Am Samstag ging die Welt-Tournee von Depeche Mode in Düsseldorf zu Ende. Das mag auf den ersten Blick nicht wirklich zusammenhängen mit dem vermeintlichen Sterben der Foren, aber ich verspreche euch, dass ich diese beiden Themen hier zusammenbringen werde.
Mindestens so oft, wie man alljährlich den Blogs den Tod voraussagt – eher noch öfter – wird aktuell der einst so stolzen Legion der Internet-Foren das Dahinsiechen bescheinigt. Argumente dafür liegen auf der Hand. Jahrelang war man im Netz gewohnt, sich fertigen Content abzuholen. Das geschah auf den News-Seiten, auf privaten Homepages, aber eben auch auf den Seiten von Bands und in diesem Fahrwasser auch Fan-Pages derselben.
Als dank u.a. PhpBB und vBulletin-Boards die Foren ihren Triumphzug durchs Netz antraten, konnte man:
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- selbst kinderleicht und ohne große Programmierfähigkeiten ein solches Board an den Start bringen.
- als Foren-User selbst Content produzieren, ohne eine eigene Domain besitzen zu müssen.
Anfangs waren es oftmals Tech-Themen, die die Foren beherrscht haben, aber je mehr sich die Software verbreitet hat, desto mehr fand auch Smalltalk auf diesen Plattformen statt…
Ein tolles Beispiel für ein Forum, welches sowohl fachlichen als auch chattigen Content bietet – jetzt kommt der Bezug zur ausgehenden Depeche Mode-Tour – ist das deutschsprachige Depeche Mode-Forum, welches unter der depechemode.de-Flagge firmiert und unter der Regie von Administrator Sven Plaggemeier über 10.000 User verzeichnen kann, die natürlich gerade bei einem Deutschland-Aufenthalt der Band auch zahlreich im Forum unterwegs sind.
Sven ist nicht nur schon seit Ewigkeiten im Netz vertreten und mit depechemode.de für den deutschsprachigen Depeche Mode-Fan seit mehr als einem Jahrzehnt eine feste Größe – er bloggt auch, nutzt Twitter und all die anderen schönen Möglichkeiten, die uns das Internet heutzutage an die Hand gibt. Daher habe ich in ihm nicht nur einen kompetenten Ansprechpartner für die Foren-Landschaft, sondern auch jemanden, der die neuen Kommunikationskanäle zu nutzen versteht und in Folge dessen einen differenzierteren Blick auf die aktuelle Lage und die Zukunft seines Boards werfen kann. Um so schöner, dass er sich in diesen stressigen Tagen die Zeit genommen hat, Basic Thinking für ein paar Fragen zur Verfügung zu stehen:
Hallo Sven und schon mal vielen Dank, dass Du ein paar Minuten Zeit für uns hast. Den Boards wird angesichts der Facebook-Dominanz und generell den Web 2.0-Trends der baldige Tod vorausgesagt. Teilst Du diese Einstellung, wenn Du auf Dein Forum schaust?
Ich teile diese These nicht. Die Zahlen für das Depeche Mode-Forum lassen auch keinen Trend weg vom Forum, hin zu sozialen Netzwerken erkennen. Im Gegenteil: Wir verzeichnen laufend Neuanmeldungen, das Forum wächst nach wie vor. Facebook bietet zum derzeitigen Zeitpunkt keine Alternative zu einem Board. Alle Seiten sehen mehr oder weniger gleich aus. Es fehlt die Möglichkeit, seiner Gruppe oder Fan-Page ein individuelles Layout zu geben. Das ist aus Sicht von Facebook als Netzwerk auch nicht notwendig – für Bildung und die Identität einer Community ist das aber ein wichtiger Faktor.
Dazu kommt, dass man bei Facebook üblicherweise unter seinem Realnamen schreibt. In Boards sind aber Nicknamen vorherrschend. Viele Benutzer schätzen es einfach, anonym oder zumindest unerkannt schreiben zu können. Das bietet Facebook nicht – und wird es wohl auch in Zukunft nicht bieten, wenn man sich Zuckerbergs Äußerungen vom Januar durchliest, wonach – seiner Ansicht nach – Menschen auf ihre Privatsphäre keinen Wert mehr legen.
Kommt man als Forenbetreiber heute also komplett ohne das neue, soziale Netz aus?
