Gendergerechte Sprache wird ein immer wichtigerer Bestandteil unserer Gesellschaft. Doch für SEOs und Redakteur:innen stellt sich die Frage: Wie lassen sich das Gendern und SEO miteinander verbinden? SEO-Experte Boris Wartenberg gibt im Interview Antworten.
Es gibt in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen, die sich nicht als „Mann“ oder „Frau“ bezeichnen. Dabei handelt es sich um nicht-binäre Personen, die trotzdem ein wichtiger Teil unseres Lebens sind.
All jene Menschen sprechen wir an, indem wir auf gendergerechte Sprache setzen. Durch den Gender-Doppelpunkt oder das Gender-Sternchen betreiben wir sprachliche Inklusion, sodass kein Mensch bewusst (oder unbewusst) durch das generische Maskulinum im Deutschen ausgeschlossen wird.
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Wie lassen sich Gendern und SEO vereinen?
Diese Frage stellen sich viele Suchmaschinen-Expert:innen und Redakteur:innen täglich. Schließlich ist die Optimierung für Google und Co. sehr speziell. Zugleich haben Fehler dabei direkte und messbare Auswirkungen auf die Reichweite einer Seite.
Deshalb haben wir im Interview mit Boris Wartenberg, SEO-Spezialist bei Searchmetrics, über die Vereinbarkeit von Gendern und SEO, Fehler und Lösungen gesprochen.
BASIC thinking: Boris, spätestens seit dem Jahr 2021 spielen gendergerechte und gendersensible Sprache in Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle. Das betrifft natürlich nicht nur Magazine, sondern auch ihre SEO-Strategie. Deshalb gleich zu Beginn die Frage: Wie wirkt sich das Gendern auf SEO aus?
Boris Wartenberg: Das ist gar nicht einfach zu beantworten, da die möglichen Auswirkungen von vielen teilweise sehr unterschiedlichen Faktoren abhängen. Grundsätzlich ist es so, dass Google durchaus sehr lernwillig ist.
Die verschiedenen Algorithmen sind darauf ausgelegt hinzuzulernen, um besser interpretieren und verstehen zu können. Letztlich bleibt die Frage wie sich Gendern ganz allgemein durchsetzt und wie sich die User-Fragen ändern. Google ist ja in großen Teilen ein Abbild dessen, was User tagtäglich in den Suchschlitz eintragen.
Gendern und SEO: Die Problematik mit den Satzzeichen
Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten beim Gendern. Es gibt den Doppelpunkt, das Sternchen und den großen Binnenbuchstaben. Wie reagiert Google auf die einzelnen Zeichen? Insbesondere Satzzeichen haben für Suchmaschinen ja oftmals auch andere Bedeutungen.
Exakt. Die Problematik bei diesen Schreibweisen ist, dass Google als Textsuchmaschine teilweise sehr durcheinanderkommt. Auch sind hier die Suchergebnisse zum Teil sehr durchwachsen.
In meiner Masterclass habe ich ein paar Beispiele genannt: Sucht man in Google nach „Lehrer:in Gehalt“ werden fast ausschließlich männliche Suchergebnisse präsentiert. Google weiß aktuell noch nicht wirklich damit umzugehen.
Auf der anderen Seite ist die Frage nach „Kandidat:innen“ recht eindeutig. Was aber darauf zurückzuführen ist, dass dieser exakte Begriff in den Title Tags und Meta-Daten der ersten Suchergebnisse zu finden ist.
Bei diesem Begriff ist es auch so, dass er aktuell von den Medien und den Parteien oft genutzt wird und damit für Google wesentlich bekannter sein wird. Abzuwarten bleibt, ob sich auf eine generelle Schreibweise durchsetzt oder unter Umständen sogar empfohlen wird.
Ganz konkret: Welche Ergebnisse zeigt Google an, wenn ich nach einem gegenderten Wort (Nutzer:innen) suche? Die Ergebnisse für Nutzer? Die Ergebnisse für Nutzerinnen oder die Ergebnisse mit dem Inhalt Nutzer:innen?
