Ein brutaler Massenmörder namens „Sqweegel“ treibt über Jahre hinweg sein Unwesen und killt – immer in ein Ganzkörperkondom gehüllt – seine Opfer, nachdem er sie zuvor mit perverser Leidenschaft und perfidesten Methoden gequält hat. – Was nach einer Gute-Nacht-Geschichte für hartgesottene „Saw„-Liebhaber oder einer nicht ganz taufrischen Idee für einen Splatter-/Gore-Film klingt, ist der aktuelle Versuch des Lübbe Verlags, junge Menschen wieder für das Medium Buch zu begeistern!
Bei der obigen Beschreibung handelt es sich nämlich um die etwas vereinfachte Plot-Zusammenfassung des Psycho-Thrillers „Level 26“, den der Verlag als ersten digitalen Roman – die „Digi-Novel“ – anpreist und dessen Besonderheit darin liegt, dass jedes seiner Buchkapitel mit Webcodes versehen wird. Mittels dieser Codes kann sich der Leser auf der Website www.level26.com (nicht vergessen, in der oberen rechten Ecke die deutsche Sprache auszuwählen)Zugang zu Videos und Audio-Dateien verschaffen, die die Handlung des Psycho-Thrillers abrunden, ergänzen oder weiterführen. Die Videos in Filmqualität – mit denen sich der Täter auch nach seinen Greueltaten weiterhin Befriedigung holt – zeigen dann beispielsweise, wie „Sqweegel“ ein Baby im Backofen umbringt oder eine Mutter vor den Augen ihres gefesselten Kindes aufschlitzt.
Darüber hinaus kann sich der geneigte Leser auch im Forum der Website anmelden, und sich dort mit anderen Personen – unter anderem dem Autor von „Level 26“ höchstselbst – austauschen. Bei Letztgenanntem handelt es sich übrigens um Anthony E. Zuiker, den Erfinder von CSI, der laut Verlag angeblich auch gerne Tipps für die Handlung und die Entwicklung der Charaktere von den Forenmitgliedern entgegennimmt.
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Ich kann mir vorstellen, welche Einwände von Kritikern geäußert werden und teile einige davon sogar. Natürlich wird die Vorstellungskraft des Lesers – die ja essentiell beim Bücherlesen ist – durch die Videofilme stark beeinflusst- Und auch der Plot hätte meines Erachtens – nicht nur wegen der Weihnachtszeit, sondern vor allem wegen der angestrebten Zielkundschaft – etwas weniger morbid und blutrünstig sein können. Wenn man aber ehrlich ist, gibt man zu, dass die Macher von „Level 26“ ein guten Job gemacht und ein sehr zeitgemäßes Produkt auf den Markt gebracht haben.
Sie haben erkannt, dass ihr Klientel sich immer stärker vom Buch als vermeintlich „verstaubtem“ Medium abgewendet und nun einmal einen großen Teil seines Lebens im Internet verbringt. Dort muss man sie denn auch abholen, wenn man sie für sich gewinnen möchte. Auch andere Firmen setzen bereits auch die Interaktivität beim Buchlesen, wenngleich nicht auf einem so elaborierten Niveau. Zudem setzten die Macher – guckt man sich zum Beispiel den Erfolg von Kino-Blockbustern wie „Saw“, Serien-Hits wie „Dexter“ oder Spielen wie „Modern Warfare 2“ an – aus nachvollziehbaren Gründen auf Gewalt: Violence Sells! Zuletzt die Möglichkeit, den Plot beeinflussen und die Charaktere mitgestalten zu können, ist ein dicker Pluspunkt, der der „Digi-Novel“ vermutlich einen großen Erfolg bescheren wird.
(Marek Hoffmann)