehr lukrativ. Sie bieten viel Flexibilität bei wenig Verantwortung und im Zweifelsfall viele Ausstiegsmöglichkeiten.

Die Zukunft der 10-Minuten-Lieferdienste in Deutschland

Die Nische der 10-Minuten-Lieferdienste in Deutschland ist also sehr speziell. Auf der einen Seite wird versucht, die Kosten an möglichst vielen Stellen zu minimieren. Auf der anderen Seite wird der Profit maximiert, ohne, dass die Kosten für die User zu hoch werden.

Warenkorbsumme von 30 Euro ist das Ziel

Dass dieser Spagat anspruchsvoll ist, versteht jeder wirtschaftliche Laie. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Gorillas-Chef Kagan Sümer in einem Interview mit den Online Marketing Rockstars mit einem Warenkorb von 30 Euro kalkuliert.

Schließlich sorgt jedes Produkt, das mit einem Gewinn verkauft wird, dafür, dass die Erträge steigen. Mit dem Verkauf von Einzelprodukten lässt sich bei den anfallenden Kosten auf Dauer kein lukratives Geschäftsmodell etablieren.

Kein skalierbares Geschäftsmodell

Allerdings lassen sich zu große Einkäufe mit dem bisherigen Geschäftsmodell „Fahrer liefert Ware auf E-Bike“ nicht mehr realisieren. Je mehr die Menschen folglich einkaufen, desto mehr Kraft und Energie ist für die Auslieferung notwendig.

Wenn es also noch möglich ist, einen kleinen Wocheneinkauf auf dem Rücken eines Rads zu transportieren, sieht das schon anders aus, wenn zu zehn Getränkeflaschen noch sechs Kilo Lebensmittel hinzukommen.

Entweder müssen sich die 10-Minuten-Lieferdienste also zusätzlich eine Flotte an Elektroautos anschaffen oder eine Bestellung auf mehrere Fahrer:innen aufteilen. Beide Lösungen sind nicht sonderlich attraktiv.

E-Bikes, Überwachung, Kündigungen: Gorillas und Co. haben riesige Probleme

Zugleich zeigt sich schon ein Jahr nach der Gründung im Mai 2020, dass durch die konsequente Kostenoptimierung bei Gorillas massive Probleme entstehen.

Im zentralen Lager in Berlin ist es im Juni 2020 schon zu wilden Streiks gekommen. Die Fahrer:innen beschweren sich – wie bereits angesprochen – unter anderem über nicht nachvollziehbare Kündigungen und kaputte Räder, zu deren Nutzung sie gezwungen werden.

Laut den Angaben des Gorillas Workers Collective landen regelmäßig Fahrer:innen im Krankenhaus, weil die E-Bikes nicht mehr fahrtauglich sind und aufgrund dessen Unfälle entstehen.

Hinzu kommen schwere Verstöße gegen die Privatsphäre und das Datenschutzrecht im Zusammenhang mit den Fahrer:innen. Diese sollen zwar in der Zwischenzeit geklärt sein. Nichtsdestotrotz bleibt das Tracking der Mitarbeitenden alleine aufgrund des Geschäftsmodells an der Tagesordnung.

Fazit

Abschließend sieht die Zukunft der 10-Minuten-Lieferdienste derzeit nicht sonderlich rosig aus. Die Art und Weise, in der Gorillas, Flink und Co. ihr Geld verdienen, ist von zu vielen Faktoren abhängig. Zudem fällt den Unternehmen zunehmend die Fokussierung auf Gewinnmaximierung auf die Füße.

Schließlich sind auch die Kund:innen nicht dazu bereit, die Dienstleistungen zu nutzen, wenn bekannt ist, dass die Fahrer:innen unter schlechten Bedingungen arbeiten. Fest steht: Es gibt viele Probleme, die schwer zu lösen sind. Dementsprechend ist es gut möglich, dass der Hype um die 10-Minuten-Lieferdienste schnell abflacht.

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.

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