Fast jeder von uns hat von einer Führungskraft im Job schon einmal gehört, dass er aufhören soll, in Problemen zu denken. Stattdessen soll der Fokus darauf liegen, dass wir Probleme lösen. Das ist zwar richtig, jedoch nur ein Bruchteil des Prozesses.
Probleme lösen: Die Suche nach der Ursache
Zugegebenermaßen ist der Titel etwas provokant formuliert. Er basiert jedoch auf dem Zitat von Einstein, das eines meiner absoluten Lieblingszitate in Bezug auf das Lösen von Problemen ist:
Wenn ich eine Stunde Zeit hätte ein Problem zu lösen, von dem mein Leben abhängt, würde ich 55 Minuten damit verbringen das Problem richtig zu verstehen und fünf Minuten mit der Lösung!
Ist es nicht heutzutage genau umgekehrt? Angenommen du entdeckst ein Problem in deinem Job und gehst damit zu deiner Führungskraft. Was ist ihre erste Frage? Genau: „Hast du dir schon Gedanken über mögliche Lösungen gemacht?“
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Falls du es nicht getan hast, wirst du aller Wahrscheinlichkeit nach zurück an deinen Schreibtisch geschickt, um dir Lösungen zu überlegen.
Einstein hätte dir sicherlich andere Fragen gestellt. Zum Beispiel: „Ist ja interessant. Gibt es denn rund um dieses Problem noch weitere? Was könnten die Ursachen für dieses Problem sein? Hatte ein Kollege von dir schon einmal ein ähnliches Problem?“
Diese Denkweise bewahrt uns davor, uns direkt in die Lösung zu stürzen und unnötige Ressourcen dafür zu blocken. Vielleicht gibt es nämlich neben diesem einen – durch Zufall gefundenen – Problem zahlreiche weitere, deren Lösung einen viel größeren Mehrwert darstellen würde.
Wir sollten Probleme beim Namen nennen!
Du siehst schon: Ich verwende gerne das Wort „Problem“. Immer wieder erlebe ich Unternehmen, deren Mitarbeiter mir sagen: „Dennis, bei uns sollen wir von Challenges oder Herausforderungen sprechen, aber wenn möglich nicht das Wort „Problem“ verwenden.“
Das ist doch Quatsch! Ich bin der Meinung, wenn es sich um ein Problem handelt, sollten wir es auch beim Namen nennen und nicht um den heißen Brei herumreden. Erst dadurch steigt die Dringlichkeit und wir beginnen uns intensiver mit dem Problem zu beschäftigen.
Probleme werden wir in Zukunft mehr als genug haben. Nicht umsonst ist „Complex Problem Solving“ einer der wichtigsten Future Work Skills.
Probleme lösen: Die drei großen „D“
Für mich sind es vor allem die drei großen D, auf die wir Menschen eine Antwort finden müssen, wenn wir unseren Enkeln einen einigermaßen intakten Planeten hinterlassen möchten.
Die drei D sind:
- Demografischer Wandel
- Digitalisierung
- Decarbonisierung
Alle bringen ihre eigenen Herausforderungen mit, die es zu lösen gilt. Aber wie geht man am besten an die Lösung komplexer Probleme heran?
Der Double-Diamond als Werkzeug zur Problemlösung
Am besten mit dem divergenten Denken. Ich möchte dir im Folgenden den sogenannten „Double-Diamond“ aus dem Design-Thinking-Prozess vorstellen. Er besteht aus zwei Rauten: dem Problemraum und dem Lösungsraum.
Die beiden Rauten werden als Diamanten bezeichnet und beide bestehen jeweils aus zwei Phasen: dem divergenten und dem konvergenten Denken. Also aus dem „Öffnen“ und dem „Schließen“ der beiden Räume.
Was bedeutet das?
Nehmen wir noch einmal das Beispiel vom Beginn. Angenommen, du hast ein Problem entdeckt. Dann denkst du nicht direkt über mögliche Lösungen nach, sondern verweilst zunächst im Problemraum.
Du nimmst das Thema mit ins nächste Teammeeting und fragst deine Kollegen nach ihrer Meinung und nach eventuellen weiteren Problemen. Gemeinsam taucht ihr in die Fragestellung ein und versucht die wahren Ursachen und die dahinterliegenden Beweggründe zu identifizieren.
Völlig ohne zu beurteilen sammelt ihr zunächst einmal alle Pain Points, Herausforderungen und Bedürfnisse der betroffenen Stakeholder. Erst wenn diese erste Phase abgeschlossen ist, gehst du an die Bewertung und Priorisierung der einzelnen Probleme.
Hier kommt das sogenannte konvergente Denken im Problemraum zum Einsatz. Wenn du glaubst das Problem richtig verstanden zu haben, hast du die ersten 55 Minuten aus Einsteins Zitat hinter dir.
5 Minuten für die Lösung
Jetzt bleiben dir noch fünf Minuten, um mit Hilfe von Kreativitäts-Methoden wie Brainstorming, Brainwriting und anderen auf gute Lösungen zu kommen. Auch hier stürzt du dich nicht direkt auf die erstbeste Idee, sondern sammelst erst einmal wieder völlig wertungsfrei. Das ist der erste Teil des Lösungsraums.
Wenn diese Sammlung abgeschlossen ist, gehst du schließlich in die finale Bewertung und wählst die Lösungen aus, die deiner Meinung nach den größten Erfolg bei der Lösung des identifizierten Problems versprechen.
Ich durfte letztens eine Gruppe eines österreichischen Lebensmittelhändlers coachen. Nachdem sie das Prinzip der beiden Räume kennengelernt hatten, waren sie sich einig.
Sie sagten mir, sie hätten einen kleinen hässlichen, dunklen Meetingraum im Keller, den nennen sie ab sofort den „Problemraum“. Dort sprechen sie nur noch über Probleme. Im ersten Stock haben sie einen schönen, großen und hellen Meetingraum mit Blick auf die Berge. Den nennen sie „Lösungsraum“ und sprechen nur über Lösungen.
Fazit
Ich fand die Idee genial. Um nicht ständig zwischen den Räumen hin und her zu springen, können wir wirkliche physische Räume verwenden. So beschäftigen wir uns intensiver mit dem Probleme lösen, damit wir möglichst schnell wieder in den hellen Raum mit Blick auf die Berge kommen.
Probiere es gerne beim nächsten Problem, das dir begegnet, einmal aus. Stürze dich nicht sofort auf die Lösung, sondern versuche erst den Problemraum zu erforschen.
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