Die KI-Blase wächst kontinuierlich – bis sie platzt. Die Frage ist nur: Wann ist es soweit? Das Problem: Unzählige KI-Firmen mit Milliardenbewertungen verfügen über kein tragfähiges Geschäftsmodell. Was am Ende bleiben wird? Weniger KI-Unternehmen, und vielleicht Werbung bei ChatGPT und Co.
Hintergrund
- OpenAI – das Unternehmen hinter der beliebtesten KI-Anwendung ChatGPT – erwartet zwar bis ins Jahr 2029 einen Jahresumsatz von 125 Milliarden US-Dollar. Der Weg bis dahin ist jedoch steinig: Der geschätzte Jahresumsatz für 2025 liegt gerade einmal bei zehn Milliarden US-Dollar. Hinzu kommt: Bislang arbeitet OpenAI komplett defizitär. 2024 verzeichnete das Unternehmen einen Verlust von rund fünf Milliarden US-Dollar.
- Auch OpenAI-CEO Sam Altman ist sich des Problems bewusst. Bei der Vorstellung von GPT-5 Anfang August 2025 sagte er, dass ChatGPT mittlerweile 700 Millionen wöchentlich aktive Nutzer verzeichnet. Der Haken dabei: Lediglich fünf Millionen Menschen haben derzeit ein kostenpflichtiges Abonnement abgeschlossen, weswegen Altman auf der dringlichen Suche nach neuen Firmenkunden und neues Bezahl-Features ist, um Geld in die klammen Kassen zu spülen.
- Die Lösung liegt auf der Hand: Werbung in ChatGPT. In einer exklusiven, repräsentativen Umfrage hat das Fachmagazin Horizont mit der Hilfe der Meinungsforscher von YouGov herausgefunden, dass 31 Prozent der befragten Deutschen mit Werbung einverstanden sind, wenn die KI-Anwendungen kostenlos sind. Weitere 40 Prozent machen ihr Einverständnis davon abhängig, wie aufdringlich die Werbeanzeigen sind.
Einordung
Fest steht: In der KI-Welt existiert schon jetzt ein klaffende Lücke zwischen den Milliardenbewertungen von unzähligen KI-Firmen wie Perplexity, OpenAI, Safe Superintelligence, 0G Labs, Magic oder Skild AI und den fehlenden Ideen und Möglichkeiten zur Refinanzierung.
Ein Blick über den Tellerrand und in die Vergangenheit zeigt: Jedes noch so gute und innovative Produkt im Bereich der Technologie, das am Anfang für seine Werbefreiheit beworben worden ist, wurde früher oder später monetarisiert – in den allermeisten Fällen mit Werbung. Ein paar Beispiele gefällig? Instagram Stories, der TikTok Feed oder BeReal. Ohne Geld geht es nicht. Punkt.
Neben einer Konsolidierung in der KI-Branche ist deshalb fest davon auszugehen, dass immer mehr kostenfreie KI-Anwendungen in Zukunft nur dann kostenlos bleiben, wenn wir Nutzer die Werbung akzeptieren – so wie bei Sozialen Netzwerken, Apps und Medienhäusern. Da schon erste interne Gerüchte bekannt geworden sind, dass ChatGPT über eine Refinanzierung durch den Verkauf von Werbeanzeigen nachdenkt, ist davon auszugehen, dass wir spätestens 2026 die ersten vorsichtigen Werbe-Experimente sehen werden. Ein Hoch auf die Kreativität der Tech-Konzerne.
Stimmen
- Mitte Juni 2025 hat OpenAI-CEO Sam Altman in der ersten Podcast-Folge (ab Minute 16:20) des unternehmenseigenen Formats gesagt: „Wir haben bislang noch kein Werbeprodukt gemacht. Ich bin nicht völlig dagegen. Ich kann Beispiele nennen, wo mir Werbung gefällt. Ich finde Werbung auf Instagram eigentlich cool – ich habe da schon eine Menge Dinge gekauft. Aber ich glaube, es wäre sehr schwierig … man müsste dabei wirklich sehr sorgfältig vorgehen, um es richtig zu machen.“
- Nick Turley ist als Chief Product Officer bei OpenAI in leitender Rolle mitverantwortlich für die Weiterentwicklung von ChatGPT. In einem Interview sagte er, dass er „bescheiden genug ist, um das (Werbung) nicht kategorisch auszuschließen“. Er ergänzt, dass die Voraussetzung für Werbung bei ChatGPT sein muss, dass sie „sehr durchdacht und geschmackvoll“ sein muss.
- Der deutsche Wirtschaftsjournalist Frank Puscher warnt in einem Artikel bei Meedia zur Monetarisierung von ChatGPT: „Nutzer und Nutzerinnen erwarten neutrale und vertrauenswürdige Aussagen, die nicht durch kommerzielle Interessen verzerrt werden. Gelingt OpenAI eine geschmackvolle Integration, könnte ChatGPT zu einer ernsthaften Konkurrenz für Google im Werbemarkt werden.“
Ausblick
Wir können davon ausgehen, dass es bald ein ChatGPT mit Werbung gibt – andernfalls wäre OpenAI als Firma früher oder später entweder pleite oder ein Übernahmekandidat. Denn ohne Einnahmen wird auch das beste KI-Produkt nicht unendlich viel Geld bei Investoren einsammeln können.
Der Prozess ist immer gleich: Ausgezeichnetes, kostenloses Produkt, um Bekanntheit zu schaffen – wie bei Spotify, Netflix oder auch Facebook – und im Anschluss dann die Wahl: kostenlose Nutzung mit Werbung oder kostenpflichtige Nutzung ohne Werbung. Werbung als Erpressungsmöglichkeit – quasi. Einzelne Ausnahmen wie Adobe und Microsoft zeigen, dass es möglich ist, von Einmalkäufen auf Abo-Modelle umzustellen. Das ist für die allermeisten Otto-Normalverbraucher bei ChatGPT und Co. keine Option.
Somit drehen wir eine weitere Runde im Karussell der Kostenlos-Kultur im Internet. Solange es den Unternehmen nicht im Zusammenschluss gelingt, die erlernte Gratis-Mentalität aus den Köpfen der Nutzer zu vertreiben, werden wir Nutzer uns mit Werbung abfinden müssen. Oder wir brauchen einen Visionär, der das Ganze mal neu denkt.
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