Zuallererst: Google fragt mich, ob ich denn nicht Nutzerinnen gemeint habe. Google scheint also den Doppelpunkt als „Versehen“ zu interpretieren. Mein erster organischer Treffer hat im Title: „Nutzer & Nutzerinnen richtig gendern“.
Google hat also durchaus erkannt in welche Richtung meine Anfrage geht. Die nachfolgenden Suchergebnisse zielen dann eher auf Nutzerinnen ab als auf Nutzer oder eben auf beide Schreibweisen: Nutzer und Nutzerinnen.
Neutrale Begriffe und Tätigkeiten in der Google-Suche
Zuletzt gibt es noch die Möglichkeit, auf „neutrale“ Alternativen zurückzugreifen. Das können dann beispielsweise „Arbeitgebende“, „Angestellte“ oder die Tätigkeit statt einer Person („Autofahren“ statt „Autofahrer“) sein. Wie steht Google dazu?
Mal abgesehen davon, wie Google das interpretiert, ist es für die Texterstellung eine gute und auch lesbare Möglichkeit, ein Thema zu beschreiben. Aus SEO-Sicht hat das natürlich Grenzen.
Wenn ich für ein wichtiges Keyword ranken möchte oder muss, damit ein entsprechendes Suchvolumen erreicht wird, kann es sein, dass ich mich einer Schreibweise unterordnen muss, die das generische Maskulinum enthält. Ein Beispiel: Wenn ich bei Google beginne „Ausbildung zum Graf“ einzugeben, kommen automatisiert ausschließlich „männliche“ Vorschläge:
Schaut man sich hierzu die Suchvolumen an, ist auch klar, woher das kommt:
- Ausbildung zum Grafikdesigner: 170
- Ausbildung zur Grafikdesignerin: 40
Bei anderen Keywords sind die Unterschiede noch wesentlich größer. Grundsätzlich sei aber auch hier angemerkt, dass Google immer weiter dazulernt. Gerade das Textverständnis wächst rapide und Google wird immer mehr dieser Alternativen richtig einordnen können.
Gendern und SEO: Das Problem der Synonyme
Ist Google schon so intelligent zu erkennen, dass „Arbeitgebende“ und „Arbeitgeber“ als Synonym für die gleiche Suchanfrage zum Einsatz kommen?
Aktuell sieht es noch nicht so aus, als ob Google das schon bei allen Begriffen und in allen Umgebungen kann. Um bei dem konkreten Beispiel zu bleiben, hat man die Möglichkeit, „Arbeitgebende“ im Title Tag zu nutzen und „Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber“ in der Meta Description.
Damit ist man bestimmt auf der sicheren Seite, wenn nicht noch andere Faktoren für andere Varianten sprechen. Und nicht zuletzt kann man im Text selbst für Abwechslung sorgen und beide Varianten nennen.
Im SEO-Grundlagenkurs lernen viele Redakteur:innen, dass es wichtig ist, dass das Keyword in seiner Reinform beispielsweise in der Überschrift, im Vorspann und im SEO-Title zu sehen ist. Sollte dort für ein gutes Ranking weiterhin das generische Maskulinum stehen oder sind auch Doppelpunkt- und Sternchen-Varianten in Ordnung?
Grundsätzlich wird das auch weiterhin seine Richtigkeit haben. Wenn ich einen Text erstelle mit dem Ziel organischen Traffic zu erhalten, dann ist eine Keyword-Ausrichtung die richtige Strategie. Diese Keywords sollen sich an den verschiedenen Stellen wiederfinden.
Bis Google versteht, dass die verschiedenen Schreibweisen eine Berechtigung haben, wird aber wohl noch eine Weile vergehen. Von Fall zu Fall muss man abwägen, ob es Sinn macht, entsprechende Varianten zu nutzen.
Da fürchte ich, auch wenn das einigen missfallen wird, wird man testen müssen welche Variante zu den besseren Ergebnissen führt. Wichtig ist auch zu beachten, dass die speziellen Schreibweisen überwiegend den deutschsprachigen Raum betreffen.
