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Online ist kein Heilsbringer: Musikindustrie vegetiert dahin

Jürgen Vielmeier
Aktualisiert: 17. Februar 2011
von Jürgen Vielmeier
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Der Musikindustrie brechen die Umsätze weg. Zumindest wenn man der „Chart des Tages“ glauben darf, den der Business Insider jüngst veröffentlicht hat. Ed Cotton hat die Jahresendumsätze der Jahre 1973 bis 2009 verglichen, die der US-Musikverband RIAA jährlich veröffentlicht. Gemessen werden die Umsätze, die aus Verkäufen von Tonträgern entstehen. Demnach begann Mitte der 1980er Jahre mit dem Aufkommen der CD ein Boom, der etwa 15 Jahre anhielt und die Umsätze der Industrie praktisch verdreifachte. Nachdem 1999 die Spitze erreicht wurde, gehen die Umsätze aus CD-Verkäufen kontinuierlich zurück. Das ist natürlich, wenn ein Medium durch ein neues ersetzt wird. Allerdings fangen Online-Verkäufe als neues Medium die Verluste der CD nicht auf.

Online-Käufe, die seit 2004 in der Statistik auftauchen, bescheren der Musikindustrie zwar einen wachsenden Teil vom Umsatz, doch die CD verliert schneller. Die Gesamtumsätze sind seit dem Jahr 1999 um fast die Hälfte eingebrochen. Tendenz: eher weiter fallend. Die CD stirbt aus, Online-Downloads sind der Nachfolger. Aber hier sind die Umsätze weitaus geringer.

Vor einigen Wochen telefonierte ich mit Daniel Knöll, dem Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband Musikindustrie. Aktueller Aufhänger war damals eigentlich ein anderer. Der Bundesverband hatte Mitte Januar aktuelle Zahlen über den Markt der Musikdownloads vorgestellt. Weltweit kratzte der Anteil der Downloads im Jahr 2010 an den 30 Prozent des Gesamtumsatzes. Genau waren es 29 Prozent. Der jährliche Umsatz aus Online-Musikverkäufen betrug 4,6 Milliarden Dollar weltweit. In Deutschland stieg der Online-Anteil laut prognostizierten Zahlen von Ende 2009 bis Ende 2010 von 8 auf 11 Prozent.

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Legale Online-Angebote inzwischen sehr zahlreich

11 Prozent. Deutschland, mal wieder ein Online-Entwicklungsland? Was Knöll mir damals sagte, erstaunte mich:

Gott sei Dank machen wir in Deutschland immer noch die meisten Umsätze mit CD und Vinyl. In Deutschland ist der Markt dank der physischen Tonträger noch stabil. In Ländern mit einem deutlich höheren Anteil von Musikdownloads am Gesamtumsatz beobachten wir teilweise ein Schrumpfen des Gesamtmarktes und sogar des Online-Marktes.

Angesichts Cottons Statistik wundert mich das nun nicht mehr. Knölls vertritt die Musikindustrie. Und wie jeder andere Dachverband wünscht er sich natürlich, dass die Umsätze steigen oder zumindest stabil bleiben. Das kann man ihm nicht verdenken. Ein gerne vorgebrachtes Vorurteil scheint damit allerdings tatsächlich widerlegt: Die Musikindustrie kann ihre Umsatzverluste nicht stoppen, indem sie Online begrüßt.

Am mangelnden Angebot kann es mittlerweile nicht mehr liegen. Es gibt mit iTunes, Musicload, Amazon, bald wahrscheinlich Google Music hervorragende Download-Shops. Es gibt von Napster, Sony und Simfy sehr ordentliche Streaming-Angebote. 400 lizenzierte Online-Dienste für Musikdownloads und -streaming gibt es laut dem Bundesverband Musikindustrie inzwischen weltweit, in denen über 13 Millionen Songs zur Verfügung stehen.

Fehlentwicklungen der 90er Jahre rächen sich

Hören die Menschen weniger Musik als noch 1999? Unwahrscheinlich. Aber Tatsache ist, dass sie weniger dafür bezahlen. Das mag zum einen daran liegen, dass viele sich weiterhin Musik illegal über das Netz besorgen. Zum anderen aber ist Musik heute spürbar billiger als noch in den 1990er Jahren. Selbst neueste Alben kosten online kaum mehr als 8 oder 10 Euro. Die Nutzung von legalen Musikflatrates wie eben Simfy, Sony oder Napster nimmt zu. Die Industrie hat selbst erkannt, dass sie mit Tonträgern nicht mehr reich werden kann und hat deswegen die Preise für begehrtere Konzerttickets in den letzten Jahren deutlich erhöht.

Ist das jetzt wirklich der Tod der Musikindustrie, wie der „Business Insider“ orakelt? Ganz wohl nicht, aber der Markt dürfte sich konsolidieren, einige der großen Player verschwinden oder aufgekauft werden. Für die Verkäufe von Songs auf Online-Plattformen bräuchten wir die Industrie streng genommen nicht mehr. Aber wer promotet dann die Talente von morgen? Wer sichtet Musik und entscheidet, wer eine Chance bekommen soll? Alleine das Web?

Wer organisiert Touren und Auftritte? Die Künstler selbst? Das alles deutet zumindest darauf hin, dass die Musikindustrie heute die eigenen Fehler zu spüren bekommt, die sie auf dem Höhepunkt ihres Erfolges Ende der 1990er Jahre gemacht hat. Sie hat Online nicht als Chance oder logische Weiterentwicklung gesehen, sondern das Medium viele Jahre lang schlicht verteufelt. Jahre, in denen illegales Filesharing erst zum Trend werden konnte. Diese Fehlentwicklung von damals könnte der Musikindustrie jetzt den Rest geben.

(Jürgen Vielmeier, Grafik: Ed Cotton, Alley Insider)

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Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.
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