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Loser generated Marketing?

Martin Oetting hat einen längeren Beitrag ins Netz gestellt: Offener Brief an manche Werbekreativen in Deutschland. Er greift darin zwei Stichworte auf, die auf irgendeiner Marketingkonferenz gefallen sind: „Army of Davids“ und „Loser Generated Content“. Als Umschreibung der Blogger, Twitterer, Podcaster, Videoblogger, SN-User etcpp. Und fordert einerseits mehr Respekt aber auch mehr Kreativität ein.

Ich neige eher dazu, die Warum-Frage zu stellen. Warum sollten sich die Werbeagenturen überhaupt den Kopf machen, was im Netz passiert, dass sich immer mehr Menschen immer länger im Netz aufhalten. Gut, ökonomisch gesehen, ist das einfach zu beantworten: Werbung geht dahin, wo Menschen sind. Vor dem Fernseher, eine Zeitung lesen, auf den Straßen spazieren, auf Amazon einkaufen, in Google suchen, usw usf. Folgerichtig geht Werbung natürlich auch ins Netz. Jo mei? Jo mei. Natürlich verlangt ein neuer Aufenthaltskanal auch neue Formen von Ideen und Werbearten. Selbstverständlich kommt Werbung an manchen Orten gut (say Google), an manchen Orten weniger (say Social Networks). „Die“ werden so oder ihren Weg auch dahin finden. Daran habe ich keinen Zweifel. Ob dann unterwegs hinsichtlich der Umschichtungsprozesse von Werbeausgaben Werbeagenturen pleite gehen oder nicht, ist nicht mein Problem. Märkte entwickeln sich nicht nach vorgegebenen Mustern. Es werden neue Agenturen kommen, alte abkratzen, es werden Arbeitsplätze vernichtet, neue geschaffen. So oder so. Ich habe den Vorteil, dass ich genüsslich an der Seitenlinie stehen kann und zuschauen darf.

Aber zurück zum Warum. Warum sollen die Agenturen den Menschen ins Netz folgen? Warum nicht? Dank des Informationsmediums werden zentrale Aufgaben der Werbeindustrie zunehmend abkömmlich: Die pure Information über Produkte. Nicht nur das. Die Tatsache, dass es ein neues Produkt gibt, wird ebenso zunehmend vom Internet per se übernommen, ohne dass man ein Plakat oder ein Banner braucht. Schon mal etwas von Google gehört (schon einmal Werbung im TV gesehen?)? Oder von Apple (die im Netz einen derartigen Buzz erzeugen, dass es schon nicht mehr schön ist)? Oder von Mozilla? Was heute noch eher die Ausnahme ist, wird in Zukunft die Regel sein. Wo dann die Werbeagenturen bleiben? Keine Ahnung. Vielleicht wird ihre Rolle auf das rein emotionale Element zurückgedrängt. Auf Markenbildung? Auf jeden Fall würde ich langfristig gesehen keine Aktien von Werbeagenturen erwerben. Es wird insofern weniger auf den Ideenreichtum und die Kreativität der Agenturen ankommen, sondern welchen information patterns der Konsument folgen wird.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

16 Kommentare

  • Auch „Buzz“ kann man künstlich erzeugen. Die Aufgabe von Agenturen ist es ja weniger zu informieren als viel mehr zu verkaufen. Ein guter Marketer ist der, der am besten verkauft sag ich immer. Wie du schon sagst – Umschichtung. In Zukunft kauft man keine Anzeigen mehr sondern Guerilla Marketing Kampagnen.

  • Es geht um nichts weniger als darum, ob sich die Branche neu erfinden kann oder nicht. Wenn die ewig Plakatmaler und Spot-Regisseure bleiben wollen, werden sie irgendwann ausgestopft im Museum landen.