Als Administrator sollte man sich von dem Gedanken verabschieden, eine Community ausschließlich an ein Forum binden zu wollen. Zu depechemode.de gibt es außer dem Forum mit über 10.000 Benutzern eine Fan-Page bei Facebook mit über 1.800 Mitgliedern, die auch Teil der Fan-Community sind. Genauso wie die Fans, die sich regelmäßig in den Kommentaren der Hauptseite austoben. Auch sie sind Teil der Gemeinschaft. Man muss die Leute dort abholen, wo sie sich sammeln. Ich hatte auch erst bedenken, ob ich durch die FB-Seite die unmittelbar an depechemode.de gekoppelte Community möglicherweise kannibalisiere. Die Bedenken haben sich allerdings als unbegründet herausgestellt.
Ich gehe nicht davon aus, dass den Foren der vorausgesagte Tod unmittelbar bevor steht – zumindest nicht in der ganzen Breite. Fachforen werden sicher weiter bestehen, eher chattige Boards hingegen werden tatsächlich mehr und mehr von der Internet-Landkarte verschwinden. Das Depeche-Forum ist ein Mix aus beiden Vertretern – gibt es daher Pläne deinerseits, das Forum auf einen eher fachlichen Weg zu bringen, oder wird dieser Themen-Mix weiter erhalten bleiben?
Der Mix wird auf jeden Fall erhalten bleiben. Ich halte es für unnatürlich, ein Fachforum auf fachliche Themen zu reduzieren. Wo Menschen aufeinander treffen, reden sie über Dinge, die sie interessieren oder beschäftigen. So wenig wie am Arbeitsplatz nur über Arbeit und im Theater allein über das aufgeführte Stück geredet wird, so wenig beschränkt sich der Gesprächsstoff eines Forums auf das Fachgebiet. Solange man beides – den Fachbereich und die übrigen Themen – trennt, kann man durch eine breitere Aufstellung nur gewinnen.
Im Übrigen teile ich Deine Ansicht, dass themenspezifische Foren nicht von Facebook und Co. bedroht sind. Viele Boards sind über Jahre gewachsen und bieten – bei guter Administration – eine Fülle von Informationen, auf die man immer wieder zurück greifen kann. Ein Forum wie das Macuser-Forum wird immer ein Anlaufpunkt für alle sein, die Fragen zu ihrem iPhone haben oder Hilfe oder Tipps für ihren Mac suchen. Das Depeche Mode-Forum ist ähnlich beständig. Wir mussten es im vergangenen Jahr für einige Wochen schließen. Pessimisten hatten bereits erwartet, dass dies das Aus für das Board bedeutet. Tatsächlich war nach der Wiedereröffnung nur kurzfristig ein Einbruch zu verzeichnen, bis es sich herum gesprochen hatte, dass es wieder online geht. Seitdem dürfen wir uns über eine Zunahme der registrierten Besucher um fast zehn Prozent freuen.
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Soweit zu den An- und Aussichten eines über lange Jahre gewachsenen Boards. Ich möchte mich Sven Plaggemeier – dadurch, dass ich die Struktur dieses Forums seit vielen Jahren kenne – in weiten Punkten anschließen. Allerdings kann man dieses Bild nicht auf die gesamte Foren-Landschaft übertragen. Da sich gerade die deutschsprachigen Fans sehr treu dieser Band verbunden fühlen, profitiert auch ein solches Forum davon. Ähnlich wird es sich überall verhalten, wo viele User aufeinander treffen, die sich einem Künstler, einem Thema, einem Produkt oder einem Unternehmen verbunden fühlen. Überall dort sehe ich durchaus die Möglichkeit, einem indirekten Konkurrenten wie Facebook zu trotzen, weil zwar die User mitunter die selben sind, man aber an Social Network und Forum unterschiedliche Ansprüche stellt und sie daher nebeneinander nutzt. Auch Technik-Communities wie bei heise.de werden in Zukunft keine Angst vor sozialen Netzwerken haben müssen, weil eine einzelne Seite dort nicht eins zu eins die Struktur eines Forums ersetzen kann.
Ich selbst mache für mich und mein Umfeld schon eine Veränderung aus, sobald es weniger um den informativen Austausch geht, sondern eher um den reinen Smalltalk. Haben wir uns „damals“ in Foren zum Beispiel mitgeteilt, welchen Song man gerade hört, macht es heute wesentlich mehr Sinn, den Song als YouTube-Video direkt in seinen Facebook-Feed einzubinden und an Ort und Stelle mit den Freunden besprechen zu können.
Was diesen privateren Austausch angeht, sehe ich daher wirklich schwierige Zeiten auf die Foren zukommen, bei fachlich ausgerichteten Boards hingegen kann man diesen Trend noch lange nicht erkennen. Wie sehen das die Basic Thinking-Leser? Merkt ihr selbst, dass sich Euer Surf-Verhalten geändert hat und greift ihr weniger auf Foren zurück? Oder laufen sie in friedlicher Koexistenz nebeneinander her?