Wirtschaft

Wieso Deep Work die Sofort-Kultur im Job endlich ersetzen muss

Deep Work, Stress im Job, Sofort-Kultur
Adobe Stock/ tatomm
geschrieben von Christian Erxleben

Beinahe im Minutentakt treffen neue E-Mails in deinem Postfach ein. Dein Zimmerkollege hat ebenfalls viele Fragen und dann sind da noch die unzähligen unnötigen Meetings. Echte Phasen mit Deep Work sind in unserer Jetzt-Sofort-Arbeitswelt nicht mehr möglich. Das ist gefährlich und muss sich ändern. Ein Kommentar.

Nur 31 Prozent der Deutschen sind uneingeschränkt zufrieden im Job

Das ist das ernüchternde Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Ernst&Young zur Zufriedenheit und Motivation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Ein Jahr zuvor hatte noch fast die Hälfte der Angestellten (49 Prozent) hierzulande nichts an ihrem Job auszusetzen gehabt.

Zeitgleich ist die Anzahl der Arbeitnehmer in Deutschland massiv gestiegen, die mit ihrem Job sehr unzufrieden sind. Die Quote ist innerhalb eines Jahres von zehn auf 17 Prozent angestiegen – ein Trend der Arbeitgeber und Ärzte gleichermaßen bedenklich stimmen sollte.


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Geringe Motivation führt zu sinkender Produktivität

Eine weitere spannende Erkenntnis der Befragung: Nicht nur die Zufriedenheit der Angestellten in Deutschland sinkt. Auch mit der Motivation geht es bergab. Das heißt ganz konkret: Weniger als ein Fünftel der Deutschen geht hochmotiviert zur Arbeit.

Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Auch wenn es oftmals anders suggeriert wird: Das Gehalt ist in der Masse nicht das Problem. Stattdessen sind eine kollegiale Zusammenarbeit und ein gutes Arbeitsklima für die eigene Motivation essenziell.

Jetzt sofort: Wie die Kommunikation unsere Motivation eliminiert

Und noch ein weiterer Faktor sorgt – meistens unbemerkt – dafür, dass wir immer unmotivierter ins Büro gehen und die Frustration im Job steigt. Der Grund dafür ist die Art der digitalen Kommunikation, die mehr und mehr Jobs vereinnahmt.

Durch Messenger-Dienste wie WhatsApp und berufliche Kommunikationsplattformen wie Slack werden wir darauf getrimmt, Nachrichten sofort zu beantworten. Wenn eine Push-Nachricht auf dem Computer-Bildschirm oder am Smartphone aufleuchtet, sind die meisten Menschen mittlerweile darauf konditioniert, alles stehen und liegen zu lassen und zu antworten.

Deep Work adé: Jede Unterbrechung kostet mindestens 20 Minuten

Diese stetige Erreichbarkeit sorgt dafür, dass wir uns nicht mehr richtig konzentrieren können. Ständige Anfragen per E-Mail, Chat-Nachricht, Telefon oder auch von Kollegen persönlich sorgen dafür, dass wir fortlaufend aus unserem Arbeitsalltag herausgerissen werden.

Das ist beispielsweise für Projektkoordinatoren und Sekretariate in Ordnung. Für das Erstellen von Konzepten oder das konzentrierte Umsetzen von Aufgaben ist die Jetzt-Sofort-Kultur dagegen sprichwörtliches Gift.

Tatsächlich hat beispielsweise eine wissenschaftliche Arbeit der University of California ergeben, dass jegliche Form der Unterbrechung unsere Deep Work Phasen sofort unterbricht. Bis wir dann wieder konzentriert und ungestört arbeiten und unser Geist nicht mehr abgelenkt ist, vergehen im Durchschnitt 20 Minuten.

Deep Work am Morgen, Shallow Work am Nachmittag

Wie lässt sich also dieses Dilemma lösen? Denn klar ist auch: Digitale Kommunikation gehört zu unserer Arbeitswelt. Sie wird auch nicht wieder verschwinden. Ebenso brauchen immer wieder Kollegen oder Vorgesetzte deine Hilfe. Auch daran ändert sich nichts, solange du in einem Team arbeitest.

Deshalb plädiere ich dafür, die Zeit sinnvoll aufzuteilen. Nach einem Morgen-Meeting mit den wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen sollte jeder Mitarbeiter die Möglichkeit haben, in eine Phase von Deep Work einzutauchen. Das heißt: für zwei bis vier Stunden keine Unterbrechungen bis zur Mittagspause.

Am Nachmittag steht dann die Shallow Work an. Das sind all jene Aufgaben, die du auch unter ständigen Ablenkungen erledigen kannst. Dazu gehört beispielsweise das Beantworten von E-Mails, die Teilnahme an Meetings oder die Koordination von Terminen.

Da die allermeisten Menschen nach der Mittagspause und mit zunehmender Arbeitszeit ohnehin unkonzentrierter werden und Deep Work somit nur schwer realisierbar ist, ist ein derartiges Konzept sehr hilfreich.

Ausnahmen nur für Notfälle

Um wirklich von derartigen Strukturen zu profitieren, ist es wichtig, diese konsequent einzuhalten. Deshalb sollten Unterbrechungen in der Deep Work Time klar definiert sein. Wenn beispielsweise der Vorstand ein Ad-hoc-Problem gemeldet hat oder ein Notfall auftritt, ist es selbstverständlich, dass das konzentrierte Arbeiten unterbrochen werden kann.

Ansonsten muss es klar sein, dass E-Mails und Anrufe bis nach der Mittagspause unbeantwortet bleiben. Übrigens: Wer ein derartiges System einmal testet, stellt schnell fest, dass die allermeisten Bittsteller überhaupt keine sofortigen Antworten erwarten. Das zeigt auch, wie groß der mentale Druck ist, den wir uns selbst aufbauen.

Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kommentar. Das ist eine journalistische Darstellungsform, die explizit die Meinung des Autors und nicht des gesamten Magazins widerspiegelt. Der Kommentar erhebt keinen Anspruch auf Sachlichkeit, sondern soll die Meinungsbildung anregen und ist als Meinungsbeitrag durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.