Sonstiges

Deutsche laden nur 69 Millionen Tracks legal online: Illegal hat gewonnen

Hier einmal eine Statistik, die zeigt, wie sehr tatsächliche Marktzahlen den eigenen Beobachtungen krass widersprechen. Es sind Erfolgsmeldungen: Wie der Hightech-Branchenverband Bitkom meldet, boomt der Markt für Musikdownloads. Der Verband verlässt sich auf eine Verbraucherbefragung von GfK. Darin geht es um die Downloads auf PCs. Die Umsätze mit Musikverkäufen dorthin sind demnach im vergangenen Jahr um 35 Prozent auf 151 Millionen Euro gewachsen, die verkauften Stückzahlen um 34 Prozent auf 69 Millionen Einzelstücke oder Alben. Genau unterscheidet die Studie da leider nicht. Der Markt befinde sich damit auf einem Allzeithoch. Auch dank der ständig sinkenden Preise von nur noch 1,06 Euro im Schnitt pro Song. Der Höhenflug werde andauern, sagte Bitkom-Vizepräsident Achim Berg. „Wir rechnen auch 2011 mit einem starken Plus.“ Beflügelt werde der Markt noch von einem neuen Türöffner: mobilen Downloads. Sind das nicht beeindruckend gute Nachrichten?

Nein, sind es nicht. Ich bin ehrlich gesagt ein wenig verblüfft aufgrund der unglaublich geringen Dimensionen des Online-Musikmarktes in Deutschland. 69 Millionen verkaufte Titel. Das bedeutet, die Bundesbürger haben sich im Schnitt nicht mal einen Song oder ein Album heruntergeladen, und das im ganzen Jahr. Was bitte ist denn da los? Soll das wirklich die Zukunft der Musik sein? Online-Verkäufe sollen die CD ablösen? Zumindest nicht hier und nicht in absehbarer Zeit. Es wirkt eher so, als gingen die Plattenlabels mit beiden Medien baden.

Plattenfirmen gehen baden, die Musikbranche insgesamt nicht


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Der Bundesverband Musikindustrie prognostizierte im Januar für das Jahr 2010 ähnliche Wachstumszahlen wie Bitkom: 33,2 Prozent Plus bei den Umsätzen im Jahr 2010. Ein Anteil der Downloads an den Gesamtumsätzen. Statt 8 damit 11 Prozent Umsatzanteil. Man sieht Musikhandys und MP3-Player an allen Orten. Jeder, der nicht auf eigenen Wunsch ein spartanisches Gerät verlangt, bekommt mit jedem neu gekauften Handy einen integrierten MP3-Player. Und doch bleiben die Verkäufe mit Musikdownloads verschwindend gering. Liegt es am Alter? Nein, laut der Bitkom-Studie stammen 55 Prozent der Verkäufe von Menschen über 29. Berg dazu: „Bezahlte Musik-Downloads sind gerade in mittleren und höheren Altersgruppen populär.“ Und doch bleibt die CD laut offiziellen Zahlen dominierend. Man wundert sich.

Was bedeutet das nun? Sind die Zeiten einfach vorbei, in denen man sich Musik gekauft hat. Schließlich gibt immer mehr Musikabos und kostenlose Radios. Oder hat Illegal endgültig gewonnen? Wenn man die Zahlen der Verbände gegenüber stellt, muss es wohl so sein. Auf der Startseite des Bundesverbandes der Musikindustrie kann man an einem Ticker ablesen, wie viel in diesem Jahr angeblich bereits illegal heruntergeladen wurde: demnach zwischen dem 1.1.2011 und heute Nachmittag mehr als 35,6 Millionen Songs. Das wäre ja schon die Hälfte der gesamten Jahresdownloads 2010. In Großbritannien sollen laut der British Phonographic Industry (BPI) illegale Downloads 75 Prozent aller Musikdownloads ausmachen.

Vergangene Woche haben wir über eine Statistik berichtet, nachdem die Musikindustrie nach Verkäufen von Tonträgern und Downloads nur noch dahinsiecht. Die Statistik hat sich als nicht ganz korrekt herausgestellt: Tatsächlich ist alles noch viel schlimmer. Schlimm für die Plattenlabels, weniger tragisch für die Musikindustrie insgesamt, die ihre Umsätze immer mehr aus Live-Einnahmen erzielt. Verkäufe sind nur noch Nebensache. Und das wird den Plattenfirmen jetzt zum Verhängnis.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

12 Kommentare

  • Solange ich mir auf Youtube die Musikvideos zu den Songs nicht anschauen kann, so lange werde ich auch keine Musik kaufen. Und runterladen auch nicht.

  • Ich kaufe nur noch Platten und lade sie anschließend illegal aus Tauschbörsen.
    Ich finde es blöd, wenn man etwas was man kauft nicht besitzt und das Gefühl habe ich bei MP3 Downloads immer. Daher bin ich auf Platte umgestiegen, weil CDs kacke aussehen (Plastik und kleines Bildchen).

