Marketing

Logo-Pädie: Politik gibt dem Netz die Stimme

So, so, jetzt hat sich der feine Herr Steinmeier (SPD) also doch ein Internetz bei Saturn gekauft und surft fortan auf der Obama-Welle hinein ins Web 2.0. Nach den Plänen des Außenministers sollen talentierte Hobby-Designer beim Berliner Startup jovoto.com Vorschläge für ein fetziges Signet einreichen. Was ist jovoto.com? Eine Contest-Community, bei der Unternehmen und Agenturen Geldpreise für Kreativleistungen ausschreiben. Die Ideen werden dann gesammelt, untereinander besprochen und später hierarchisch bewertet (Beispiele). Nach eigenen Angaben kommt ein einziges Projekt dabei auf rund 1.500 Kommentare und über 2.500 Bewertungen – ordentlich Feedback also, das nach konventioneller Art (per Marktforschung) eine Menge Holz kosten dürfte. Dank jovoto.com braucht Steinmeier dem Gewinner später lediglich 5.000 Euro auf das Konto zu überweisen – Peanuts also. Hinzu kommt der Popularitätszuwachs, den die Mobilisierung der Massen nun einmal so mit sich bringt.

Bei der Entwicklung der Ypsilanti-Kampagne im vergangenen Herbst hatten sich die Sozialdemokraten noch abgeklärter, kontrollierter gegeben: Logo und Anzeigen-Marketing überließ man der Agentur Zum goldenen Hirschen, die – netter Nebeneffekt – bei der interessierten Wählerschaft als Grünen-freundlich galt und man damit bewusst die Ökos und ihre Anhänger mit ins Boot holte. Ihr Zögling Schäfer-Gümbel durchbrach dann als tatsächlich Erster mit irritierender Schnelligkeit den schnöden Wahlwerbungsalltag und schoss auf Twitter, meinVZ, Facebook und Wer-kennt-wen mit bürgernahen Statements um sich. Die Strategie dahinter: Gümbel sollte nicht als Poster-Boy, sondern als Web 2.0-Kumpel zum Anfassen inszeniert werden, was ja am Ende auch erfolgreich geklappt hat. Und jetzt also Steinmeier, der Kanzlerkandidat.

Ich schätze, wir können uns nun auf einen Mix bewährter und (für die Politik) zu erprobender Marketing- und PR-Maßnahmen einstellen. Warum umständlich das Meinungsbarometer anschmeißen und Testballons starten, wenn die Kampagne direkt aus dem Volk stammen könnte? Obama jedenfalls – und das erstaunt – setzte bei der Gestaltung seines Logos nicht auf die geballte Kompetenz der Community, sondern beauftragte ganz konservativ Sol Sender, einen Designer, der fettes Campaigning für die Geschäftswelt gewohnt war. Jetzt trägt sogar whitehouse.gov seine Handschrift.

(André Vatter)


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Über den Autor

André Vatter

André Vatter ist Journalist, Blogger und Social Median aus Hamburg. Er hat von 2009 bis 2010 über 1.000 Artikel für BASIC thinking geschrieben.

18 Kommentare

  • Noch nicht einmal die Parteien wollen mehr für Dienstleistungen ordentlich bezahlen. Woher soll dann der Aufschwung kommen wenn keiner mehr genug Geld verdienen kann?

  • Ich glaube nicht, dass ein „fetziges Signet“ meine Wahlentscheidung irgendwie beeinflusst.

  • Wahlkampf a la Amerika ist zwar ganz witzig – vor allem für die Werbemittelhersteller – aber in Deutschland wird das nie so werden. Politik wird bei uns einfach als absolut ERNST betrachtet (was es ja auch ist). In den USA muss nur einer „USA – USA“ rufen und alle brüllen mit. Wenn das einer bei uns macht ……! Ihr wißt schon. Deshalb ist ein so extrem (patriotischer) Wahlkampf in good old Germany net denkbar – außer es is zufällig grad Fußball-WM.
    …und bitte: keine Politik auf Twitter. Das geschnatter da reicht auch so schon 😉

  • warum reicht ihr nicht den obigen entwurf ein, wenn ihr euch schon die mühe gemacht habt?
    es winken immerhin knapp 10% refinanzierung eures blogkaufs … 🙂

  • ich finde es ok, wenn auch die politik mit der zeit geht. die allgemeine politikverdrossenheit zeigt doch, dass die „da oben“ schon sehr in ihren sphären lustwandeln. gut, wenn sie einmal zum (wahl)volk herabsteigen. und wenn es kreative sind – umso besser.

  • Ich glaube, Gerhard Schröder hatte recht: BILD und GLOTZE sind entscheidend. Blogs und Twitter und sonst so ein Gedöns entscheiden keine Wahlen.

  • Mal sehen wann die Welle die wirklichen Logo-Päden erreicht – vielleicht erst wenn es das Sprachtwitter gibt 😉

  • Warum auch nicht? Nicht alles, worauf Obama verzichtet hat, muss unbedingt schlecht sein. Crowdsourcing eines Logodesigns halt ich für eine gute Idee. Das Endprodukt kann man ja hinterher immer noch von einer teuren Agentur überarbeiten lassen, wenn noch Kohle übrig ist.

  • BILD und Glotze sind vielleicht NOCH entscheidend, aber die Zeiten ändern sich. Informationsbeschaffung via Internet wird immer wichtiger – vor allem bei jungen Menschen. Und haben nicht auch Experten vor fast 200 Jahren gesagt, die Eisenbahn würde sich nicht durchsetzen, weil Geschwindigkeiten über 35 Km/h für den Mensch gesundheitsschädlich seien. Mit anderen Worten: Diese Entwicklung zu neuen Medien ist nicht aufzuhalten und wohl dem, der es rechtzeitig erkennt!

  • Warum soll man denn nicht mit der Zeit gehen. Wir nutzen doch auch Blogs, Twitter und co, also sehe ich keinen Grund dafür, dass das die Politiker nicht auch nutzen.

  • […] sich hinter dem “Jovoto Prinzip” verbirgt hat Kosmar zusammengefasst. Etwas kiebig äussert sich die onlinekosten.de GmbH. Wobei mir nicht so ganz klar ist, ob 5000€ Preisgeld und 3000€ für die Nutzungsrechte der […]

  • […] sich hinter dem “Jovoto Prinzip” verbirgt hat Kosmar zusammengefasst. Etwas kiebig äussert sich die onlinekosten.de GmbH. Wobei mir nicht so ganz klar ist, ob 5000€ Preisgeld und 3000€ für die Nutzungsrechte der […]