  • Klassische Werbung ist IMHO eh ein totes, überflüssiges Pferd … Die Diskrepanz zwischen dem, was in der Werbung suggeriert wird, und dem tatsächlichen Produkt bildet weder Vertrauen noch erhöht es die Reputation eines Herstellers. Das einzige, was hilft: Empfehlungsmarketing. Und da braucht es keine Zwischenschicht …

  • Zum Nachdenken: Ist Euch klar, dass der größte Teil des Internets für die Konsumenten kostenlos ist, obwohl viel Geld in die Erstellung des Content gesteckt wird?Egal ob Spiegel online, Youtube oder dieses Blog: Alles finanziert sich über Werbung. Und dabei ist der Anteil von Online an den gesamten Werbeaufwendungen (noch) gering. Es werden weniger die Agenturen sterben (die leben von den Unternehmen, die Produkte verkaufen wollen, nicht von den Medien) als viel mehr die alten Medien wie Privatfernsehen und Zeitungsverlage, wenn die kein neues Geschäftsmodell erfinden.

  • Marketing muß an den für die Zielerreichung wichtigen Markenkontaktpunkten erfolgen. Das verschiebt sich mehr und mehr … von Klassik (print/tv) zu online / social media marketing und alternativen marketingformen (guerilla, outdoor, ambient usw.)

    Was Ende der 90er angefangen hat mit „Hey, dieses Ding mit Websites und so machen wir doch in unserer großen Agentur jetzt auch“ hat Einzug gehalten in die grundsätzliche Strategien der Unternehmen und der Markenführung. Und alles zusammen ist nun auch noch vernetzer und vielschichtiger geworden. Wie kann ich meine Botschaften so „mundpropaganda-attraktiv“ inszenieren und das auch noch mit allen möglichen Tools und Kanälen unterstützen, dass nicht mehr derjenige mit der meisten Kohle am Markt überzeugt, sondern das meiste Echo auslöst.

    Dass die Tage der einstiegen „Königsdisziplin“ (der 30-Sekunden-Spot ) gezählt sind weiß man ja schon länger … und es wird nicht das einzige sein.
    Für alle digital natives unter uns gilt der Song „Time Is On My Side“ von den Rolling Stones 🙂

  • Street-smart Basics!…

    Immer wieder spannend, die fundierte Meinung eines Laien zu hören!Heute sagte Robert Basic in seinem Post „Loser generated Marketing“ etwas zur Zukunft der Werbeagentur:“Warum sollen die Agenturen den Menschen ins Netz folgen? Warum nicht? Dank des…

  • „Ob dann unterwegs hinsichtlich der Umschichtungsprozesse von Werbeausgaben Werbeagenturen pleite gehen oder nicht, ist nicht mein Problem.“ – Gut gesprochen!

    Was soll die – in manchen Blogs oft zu lesende – Häme und das Unverständnis gegen Werbeagenturen, Printmedien und Unternehmen, die „das mit dem Internet einfach nicht schaffen“, die „es immer noch nicht begriffen haben“, die „sowas von gestern“ sind?

    Das ist doch völlig egal! Dann kommen eben andere.

    Ach so… die, die so kluge Tipps geben, möchten gerne als Berater engagiert werden?! ? Dann ist es natürlich was anderes.

  • Ich hoffe mal nicht, dass die Werbung sich noch weiter »tarnt« und immer weniger vom ehrlichen Content zu unterscheiden ist. Bei so manchem Artikel Frage ich mich, ob das so sein muss, nur damit der Rubel rollt.

    Das Erwähnen von Produkten in Blogs etc. ist ja o.k., wenn wenigstens der subjektive Scharm erhalten bleibt. Allerdings ist das glatte, unehrliche »Marketing-BlaBla« für mich kaum noch zu ertragen.

    Ich hoffe mal , dass die Tarnkappenmacher bald arbeitslos sind und sich mehr Ehrlichkeit etabliert im Internet, der Politik, der Wirtschaft und in der Gesellschaft.

  • @#7: falsch, man versucht, diese Angebote über Werbung zu finanzieren, aber das schafft keiner komplett! Xing lässt einen Teil der Benutzer bezahlen, das scheint das besser Geschäftsmodell zu sein. Aber die ganzen Social Network Plattformen haben ein Problem … und irgendwann wird die Luft draussen sein. Aber wer braucht diese schon wirklich?

  • David war kein Loser.
    David gewann die Schlacht – und damit auch gleich den Krieg.

    Eine ganze Armee davon gegen sich zu haben, muss beängstigend sein… 🙂

  • Sehr weise Worte zum Thema Marketing von Bill Hicks, einer der besten Standup-Comedians. Leider ist er schon seit Jahren tot; ich frage mich wie er diese unsere Zeiten wohl kommentiert hätte.