Tipps für gendergerechte Sprache im Beruf
Die Befürchtung der Verantwortlichen ist dabei natürlich, dass Google die Inhalte mit gegenderten Varianten nicht mehr findet und dadurch der Search-Traffic einbricht. Was entgegnest du auf diese Sorgen? Sind sie berechtigt?
Da muss man ein bisschen mehr sehen als „nur“ die gegenderten Wörter. Wenn ich einen Text zu einem Thema habe, dann besteht der ja nicht nur aus diesen einzelnen Wörtern, sondern aus einem Text zu einem Thema. Man sendet im besten Fall mehr als ein einziges Signal an Google.
Ich habe bislang auch noch keine Webseite gesehen, die durch Gendering in den Rankings verloren hat. Bezogen auf einen Inhalt der online ist, sieht Google ja nicht nur die Meta-Daten, sondern den gesamten Text, die interne Verlinkung und die Gesamtstruktur der Webseite.
Welche konkreten Tipps würdest du Redakteur:innen und SEOs für gendergerechtes SEO in der Praxis bei der Content-Erstellung mit auf den Weg geben?
Seid kreativ und nutzt die Möglichkeiten. In einem Text ist es fast immer möglich, verschiedene Varianten zu nutzen. Lehrerinnen und Lehrer, Nutzerinnen und Nutzer oder etwa: “unser Team bestehend aus Grafikerinnen und Grafikern“ und so weiter.
Fehler im Umgang mit Gendern im SEO-Kontext
Und was sollten die Verantwortlichen unbedingt in der täglichen Praxis unterlassen?
Das Thema links liegen lassen. Auch wenn es Mehrarbeit und Aufwand bedeutet: Die Außenwirkung ist nicht zu unterschätzen. Wichtig ist, sich zu überlegen was die eigene Zielgruppe verlangt. Sonst wird man im schlimmsten Fall abgehängt, wenn der Wettbewerber schon gendert und man selbst noch überlegt, ob das überhaupt sinnvoll ist.
Schon von Beginn hat sich Google dazu bekannt, auf die Interessen der Nutzer:innen zu achten. Das ist beim Gendern spannend. Auf der einen Seite sind die (bekanntermaßen faulen) User, die sicherlich auch weiterhin ohne gendergerechte Sprache ihre Suchen durchführen werden. Auf der anderen Seite stehen Publisher, die auf gendergerechte Sprache setzen. Worauf achtet denn Google nun mehr, um Begrifflichkeiten richtig zu beachten?
Dieser Zwiespalt besteht ja immer, auf der einen Seite ist es für Google elementar was Userinnen und User suchen, auf der anderen Seite muss Google auch eine entsprechende Antwort bereit haben.
Ganz genau können wir nicht wissen an welcher Stelle Google welche Priorität setzt. Aber auch hier der Appell, kreativ und vielseitig zu sein. Wenn ich die sprachlichen Möglichkeiten und Varianten nutze, falle ich nicht hinten über und Google betrachtet mich weiterhin als relevant genug, um in den Suchergebnissen angezeigt zu werden.
Sich an Vorbildern orientieren
Ist der Mehraufwand, den Gendern im SEO mit sich bringt, deiner Meinung nach lohnenswert?
Grundsätzlich ist das eine Überlegung, die man abwägen muss. Der Mehraufwand hängt von etlichen sehr unterschiedlichen Faktoren ab. Man sollte bei der Betrachtung allerdings auch die weichen Faktoren berücksichtigen. Grundsätzlich finde ich es absolut angemessen, wenn das generische Maskulinum abgelöst wird.
Da möchte ich noch mal daran erinnern, dass einige große Nachrichtenagenturen wie AFP, dpa, KANN und Reuters gemeinsam vereinbart haben, zukünftig „diskriminierungssensibler“ zu berichten und das generische Maskulinum schrittweise zurückgedrängt werden soll.
Und am Ende möchte ja niemand hinterherhinken – das wäre dann auf jeden Fall eher schlecht, nicht nur für das Image des Unternehmens.
Vielen Dank für das Gespräch, Boris!
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