  • Mich würde interessieren wie groß die Anteile der einzelnen Plattformen sind. Sicherlich hat iTunes am größten zu den legalen Downloads beigetragen.

  • na also das fazit welches hier im beitrag gezogen wird, erinnert mich doch ganz gewaltig an meinen kommentar beim letzten beitrag zu diesem thema:

    https://www.basicthinking.de/blog/2011/02/17/online-ist-kein-heilsbringer-musikindustrie-vegetiert-dahin/#comment-924056

    (da habe ich ja geradezu hellseherische fähigkeiten gezeigt ;-D )

    ich finde allerdings trotzdem verwunderlich, wie hier der legale musik download totgeredet wird. laut der riaa statistik machen legale mp3 downloads gut 40% des gesamtumsatzes aus – und das nur sieben jahre seit beginn des ganzen. die cd hat das damals mitnichten schneller geschafft. auf lange sicht hat er dennoch keine chance. werd wird sich denn in zeiten der cloud noch mp3s kaufen wollen?

    im endeffekt kann ich der ganzen entwicklung jedoch nur positives abgewinnen. den plattenlabels weine ich dabei keine träne hinterher – erst recht nicht den big four.
    wer noch immer nicht begriffen hat, dass mit tonträgern allein kein pfifferling zu gewinnen ist, und sich dann tatsächlich dazu erdreistet, seine eigene unfähigkeit dadurch zu kompensieren ÜBER EINEN EURO (im jahr 2011!) für ein einziges jämmerliches musikstück zu verlangen, dem ist schlichtweg nicht mehr zu helfen.

    und seien wir doch mal ehrlich: wenn die riaa und die gema nach langem siechtum letztendlich dahinscheiden werden, wem wird da nicht auch ein stein vom herzen fallen ob der tatsache, dass ein nutzloses stück menschliche entwicklung endlich sein ende gefunden hat?

    wie bereits im oben verlinkten post geschrieben: der musikkauf wird mittelfristig aussterben und letztendlich nur noch zu werbezwecken für live auftritte dienen. bestenfalls werden sich flatrate angebote für streamingdienste realisieren lassen, aber auch da sehe ich bestenfalls ein potential von 20€ pro kunde und monat. im extremfall – einstellig oder knapp zweistellig ist wohl wahrscheinlicher.

  • @negativity
    Deinem Artikel stimme ich in großen Teilen zu. Aber bereits heute gibt es Dienste, die deinen Vorstellungen gerecht werden. So z.B. zeezee, Musicmonster, oder flatster. Dort findet zwar immer wieder die Diskussion um die Legalität und Moral statt, aber zum einen verdienen die Künstler durch höhere Gema-Einnahmen (in der Tat ist der Verteilungsschlüssel und die Gema an sich ein Witz) und der User kommt doch recht einfach und legal an seine Musik. Wer die Kohle locker sitzen hat, nicht ein paar Minuten warten will oder nur 1-2 Titel im Monat sucht kann ja bei iTunes oder Musicload direkt kaufen.
    Ich finde es einfach schade, dass solche Dienste nicht die öffentlichkeit bekommen. Die Medien überschlagen sich mit Berichten immer von so, aus meiner Sicht, komischen Diensten wie Simfy anstatt mal den User auf sinnvolle Dienste hinzuweisen. Aber ja, da hätte die liebe Musikindustrie ja was dagegen, also immer schon das Lied singen wer auch schon Anzeigen bucht und zahlt.

    Im Ergebnis wird es eben diese Musikflats geben, ob von Drittanbietern oder der Industrie. Wer will denn Musik nur hören, und wer hat schon überall eine Datenleitung….

  • Die Musikindustrie muss sich eben etwas ausdenken, wie sie Leute dazu kriegen, Musik zu kaufen anstatt illegal runterzuladen. Datenträger wie CDs sind heute größtenteils nicht mehr zeitgemäß. Das Anbieten von Downloads für die man bezahlt, sind ein Anfang, aber ich bin sicher, da gibt es noch mehr Alternativen.

  • „Man sieht Musikhandys und MP3-Player an allen Orten.“

    Man hat früher auch massig tragbare Kassettenspieler und Ghettoblaster gesehen. Es wurden aber trotzdem fast keine Original-MCs gekauft.

    „Was bedeutet das nun? Sind die Zeiten einfach vorbei, in denen man sich Musik gekauft hat. Schließlich gibt immer mehr Musikabos und kostenlose Radios. Oder hat Illegal endgültig gewonnen? “

    Vielleicht. Vielleicht kaufen sich die Leute auch nur vereinzelt mal ein Lied. Ein ganzes Album kostet doch fast genauso viel wie die Original CD. Noch schlimmer ist es bei alten Alben. Die bekommt man doch gebraucht für wenig Geld im Original. Wer bei den Preisen ein ganzes Album runterlädt, der ist doch nicht ganz normal.

    Vermutlich sind wir Deutsche aber auch nicht so blöd und zahlen viel Geld für Ware, die nicht viel anders aussieht als wäre sie illegal runtergeladen/kopiert.